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Die Analogie des psychoiden mit dem psychischen Denken und Handeln

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Die Psychoide
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Zusammenfassung

Im vorhergehenden glauben wir nachgewiesen zu haben:

  1. 1.

    Einzelorganismen und Genera besitzen eine Zielstrebigkeit ihrer Funktionen in dem Sinne, daß diese zur Erhaltung des Lebens eingerichtet sind (ein Ziel plus eine Aktivität, dieses Ziel zu erreichen).

  2. 2.

    Alle Teile des Körpers bekommen Nachrichten von den Funktionen und dem Ort der andern Teile.

  3. 3.

    Es gibt eine Integration aller Funktionen, indem dieselben unter normalen Umständen niemals bloß als Mosaik unabhängiger Teile, sondern noch mehr als Ganzes tätig sind. Jede einzelne Funktion wird im Prinzip beeinflußt von allen andern und es gibt Gesamtwirkungen, die nur aus dem Zusammenarbeiten der Teile resultieren.

  4. 4.

    Die Erlebnisse der einzelnen Teile und des Ganzen werden in Engrammen fixiert, die, soweit wir sie kennen, ganz analog den Engrammen der Hirnrinde sind. Die einzelnen Engramme werden durch neue ähnliche oder durch mit ihnen assoziativ verbundene Erfahrungen wiederbelebt (ekphoriert).

  5. 5.

    Engramme sind auch die Lebformel (der Bau- und Funktionsplan) des sich entwickelnden und des ausgewachsenen Organismus und die Gene in den Keimzellen.

  6. 6.

    Dazu kommt noch: gleichzeitig oder nacheinander ekphorierte Engramme assoziieren sich untereinander und mit den neu ankommenden Botschaften und reagieren auf wiederholte ähnliche Situationen gemeinsam nach Art von Reflexen, in denen ein vorgebildeter Mechanismus assoziativ beeinflußt wird nicht nur durch den auslösenden Reiz, sondern auch durch einen Komplex von andern, richtunggebenden Nachrichten : der nämliche Wischreflex des Frosches auf Betupfen einer bestimmten Hautstelle mit Säure braucht ganz verschiedene Bewegungen und Muskelkombinationen je nach der Ausgangsstellung des Beines, und diese Bewegungen werden bestimmt durch die ankommenden kinästhetischen Botschaften, die das Verhältnis von Ausgangsstellung zum Ort der gereizten Hautstelle angegeben. (Über Assoziation s. S. 26 und Naturgeschichte der Seele.)

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Literatur

  1. Ob nach einmaligem Erleben schon, wie oft in der Psyche, oder erst nach vielfach wiederholtem, ist hier gleichgültig. In Wirklichkeit wird kein prinzipieller Unterschied bestehen zwischen (wirksamer) Engraphie nach einmaligem Erleben und solcher, die erst nach wiederholter Erfahrung bemerkbar wird.

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  2. Gleichheiten gibt es genau genommen nicht (s. Naturgeschichte der Seele).

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  3. Das nämliche wird vielleicht deutlicher auf folgende Weise ausgedrückt: Es ist ja richtig, daß ein Reiz, eine Nachricht, wenn Hemmungen oder mangelnde Gelegenheit die Aktion hindern, zunächst wirkungslos graphisch aufgehoben wird, bis der Wechsel der Verhältnisse ihn als Impuls oder Aktion ekphoriert; Wärmeeinflüsse auf den sich entwickelnden Keim bewirken später veränderte Pigmentbildung der Käferimago. Deswegen aber ist der Impuls doch schon in dem enthalten, was wir Nachricht nennen. Man kann sich diese nicht so vorstellen, wie einen Brief, den wir lesen und auf die Seite legen können, um den Inhalt erst bei späterer Gelegenheit zu benützen; sondern sie ist die eine Seite eines lebendigen Wechselspieles zwischen den Teilen eines Organismus, in dieser Beziehung etwa analog den objektiven Vorgängen in einem Sonnensystem, wo jede Änderung im Lauf eines Planeten von den andern bemerkt aber auch zugleich darauf reagiert wird. Bemerken, Nachricht erhalten und Reaktion sind der nämliche Vorgang von verschiedenen Seiten gesehen. Der Bauplan der Organismen ist beständig in einer gewissen Aktion; jede neue Nachricht bedeutet eine Veränderung desselben. Ist ein Salamanderfuß abgeschnitten, so bekommen die andern Zellen die Nachrichten nicht als bloße Zeitung, sondern als imperatives Mandat, das Fehlende zu ersetzen. Der Auftrag wirkt auf die entfernteren Zellen nur unbedeutend, um so mehr auf die näher liegenden. Die allernächsten bilden neues Gewebe, die übrig gebliebenen des Stummels bilden sich um zu einem kleineren Gebilde, das sich sobald als möglich in ein richtiges Größenverhältnis mit dem neuen Fuß setzt. Natürlich gibt es bei einem solchen Vorgang keine Körperzelle, die wirklich ganz unbeeinflußt und unbeteiligt bliebe. Die Abstraktion einerseits direkt unwirksamer bloß registrierter Nachrichten, anderseits späterer eventueller Wirkung derselben ist für den Organismus nicht zutreffend; jede Nachricht ist etwas Aktives, das sich äußert, sobald die Bedingungen dazu vorhanden sind, als regenerierende Zellvermehrung bei den Anwohnern der Schnittfläche, als Umbildung bei den übrigen Teilen des Stummels, als weniger greifbare Hilfeleistungen im übrigen Körper, und eventuell im Keim als „Gen“ oder Änderung bestehender Gene in Form eines Bedürfnisses, das sich auswirkt, sobald der Grad der Entwicklung die Bedingung dazu schafft.

