Zusammenfassung
Mit der im zweiten Kapitel zur Darstellung gelangten Streitrechtsbeziehung zwischen zwei Rechtsgenossen, die darüber streiten, wem von ihnen dieses Gut von Rechts wegen gehöre, wird ein erster247 Schritt gemacht heraus aus dem reinen Personenrecht und auf ein Gegenstandsrecht zu. Die „res qua de agi tur“ ist das erste werthafte Etwas, das auf die juristische Bezeichnung Gegenstand Anspruch erheben kann. Dem Streitgegenstand (x) kommt Rechtswertigkeit an und für sich, d. h. unter Absehen von einer individuellen Eigenzuordnung, zu. Er ist ein Objekt möglicher Zuordnung. Der Kreis der Möglichkeiten ist freilich ungemein beschränkt: Nur eine der beiden am Rechtsstreit als Prätendenten beteiligten Personen kommt als Relationsträger von x in Betracht. Immerhin, es ist eine Möglichkeit des Habens, die hier besteht, und es bedarf des formgebundenen Ablaufs rechtlicher (prozessualer) Geschehnisse, damit sie verwirklicht werde: damit nun einer von beiden x de iure zueigenhabe.
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Literatur
Diese Aussage operiert nicht mit dem Begriff der geschichtlichen Zeit. Es ist von der rechtslogischen Genesis des Rechtsgegenstandes die Rede. Inwieweit dem rechtslogischen Nacheinander rechtlicher Gegebenheiten, die im Verhältnis der Priorität und Posteriorität zueinander stehen, eine rechtshistorische Folgeordnung entspricht, ist jeweils besonders zu untersuchen und, soweit frühe Stadien der Rechtsentwicklung in Frage kommen, oft nicht mit Sicherheit zu entscheiden. Daß hier aber eine eigentümliche Parallelität besteht, daß die rechtslogische Entfaltung des Rechts sich im rechtsgeschichtlichen Ablauf weitgehend abzubilden vermag und auch tatsächlich abgebildet hat, wird nicht erst dem Leser dieser Schrift auffallen, sondern auch schon den Lesern unserer früheren Untersuchungen klar geworden sein.
Gewiß will A1 das Existentwerden des Streitgegenstandes. Die Schaffung eines Rechtsstreitverhältnisses ist das erste Ziel seines Handelns. Wir haben es hier mit einer typischen Durchgangsleistung und einem Durchgangserfolg im Sinne der von Husserl IV, 25/26 gemachten Ausführungen zu tun. Das Verhalten des A1 ist, indem er den Normangriff vollzieht, auf ein dahinterliegendes Ziel gerichtet, das unter einer von vornherein intendierten Überschreitung vorangestellter Nahziele erreicht werden soll, auf das Endziel einer ihm günstigen Entscheidung.
Wir sprechen von Gütern im Sinne der Volkswirtschaft. Es ist hier nicht der Ort für eine tieferdringende begriffliche Untersuchung dessen, was unter Gut im ökonomischen Sinne zu verstehen sei. Das im Gedankenzusammenhange dieser Untersuchung Erforderliche ist im ersten Kapitel zu II, insbesondere in den §§ 20 f. bemerkt worden. Nicht unterbleiben soll aber ein Hinweis auf die auch für uns bedeutsamen Ausführungen von Böhm-Bawerk, Rechte und Verhältnisse, 1881, S. 18 f.
Vgl. schon oben § 53.
G. Husserl, Z. d. Sav. St., Rom. Abt. 50, S. 481; vgl. auch die eben-dort Anm. 1 gegebenen Nachweise.
Vgl. oben § 57.
Es ist hier an die vorausdeutenden Bemerkungen des § 55 zu erinnern.
Sie ist schon oben § 104 i. f. ins Auge gefaßt worden.
