Zusammenfassung
Angeregt zu dem Thema dieses Beitrags wurde ich durch die Lektüre eines Artikels in der Neuen Zürcher Zeitung (1994). Dort setzte sich der Psychoanalytiker Fäh-Barwinski mit Zweifeln von Grawe an der Wirksamkeit von analytischer Psychotherapie auseinander. Fäh-Barwinski fand, daß die zentralen Unterschiede oder Gemeinsamkeiten zwischen den einzelnen Psychotherapieverfahren wesentlich auf der Ebene ihres impliziten Menschenbildes lägen, z. B. ob das Heilungsziel der leidensfreie oder der leidensfähige Mensch sei. Dazu fiel mir spontan ein, daß für mich selbst, als ich mich 1950 am Berliner Institut für Psychotherapie der Freudianischen Gruppe und nicht der Neopsychoanalytischen anschloß, genau diese Unterscheidung eine bestimmende Rolle gespielt hatte. Ich hatte in den Jahren 1947 und 1948 eine philosophische Doktorarbeit über den Schmerz — gemeint war das Leiden — verfaßt, die ich dann später zu dem Buch “Der Gotteskomplex” (Richter 1979) erweiterte. Die Arbeit war, wie ich im nachhinein verstanden habe, im wesentlichen der Versuch einer Selbsttherapie gewesen. Ich war aus der Gefangenschaft in einer ziemlich verzweifelten Verfassung zurückgekehrt, belastet mit vielen bedrückenden Erfahrungen, zuletzt mit der Information, daß und wie meine Familie ausgelöscht worden war und daß ich alle näheren Freunde verloren hatte. Die Dissertation über den Schmerz entsprang ohne Zweifel zu einem erheblichen Teil meinem unbewußten Bedürfnis, mich persönlich zu stabilisieren.
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Richter, HE. (1996). Erinnerungsarbeit und das Menschenbild in der Psychotherapie. In: Buchheim, P., Cierpka, M., Seifert, T. (eds) Spiel und Zusammenspiel in der Psychotherapie — Erinnern und Entwerfen im psychotherapeutischen Handeln — Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik — Qualitätssicherung. Lindauer Texte. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-51501-9_10
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