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  4. Auch pigmentlose Muscheln können sich durch Pigmentbildung vor Licht schützen, wenn man ihnen die eine Schale wegnimmt.

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  5. Die Grube soll nach Pauly aus dem Schutzbedürfnis der Sinnesorgane entstehen. Ich glaube nicht, daß das der wesentliche Grund sei: Viele Augen schützen sich bloß durch Härte der Cornea (Arthropoden).

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  6. Bei manchen Tieren bestehen offenbar lichtempfindende Nerven in der Haut, ohne daß sie zu einer Retina verbunden wären (z. B., Regenwurm); vielleicht können auch solche die Grundlage des Auges bilden.

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  7. Driesch sagt, der Organismus besitze die „Fähigkeit des Urteilens“. Ich möchte nicht um Namen streiten; aber nicht alle Leute würden es Urteilen nennen, wenn das gebrannte Kind das Feuer fürchtet; und nur diesem Vorgang scheint, soweit wir bis jetzt wissen, der psychoide „Denkakt“ zu entsprechen, während wir für die Annahme einer komplizierteren Tätigkeit der Psychoide keine Anhaltspunkte kennen, ohne sie allerdings schon ausschließen zu können.

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  8. Überhaupt kann man eigentlich nach dem Schema der philosophischen Logik nur Tautologien oder Dinge erschließen, die man schon weiß; das neue ist vorher schon gebracht durch die Zusammenstellung, die Assoziation zweier bis jetzt nicht zusammengeknüpfter Vorstellungen wie etwa „Wal“ und Säugetier“. Jedes Tier, das rotes warmes Blut und Lungen hat und lebende Junge zur Welt bringt, die es mit Milch ernährt, ist ein Säugetier — der Walfisch hat alle diese Eigenschaften — also ist er ein Säugetier. Das „also“ hebt nur heraus, was durch die Zusammenstelung der beiden Sätze bereits gewonnen ist; es gibt bloß einen Ausdruck für einen Teil dessen, was in der Zusammenstellung, d. h. vor dem„also“, schonenthalten istunter Abstraktion von dem Inhalt der beiden einzelnen Sätze. Bloß in dieser Heraushebung und Abstraktion, nicht in einer erst nach dem „also“ folgenden neuen Erkenntnis besteht der Gewinn des Syllogismus. Das Denken„ das wirklich Neues bringt, ist Analogiedenken und statistisches Denken: ich habe viele Male bemerkt, daß auf Blitz Donner folgt, aber sehr selten und nur unter bestimmten die Ausnahme erklärenden Bedingungen Blitz oder Donner vereinzelt wahrgenommen — also Bind Blitz und Donner eine irgendwie zusammenhängende Erscheinung. Die Bewegungen der Gestirne erfolgen nach den Gesetzen der Gravitation und Zentrifugalkraft — also sind Gravitation und Zentrifugalkraft dasjenige, was auch den Umlauf der Gestirne reguliert. Die „logischen“ Schlüsse sind deshalb absolut zwingend, weil das Resultat in der Kombination der Prämissen enthalten ist; weil letzteres bei den Analogie-und statistischen Schlüssen nicht der Fall ist, können diese auch nicht absolut zwingend sein; zur Zusammenstellung der Prämissen hat der Schließende (aus seiner Erfahrung) noch eine subjektive Wertung hinzuzufügen, wodurch erst der Schluß erlaubt wird.

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  9. Vgl. auch Bier: Höchstleistungen durch seelische Einflüsse usw. Münch. med. Wochenschr. 1924

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  10. In diesem Akt ist das Springen (oder die Häufigkeit desselben) das Neue; die allgemeine Erfahrung, welche Gestaltungen für bestimmte Bewegungsarten am geeignetsten sind, hat ja der Organismus von viel früher her zur Verfügung.

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  11. Der Mensch besitzt die anatomischen und assoziativen Einrichtungen zur Bewegung der Ohren jetzt noch; er kann sie aber nur ausnahmsweise benutzen.

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  12. Solche Beispiele sollen bloß den allgemeinen Gedankengang, die Möglichkeit, illustrieren. Es kann niemanden mehr als mir bewußt sein, daß wir noch gar nicht die Kenntnisse haben, die eine solche Überlegung für den einzelnen Fall auch nur einigermaßen zwingend machen könnten.

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  13. „Zufällige“ Mutation soll nach einzelnen geradezu die alleinige Ursache der Entwicklung sein.

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  14. Hansen in Hertwig: Werden der Organismen, S. 591/92.

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Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.

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Bleuler, E. (1925). Die Analogie des psychoiden mit dem psychischen Denken und Handeln. In: Die Psychoide. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-47396-8_10

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