Die voraufgegangene Einigung der Parteien ist nicht bindend. A und S sind sich in der ersten Phase ihres einverständlichen Handelns darüber klar geworden, was weiter geschehen wird. In dieser Zukunftsperspektive hat A die Willensdistanziierung von g vollzogen. Auch dieser Akt ist widerruflich; erst die zweite Phase formgebundenen Parteihandelns läßt ihn zu einem endgültig bindenden Verzichtsakt erstarken. Was davor liegt, ist noch vor dem Recht: der Verrechtlichung durch Vollzug des Kauf rechts-geschäfts — unten II — (fähig und) bedürftig. Einem ähnlichen Phasenaufbau werden wir später (im 4. Kapitel) bei der Iniurecessio begegnen. Dort hat aber der „erste Akt“ bereits eine wesentliche Festigung erfahren: Aus dem „was sein wird“ ist ein „was sein soll“ geworden. Vgl. unten § 136.
Es ist an anderer Stelle — Z. d. Sav. St., Rom. Abt. 50, 478 f. — versucht worden, die Rechtsstruktur der originären Mancipatio im Sinn der Ausführungen des Textes verständlich zu machen; vgl. dazu jetzt (zweifelnd) Wieacker, Lex commissoria, 1932, S, 48, Anm. 6; ferner (mit wirtschaftsgeschichtlichen Erwägungen) Schönbauer, Z. d. Sav. St., Rom. Abt. 52, 239. Das rechtslogische Fundament der dortigen Darlegungen erfährt durch die vorliegende Untersuchung erst seine explizite Rechtfertigung, während andererseits jener rechtshistorische Deutungsversuch für die jetzige begriffliche Analyse als ein Beleg (nicht Beweis) aus der Rechtswirklichkeit dienen mag.
Auf die natürliche Zeitfolge der Parteiakte ist kein entscheidendes Gewicht zu legen. Wir sprechen von einem „Nacheinander“ im Sinn eines Voneinander-abhängigseins dieser Willensakte, die rechtslogisch in bestimmter Weise aufeinander abgepaßt sind.
Vgl. oben §§ 97f.
vgl. oben § 44.
Es sind hier die ergänzenden Ausführungen der §§ 130–132 zu vergleichen.
Wir erinnern uns der Ausführungen des §101.
Nach Stintzing (Mancipatio, 1904) vertreten bei der mancipatio die fünf Zeugen das Volk, „jedenfalls vertreten sie die Öffentlichkeit“ (S. 15). An die Zeugen als Repräsentanten der Öffentlichkeit richte sich die Vindi-kationsformel, die ein Aufgebot gegen jedermann darstelle: „Die Vindi-kationsformel bedeutet demnach bei der mancipatio ein Sichbereitzeigen zum Eigentumsstreit gegen jedermann. Und dazu erteilt der Manzipant schweigend seine auctoritas“ (S. 17). Der ganze Vorgang des Mancipations-ritus diene ähnlichen Zwecken wie unser Grundbuch (S. 19). Diese Auffassung ist nicht haltbar. Stintzing verselbständigt in unzulässiger Weise die rechtsöffentliche Seite der mancipatio, die einen Zuordnungswechsel zum Inhalt hat und diesen in seiner rechtlichen Ganzheit zur Rechtsabbildung bringt. Stintzing geht von der Vorstellung aus, daß das „interne Verhältnis zwischen Veräußerer und Erwerber“, daß der eigentliche Vorgang der entgeltlichen Wertverschiebung von Person zu Person in der mancipatio selber nicht mehr zum vollen Ausdruck gelange, ihr gegenüber vielmehr als präexistent zu denken sei; vgl. dagegen Husserl, Z. d. Sav. St., Rom. Abt. 50, S. 478/79.
Es ist hier auf die grundsätzlichen Darlegungen von Husserl I, betr. „die Norm werdung rechtskreisentbundener Rechte“ (S. 151 ff.) zu verweisen.
Vgl. oben §§ 110, 111.
Vgl. oben § 92.
Dazu unten § 125.
Der geforderten „Aufhellung“ ist unter Umständen die Feststellung einer Unaufhellbarkeit der Daseinswurzel des bezweifelten Zueigenhabens gleichzusetzen; vgl. den folgenden Text (§ 121 1. f.).
