Zusammenfassung
I. Um die Klärung des Begriffs des freien Ermessens hat sich die Wissenschaft und Praxis des Verwaltungsrechts — wie wir Hofacker 1) zugeben müssen — bisher erheblich mehr bemüht, als die Strafrechts- wissenschaft. Das ist begreiflich; denn während das freie Ermessen seit jeher als ein weite Gebiete der Verwaltung beherrschendes Element betrachtet wurde, bildete es im Strafrecht eine seltene Erscheinung. Das scheint sich völlig zu ändern, wenn wir die Strafrechtsreform betrachten. Es sei nur an das Wort Kahls erinnert, die Freiheit des richterhchen Ermessens sei die Stelle, wo der „Herzschlag des neuen Strafrechts“ pulsiere2). So sehr auch die Ansichten über den Wert oder Unwert dieser Neuerung geteilt sind, so sehr besteht doch über die Tatsache selbst, daß die Strafgesetzentwürfe dem freien Ermessen des Richters größeren Spielraum gewähren wollen, Einigkeit. Da nun aber freies Ermessen und Irrevisibilität durchweg als untrennbare Begriffe angesehen werden, so ginge die Tendenz der Strafrechtsreform hiernach auf eine erhebliche Einschränkung der Revisionsmöglichkeiten. Wir sind daher genötigt, im Rahmen unserer Untersuchung zu prüfen, welche Rolle das freie Ermessen im geltenden Strafrecht spielt bzw. im künftigen aller Voraussicht nach spielen wird und in welchem Verhältnis es zur Revision steht — Fragen, deren Beantwortung jedoch erst möglich wird, sobald wir über den Begriff der Ermessensfreiheit selbst Klarheit gewonnen haben. Hierbei dürfen wir nun freilich nicht so verfahren, daß wir uns einen a priori geltenden Begriff des freien Ermessens auf spekulativem Wege suchen und dann aus ihm allerlei vermeintlich von jeher in ihm enthaltene praktische Folgerungen, wie z. B. Irrevisibilität usw. herausholen, die wir in Wahrheit selbst erst in ihn hineingelegt haben. Wir müssen uns vielmehr über die Folgen, die wir an den Begriff des freien Ermessens knüpfen wollen, bereits bei der Arbeit des Definierens klar werden.
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Literatur
Bühler, Die subjektiven öffentl. Rechte 1914, S. 28
Herrnritt, Grundlehren des Verwaltungsrechts 1921, S. 297
Tezner, Das freie Ermessen der Verwaltungsbehörden 1924
Oetker, Ger Saal Bd. 66 (1905), S. 347
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Schultzenstein, Verw. Arch. Bd. 26 (1918), S. 1ff
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Mannheim, H. (1925). Die Revisibilität des freien Ermessens und der Strafzumessung. In: Beiträge zur Lehre von der Revision Wegen Materiellrechtlicher Verstösse im Strafverfahren. Abhandlungen aus der Berliner Juristischen Fakultät. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-51369-5_4
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