Zusammenfassung
Die Phänomenologie1 hat die Aufgabe, die seelischen Zustände, die die Kranken wirklich erleben, uns anschaulich zu vergegenwärtigen, nach ihren Verwandtschaftsverhältnissen zu betrachten, sie möglichst scharf zu begrenzen, zu unterscheiden und mit festen Terminis zu belegen. Da wir niemals fremdes Seelisches ebenso wie Physisches direkt wahrnehmen können, kann es sich immer nur um eine Vergegenwärtigung, um ein Einfühlen, Verstehen handeln, zu dem wir je nach dem Fall durch Aufzählung einer Reihe äußerer Merkmale des seelischen Zustandes, durch Aufzählung der Bedingungen, unter denen er auftritt, durch sinnlich anschauliche Vergleiche und Symbolisierungen, durch eine Art suggestiver Darstellung hingelenkt werden können. Dazu helfen uns vor allem die Selbstschilderungen der Kranken, die wir in der persönlichen Unterhaltung provozieren und prüfen, am vollständigsten und klarsten gestalten können, die in schriftlicher, von den Kranken selbst verfaßter Form oft inhaltlich reicher, dafür aber einfach hinzunehmen sind. Wer selbst erlebte, findet am ehesten die treffende Schilderung.. Der nur beobachtende Psychiater würde sich vergebens zu formulieren bemühen, was der kranke Mensch von seinen Erlebnissen sagen kann.
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Jaspers, K. (1946). Die subjektiven Erscheinungen des kranken Seelenlebens (Phänomenologie). In: Allgemeine Psychopathologie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-49689-9_2
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