Vgl. unten § 125.
Was die rechtslogische Struktur der Eigenproduktion angeht, ist auf das oben in § 54 a Ausgeführte zu verweisen.
Es liegt, mit Aristoteles, Rhet., L. I, C. 5, p. 1361 a, 1. 21 f., zu reden, nicht eine δόσις, sondern eine πϱᾶσις (ϰατἀϱίου δόσις) vor.
Man kennt derartig stereotype Anerkennungs- und Verzichtsklauseln aus dem Bereich des antiken und frühmittelalterlichen Rechts, vgl. dazu Husserl I, 175 f. Es wird da vielfach auch hervorgehoben, daß der Käufer das Gut „für immer“ — ει͗ς τὸν ἄπαντα χϱόνον und ähnlich — haben solle. Damit wird einmal die Unwiderruflichkeit des Widerrufsverzichts des Veräußerers zum Ausdruck gebracht, der sich seines Rückgriffrechts hinsichtlich der verkauften Sache ein für allemal begeben hat. Zugleich deuten diese Wendungen positiv auf die Zeitstruktur der kausalen ER. hin, deren Sein ein solches ein für allemal ist, und deren Dasein einen offenen Zukunftshorizont hat, — beides in Übereinstimmung mit der primären ER.
Es ist hier an einen Angriff von dritter Seite her zu denken. Ist es der Veräußerer A selbst, der das Haben des Erwerbers S antastet, so liegt eine offenkundige Willensinkonsequenz vor. Sie mag pönale Folgen nach sich ziehen. Ein derartiger Angriff wird an der selbstgesetzten Vertragsnorm, die das Zueigenhaben des Erwerbers trägt, — als ein ἔφοδος ἄϰυϱος, wie die gräko-ägyptischen Urkunden sagen, vgl. Husserl I, 175 (mit Hinweisen auf die entsprechenden Klauseln der Urkunden aus anderen Rechts-kreisen) — scheitern müssen. Auf einen Angriff des Verkäufers (dem kein Reurecht vorbehalten blieb) braucht sich S nicht einzulassen. Seine Dingrelation ist im Verhältnis zu A, der einen unwiderruflichen entgeltlichen Rückgriffsverzicht geleistet hat, unangreifbar; sie steht in dieser Richtung, wie wir wissen — vgl. oben § 119 —, der finalen ER. gleich.
Die so verstandene doppelwertige Aussage über die Zeitbeschaffenheit der kausalen ER. (in Hinsicht auf ihre Vorzeit) betrifft einen Sonderfall der Grundtatbestände einer Daseinsfolge und einer Personnachfolge: oben §§ 48, 49.
Die Dingrelation A—g ist wie jede andere ER. einer Lösung von der Person des Relationsträgers unfähig; sie kommt als Gegenstand einer Personnachfolge nicht in Betracht. Was aber ist es, das als wirkendes Etwas aus der Hand des A identisch auf S übertragen worden ist? Zu dieser Frage wird noch Stellung zu nehmen sein; vgl. unten § 128.
Vgl. Partsch, Griech. Bürgschaftsrecht I, 348/49; auch noch Pappulias, ‘H ἐμπϱάγματος ἀσφάλεια I, 1908, S. 34, Anm. 30.
Vgl. oben § 48.
Vgl. neuerdings zur Wortbedeutung und Bedeutungsentwicklung: Heinze, Hermes 60 (1925), 348f.
Im oben § 57 dargelegten Sinn.
