Zusammenfassung
Denkende Menschen, welche die Natur aufgeschlossen beobachten, haben sich schon in Urzeiten die Frage gestellt, auf welche Weise wohl alle die vielfältigen Organe und Strukturen, die einen erwachsenen Organismus kennzeichnen, aus dem so „einfachen“Ei hervorgebracht werden. Auch heute noch wird sich niemand dem Eindruck entziehen können einem Wunder beizuwohnen, dem die Gelegenheit geboten wird, im Mikroskop zu verfolgen, wie sich ein Ei allmählich, aber unaufhaltsam in ein springlebendiges junges Wesen verwandelt. Da vor der Erfindung optischer Geräte auch im großen Vogelei nur wenig von diesem rätselhaften Prozeß der direkten Beobachtung zugänglich war, konnte man in früherer Zeit über diesen Vorgang nur spekulieren. Immerhin hat bereits Aristoteles zwei grundlegende Hypothesen der Entwicklungsphysiologie einander gegenübergestellt: Wenn das Ei tatsächlich, wie es dem menschlichen Auge erscheint, eine nur geringe Multiplizität besitzt, so muß die allmähliche Herausbildung der Organe des Kükens als Neubildung aufgefaßt werden (Epigenese). Die „einfache“Struktur des Eies könnte aber auch nur eine Täuschung sein! Es wäre durchaus möglich, daß alle Organe eines adulten Wesens in dichter Faltung auf engstem Räume, daher für das menschliche Auge unsichtbar, bereits im Ei vorgebildet sind (Präformation), wobei der sich bildende Keim diese Anlagen nicht neu zu bilden, sondern lediglich zu „entwickeln“braucht, eine Vorstellung, die in der Folgezeit lange diskutiert wurde und sich bis zum heutigen Tag in unserem Sprachgebrauch erhalten hat.
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Literatur
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Duspiva, F. (1970). Alte Probleme der Entwicklungsphysiologie in Neuer Sicht. In: Schipperges, H. (eds) Heidelberger Jahrbücher. Heidelberger Jahrbücher, vol 14. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-46251-1_1
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