Zusammenfassung
Bevor in nachfolgenden Kapiteln die Sektoren- und branchenspezifischen Dimensionen sowie die möglichen Ursachen der kleinbetrieblichen Expansion betrachtet werden, bedarf es eines Rückblicks auf die historische Genese des betriebsgrößenstrukturellen Wandels. Bei der Suche nach einem dominanten Entwicklungsmuster und dessen Determinanten kommt es zum einen darauf an, den kurzfristigen auch langfristige Prozesse zuzuordnen, um die Bedeutung struktureller Umbrüche bzw. ihre historische Spezifität besser beurteilen zu können. Zum anderen ist von Interesse, in welchem Kontext bzw. unter welchen wirtschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen sich der langfristige Betriebsgrößenwandel vollzog und welche Parallelen oder Disparitäten sich darin zum jüngeren strukturellen Wandel zeigen.
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Literatur
Mit den vom VASMA-Projekt (“Vergleichende Analysen der Sozialstruktur mit Massendaten”; Universität Mannheim) aufbereiteten Datensätzen der Gewerbe-, Betriebs- und Arbeitsstättenzählungen zwischen 1875 und 1970 sowie den im SEMU-Projekt (“Struktur und Entwicklung mittelständischer Unternehmen”; Projekt am Institut für Mittelstandsforschung, Universität Mannheim) dann 1970 bis 1987 aktualisierten und außerdem (nach der Umstellung der Wirtschaftzweigsystematik dann rückblickend) partiell neu geordneten Daten steht ein weit über hundert Jahre umfassendes Material an betriebsgrößenbezogenen Indikatoren zur Verfügung. Die Vorarbeiten des VASMA-Projekts sind gut dokumentiert, so daß auf eine weitere Darstellung verzichtet werden kann (vgl. Stockmann und Willms 1985).
Das Sequenzmodell dreier industrieller Revolutionen hat nach Müller-Jentsch und Stahlmann neben den technologischen Grundvoraussetzungen und der dominierenden Produktionsweise jedoch noch weitere Parameter zur Kennzeichnung der Umbruchphasen, wie bspw. die unterschiedlich dominierenden Arbeitsmärkte oder personalpolitische Strategien usw. (vgl. ebd. 1988:26).
Insbesondere die Erfindung der Dampfmaschine und ihr vermehrter Einsatz in den Fabriken sowie die mit dem Eisenbahnbau einhergehende Erschließung der Märkte stehen als Schrittmacher für eine Entwicklung, die “den großen Unternehmen einen unbestreitbaren Vorteil schufen” (Tichy 1990:61). Vor allem der Einsatz der Dampfmaschine setzte ein gewisses Maß an Zentralisierung der Produktionsvorgänge und damit eine gewisse Betriebsgröße sowie größere Investitionen voraus (vgl. Kocka 1990:71f).
Vgl. Schriften des Vereins für Sociaipolitik 76: Verhandlungen 1897:23ff., zitiert bei W. Conze 1976:616.
Auch Theodor Geiger verwies hierauf und stellte fest: “Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts war der Kapitalbedarf zum Start eines selbständigen Betriebes so gering, daß auch der kleine Mann sich durch geschickte Disposition und mit einigem Glück hocharbeiten konnte. Im Verlauf der wirtschaftlichen Entwicklung wachsen die Dimensionen des Einzelbetriebs und dessen festes Anlagekapital. Damit verschärft sich die Grenze zwischen besitzender und besitzloser Klasse. Diese Schichtgrenze ist relativ geschlossen” (Geiger 1962:138f.).
nach Fischer (1988:84) lag sie 1920/22 noch bei rund 3%.
In den Westzonen waren im wesentlichen nur der IG-Farben-Konzern, einige Großbanken und die Montanindustrie einer Dekartellierung unterworfen. Durch die Entschädigung bisheriger Eigentümer und die dadurch forcierte Entstehung von Nachfolgegesellschaften wurde aber gleichzeitig eine Rückverflechtung begünstigt So hatten sich auch die zunächst getrennten Banken wieder zusammengeschlossen (vgl. Winkel 1988:105).
