Zusammenfassung
Die Scheidung der in der Regel durch äußere Einflüsse entstandenen Nervenkrankheiten mit organisch nachweisbaren krankhaften Veränderungen von den vorwiegend endogen begründeten Neurosen und Psychosen aufrechtzuerhalten, empfiehlt sich auch vom Standpunkte einer sozialpathologischen Betrachtung aus. Die Nervenkrankheiten mit nachweisbar organischen Veränderungen sind in sozialer Hinsicht allerdings nicht annähernd so wichtig wie die anderen. In der Mitte zwischen den beiden Gruppen steht der chronische Alkoholismus. Daß gerade diese sozial so ungemein wichtige Erkrankung sich nicht in die beiden oben erwähnten Gruppen einreihen läßt, zeigt schon, daß diese Einteilung nicht wesentlich begründet, sondern nur zum Zwecke vorläufiger Orientierung konstruiert ist. Diesem Mangel. an Genauigkeit in der Einteilung entspricht auch bei den Neurosen und Psychosen die Unsicherheit des Krankheitsbildes, das nur in den in der Minderzahl befindlichen ausgeprägten Fällen scharf abzugrenzen ist, in den überaus häufigen leichten Fällen aber so vieldeutig, verschwommen und mit dem normalen seelischen Verhalten verwandt erscheint, daß sich keine klassifizierbare Erkrankung mehr abhebt, sondern nur eine allgemeine psychische Minderwertigkeit von proteusartiger Gestalt festgestellt werden kann, die mit unklaren Sammelnamen verschiedenster Art belegt wird. Darin, daß die dieser Schicht angehörenden Fälle eine hervorragende sozialpathologische Bedeutung haben, liegt eine besondere Schwierigkeit unserer Betrachtung.
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Literatur
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Grotjahn, A. (1923). Nerven- und Geisteskrankheiten. In: Soziale Pathologie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-51815-7_14
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