Diesem ist nach unserer Kenntnis das Institut der Ersitzung unbekannt gewesen. Das darf gewiß nicht so verstanden werden, als ob das germanische Recht bei Beurteilung der Frage nach dem Bestand von Dingrelationen den Zeitablauf einfach ignoriert hätte. Die Idee einer Ver Wirkung von Machtpositionen, die von keinem sichtbaren Herrschaftswillen mehr getragen sind, wird von früh an eine Rolle gespielt haben. Gewiß hat mit Existentwerden der primären ER. der Machtwille des Individuums, den das Recht stützt, eine „Prolongierung“ erfahren (oben § 58). Aber auch (und gerade) für die primäre ER. ist Publizität Wesenserfordernis. Das aus der Sachherrschaft verdrängte Rechtssubjekt muß in erkennbarer, an überlieferte Formen gebundener Weise reagieren, wenn anders es nicht seines Rückforderungsrechts verlustig gehen will. Wer einen Angriff auf sein Eigen hinnimmt, ohne am rechten Ort und zur rechten Zeit dem Angreifer gegenüber einen Unrechtsvorwurf zu verlautbaren, verschweigt sein Recht; die Rechtsordnung wird ihn als einen solchen ansehen dürfen, der die das angetastete Haben tragende Willensstellung geräumt hat.
Vgl. dazu Husserl I, 182; auch Wenger, Praetor und Formel (Sitzungsberichte d. Bayer. Akad., Phil. u. hist. Klasse, Jg. 1926, 3. Abh.), S. 105/6.
Dittenberger, Sylloge II2, Nr. 929, (Magnesia am Mäander) v. 132 f.
Or. XII (angeblicher Brief Philipps), § 23, vgl. § 22.
Or. VI (Archidamos) §§ i8f., vgl. §§ 24, 31. Die Rede ist wie andere „Reden“ des Isokrates nicht gehalten worden.
Den angeführten griechischen Zeugnissen darf der Katalog der Eigentumserwerbstitel, welcher sich bei Cicero, De inventione I, 45, § 84 findet, zur Seite gestellt werden. Es heißt da: „Quoniam habes istum equum, aut emeris oportet (1) aut hereditate possideas (2) aut munere acceperis (3) aut domi tibi natus sit (4) aut, si horum nihil est, surripueris necesse est: sed neque emisti neque hereditate venit neque donatus est neque domi natus est; necesse est ergo surripueris.“ Den Erwerbstiteln, die wir im Text unter I—III festgestellt haben, entsprechen bei Cicero 2, 1 und 3. Wir vermissen eine Erwähnung des Kriegserwerbs, zumal mit Rücksicht auf Gaius, Inst. IV, § 16 i. f. („Maxime sua esse credebant, quae ex hostibus cepissent“). Aber Cicero nimmt gleich im folgenden Paragraphen Anlaß, in Ergänzung der von vornherein als lückenhaft bezeichneten enumeratio den fehlenden Erwerbsgrund nachzutragen: „Hoc commode reprehendetur, si dici possit ex hostibus equus esse captus“. (De officiis II, 23, § 81 wird noch der Titel „pro dote“ hinzugefügt.). Die bei Cicero an vierter Stelle genannte Erwerbsart konnte für die griechischen Quellen, die es nur mit dem Landerwerb zu tun haben, nicht in Frage kommen. Vgl. aber auch Demosthenes, Or. LUI (gegen Nikostra-tos), § 19; es handelt sich da um das Eigentum an einem Sklaven.
Zu I 1 und 2 vgl. auch noch Polybios, Historiae, L. 18, 7 § 1 (p. 855 i. f.) und L. 18, 35 §§ 9, 10 (p. 882).
Eine verwandte Deduktion, bei der ebenfalls die Berufung auf langjährigen Besitz eine Rolle spielt, findet sich bei Cicero, De officiis II, 23, §81.
Die Forderung eines „iustus titulus“ der Usukapion ist diesem Stadium der Rechtsentwicklung — wie wohl dem römischen Recht noch zur Zeit der XII Tafeln, vgl. Scialoja, Teoria della Proprietà nel diritto Romano II, 1931, 112/13 (im Anschluß an Stintzing); ferner Wieacker, Lex commissoria, 1932, S. 48 zu Anm. 7 — fremd.
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Husserl, G. (1933). Von der thetischen zur kausalen Eigenrelation. In: Der Rechtsgegenstand. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-51837-9_4
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