“Zum Teil sind die Aufsteigenden (...) auch Neue. Der handwerkliche, gewerbliche und kommerzielle Mittelstand, desgleichen übrigens auch derjenige der freien Berufe, geht (...) auch deshalb nicht zugrunde. Klaviermacher und Klavierstimmer z.B. sind sterbende Berufe, seit Radio und Grammophon Gemeingut (...) geworden sind. Dieweil der Klaviermacher fällt, steigt der Radiohändler und der gewerbsmäßige Radiotechniker, ein Neuer im Mittelstand.” (Marbach 1942:265).
“In fact, if the Great Depression represented a macroeconomic crisis, the economic problems in the 1970s and 1980s were essentially microeconomic in that the focus was on the choice of technologies, organization of firms and markets.” (Acs und Audretsch 1990:13).
Andererseits darf jedoch nicht vergessen werden, auf welchem Ausgangsniveau sich das Kleingewerbe zum Zeitpunkt der (vorhergehenden) Zählung 1925 befand. Die Folgen des ersten Weltkrieges wirkten noch einige Zeit nach: Zum einen waren die Strukturveränderungen in der Produktion — im Zuge der Aufrüstung -stark zugunsten der Schwerindustrie verlaufen. Zum anderen kam es infolge des Einzugs von Wehrpflichtigen zu einer gravierenden Welle an erzwungenen Betriebsschließungen im Handwerk (vgl. Fischer 1976:801). Dabei steht in Frage, in welchem Umfang die Selbständigen in den Jahren danach wieder an ihren früheren Tätigkeitsort zurückkehren konnten. Die Tabellen 4.4 und 4.5 zeigen deutlich — und abweichend von anderen Querschnittsvergleichen — zwischen 1907 und 1925 einen Rückgang in sämtlichen unteren Betriebsgrößenklassen zugunsten der größeren Betriebe. Unter Berücksichtigung dieses Ausgangsniveaus ist dann auch die erfolgte Zunahme bis 1933 zu interpretieren.
Auch dieser Umstand läßt Zweifel dahingehend aufkommen, ob das Aufkommen der Kleinstbetriebe in einem späteren Zeitraum bzw. zwischen 1925 und 1933 auf die Verbreitung leistungsfähiger Kleinmotoren zurückzuführen ist (Vgl. König 1949:58).
Ausschuß zur Untersuchung der Erzeugungs- und Absatzbedingungen der deutschen Wirtschaft Das deutsche Handwerk (Generalbericht), Verhandlungen und Berichte des Unterauschusses Gewerbe: Industrie, Handel und Handwerk, 8. Arbeitsgruppe (Handwerk), Berlin 1930; zit. nach Wengenroth 1991:31.
Vgl. z.B. Stockmann und Kleber (1985:17f) und Stockmann (1987:146f)
Die Bevölkemngszahl hat sich (berücksichtigt man den gleichen Gebietsstand des Deutschen Reiches) seit Mitte des letzten Jahrhunderts bis zum ersten Weltkrieg nahezu verdoppelt. 1910 betmg die Zahl bereits 65 Mill. Rechnet man nur die Länder der alten Bundesrepublik, so hat sich der Bevölkerungsstand von 1939:43 Mill, auf 1950: 50 Mill. bzw. 1970: 61 Mill, erhöht Seitdem hat sich diese Zahl nur noch geringfügig geändert.
Lutz (1984:136) bedauert bspw., für das Handwerk, Verkehr und den Handel zu Beginn des Jahrhunderts keine entsprechenden Betriebsgrößenzahlen vorzufinden.
Gewisse Unschärfen lassen sich dabei allerdings nicht vermeiden, da sich der Erfassungsbereich unterhalb der Branchenaggregate im Zeitverlauf teilweise ändert (vgl. hierzu Dahm et al. 1981). In der Tendenz spiegeln die Werte jedoch den Verlauf dieser Versorgungsbranchen wider.
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© 1995 Institut für Mittelstandsforschung Mannheim
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Leicht, R. (1995). Kleinbetriebe in der historischen Retrospektive. In: Die Prosperität kleiner Betriebe. Beiträge zur Mittelstandsforschung, vol 3. Physica-Verlag HD. https://doi.org/10.1007/978-3-642-46977-0_5
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