Zusammenfassung
„Die Form des Meisters, wie überhaupt jede Romanform, ist schlechterdings nicht poetisch“, schreibt Schiller am 20. Oktober 1797 in einem Brief an Goethe1). Die Einschränkung, die der Roman als dichterische Ausdrucksform darin erfährt, ist deutlich ausgesprochen. Sie ist der Poetik des 18. Jahrhunderts geläufig, und noch weit bis ins 19. Jahrhundert hinein behält sie ihre Gültigkeit2). Von solchen Auffassungen bezüglich der Kunstform des Romans unterscheidet sich Theodor Fontane. An seine Frau schreibt er am 17. August 1882: „Ich sehe klar ein, daß ich eigentlich erst beim 70er Kriegsbuche und dann bei dem Schreiben meines Romans ein Schriftsteller geworden bin, d. h. ein Mann, der sein Metier als eine Kunst betreibt, als eine Kunst, deren Anforderungen er kennt“3). Die zitierte Äußerung ist symptomatisch für den inzwischen zu Glanz und Ansehen gelangten Roman. Schillers Brief an Goethe aus dem Jahr 1797 und Fontanes Brief an seine Frau aus dem Jahre 1882 umgrenzen den Zeitraum, in dem er sich die beherrschende Stellung im literarischen Leben Europas eroberte4). Aber der deutsche Anteil an diesem einzigartigen Aufstieg nimmt sich bescheiden aus5). Im Grunde vollzieht erst Fontane den Anschluß an die europäische Entwicklung. Sie erfolgt mit einer bemerkenswerten Verspätung. Das Ende seiner Lebenszeit fällt mit den Anfängen des modernen Romans fast zusammen6).
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Literatur
Johann Wolfgang von Goethe: Gedenkausgabe der Werke, Briefe und Gespräche. Hg. von Ernst Beutler, 1949 ff. Bd. XX (1950), S. 443.
Theodor Fontane: Briefe an seine Familie. Zweiter Band, 1924, S. 17.
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© 1960 Springer-Verlag OHG. Berlin · Göttingen · Heidelberg
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Müller-Seidel, W. (1960). Gesellschaft und Menschlichkeit im Roman Theodor Fontanes. In: Heidelberger Jahrbücher. Heidelberger Jahrbücher, vol 4. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-45950-4_7
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-45950-4_7
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