Zusammenfassung
Ehe wir angeben können, was Denken ist, muß eine Vorfrage beantwortet werden: Was ist Denken? Das klingt widersinnig und hat doch seinen guten Sinn. Denn in der Hauptfrage: „Was ist Denken?“ ist das Wort „Denken“ grammatisches Subjekt und „was“ Prädikat. Das Denken wird also wie eine Sache auf-gefaßt, auf die man mit dem Finger weisen kann, wie z. B. die Krone, die der König Hiero dem Archimedes mit den Worten übergeben haben mochte: „Was steckt wohl in diesem Stücke hier?“ Natürlich hätte Hiero den Gelehrten nicht nach dem Gehalt seiner Krone fragen können, wenn er sie ihm nicht zur Verfügung gestellt hätte, und so müssen auch wir uns zuerst darüber verständigen, welche Vorgänge in der Hauptfrage mit dem Namen Denken bezeichnet sind. Daher lautet die Vorfrage: „Was ist Denken?“ Und hier ist „was“ grammatisches Subjekt und „Denken“ Prädikat3).
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Literatur
Siehe Anhang Nr. 4.
Karl Krall: Denkende Tiere. Leipzig 1912.
Principia I. 9; E. Husserl: Jahrb. für Philosophie und phänomenologische Forschung. Bd. 1, S. 50. 1913.
Stefan v. Maday: Gibt es denkende Tiere? Leipzig 1914.
K. Krall, 1. c. S. 373ff.; Stefan v. Maday, 1. c. S. 12ff.
Deutsche Revue. 4. Bd., S. 314. Stuttgart 1912.
In dem Zitat bezieht sich grammatisch das Wort „diese“ allerdings auf einen anderen Umstand, aber aus dem Zusammenhang geht hervor, daß nach Ansicht des Berichterstatters die Größe der Radikanden für das Vorhandensein einer Denkfähigkeit spricht.
Siehe Anhang Nr. 5.
Es braucht wohl nicht erst betont zu werden, daß dieser Sprachgebrauch nichts mit dem Kantischen zu tun hat.
Schon eine flüchtige Betrachtung des Sprachgebrauches (unter Zugrundelegung ganz komplexer Vorgänge) zeigte, daß mit Denken = Nachdenken ein Erkenntnisprozeß gemeint sein muß (S. 9), und lenkte uns auf den Ort (im figürlichen Sinne), wo das Kriterium zu suchen wäre (S. 11). Wir konnten es selbst durch gründliche Betrachtung eines relativ elementaren Prozesses finden: Das zutage Geförderte darf auch in der Vorerfahrung in diesem Zusammenhang nicht dagewesen sein.
Wenn also nach vorausgegangener Belehrung, daß 2×5 Äpfel = 10 Äpfel, 2 × 6 Äpfel = 12 Äpfel sind, auf die Frage nach 2 × 7 Äpfeln das Vorstellungsbild von 14 Äpfeln auftaucht, so sprechen wir von Denken. Wenn aber umgekehrt schon erfahren wurde, daß 2 × 7 = 14 ist, so braucht eine Reaktion, in der auf die erneute Frage nach 2×7 hin 14 durch eine „Bewußtseinslage“ ohne sinnliches Bild erfaßt wird, darum doch nicht als Denken zu gelten. Ebensowenig kommt es uns darauf an, ob das Endergebnis des Erkenntnisprozesses ein adäquates oder inadäquat-sinnliches Bild (Wort) ist. Wir können Veranlassung haben, das Erscheinen eines Satzes, in dem das Dasein von 14 Äpfeln erwartet wird, als nicht gedacht zu bezeichnen, und umgekehrt in dem Auftauchen eines Vorstellungsbildes von 14 Äpfeln eine Denkleistung zu sehen.
Siehe Anhang Nr. 6.
Wofern nicht „gedankenlos“ das formale Schlußschema angewandt wird.
Solche Erlebnisse werden von Helmholtz unbewußte Schlüsse genannt, siehe z. B. H. v. Helmholtz: Schriften zur Erkenntnistheorie. S. 124. Berlin 1921.
Überschauen wir noch einmal unseren Gedankengang: Die Betrachtung des komplexen Prozesses führte auf eine Ortsbestimmung des Kriteriums (S. 11), unter Zugrundelegung eines relativ elementaren Prozesses wurde das Kriterium festgestellt und wird dann wieder auf komplexe Prozesse angewandt (siehe Anm. 1, S. 13).
Siehe Anhang Nr. 7.
Freilich werden wir gelegentlich die logischen Betrachtungen durch psychologische zu ergänzen suchen.
Math. Enz. Bd. I.1, S. 100.
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Hertz, P. (1923). Beantwortung einer Vorfrage. In: Über das Denken und Seine Beziehung zur Anschauung. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-51822-5_2
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