Zusammenfassung
Dieses Kapitel befasst sich mit Nervenengpasssyndromen im Fuß- und Sprungelenkbereich. Die operative Therapie des Tarsaltunnelsyndroms wird differenziert für das vordere und untere, auch mit dem Bild einer Baxter-Neuralgie, dargestellt. Der Morton-Neuralgie wird ein eigener Abschnitt gewidmet.
1 Tarsaltunnelsyndrome
1 Prinzip
Der N. tibialis verläuft, ähnlich wie der N. medianus am Handgelenk, in einem osteofibrösen Kanal. Von proximal kommend zieht er zwischen der Sehne des M. flexor hallucis longus, die lateral liegt und der A. und V. tibialis post., die zusammen mit der Flexor digit. longus und tibialis posterior Sehne medial liegen, nach plantar. Das Dach wird durch den unteren Teil des Retinakulum flexorum (Lig. laciniatum) gebildet, der Boden anfänglich durch den retromall. Anteil der Tibia und distal durch Talus und Calcaneus. Der N. tibialis teilt sich noch im Tunnel in seine beiden Äste N. plantaris medialis und N. plantaris lateralis auf. Aus dem N. plantaris lateralis geht ein von Baxter beschriebener, plantar nach fibulär ziehender, den M. abductor digiti minimi versorgender Ast ab. Die nahe Lage zum unteren Sprunggelenk ist der Grund weshalb dort ablaufende pathologische Prozesse den N. tibialis bzw. seine Ausläufer mitbetreffen und zum unteren Tarsaltunnelsyndrom führen können. Die Kompression durch das Dach des Retinaculum flexorum und zusätzlich raumfordernde pathologische Prozesse können zu einer Druckerhöhung im Tarsaltunnel führen. Ziel der Operation ist die mechanische Dekompression des N. tibialis.
1 Indikationen
Nach knöchernen Verletzungen im Sprunggelenkbereich oder bei gehäuften Distorsionen wird das Auftreten eines Tarsaltunnelsyndroms beobachtet. Auch Erkrankungen aus dem rheumatischen Formenkreis mit regionaler Tendosynovialitis können zu einem Engpasssyndrom führen. Das distale Tarsaltunnelsyndrom oder die Baxter-Neuralgie findet sich bei Läufern mit stark pronierendem Auftritt, die über Fersenschmerzen klagen, im Sinne eines Überlastungssyndroms. Auffällig ist das Vorkommen bei Hypertrophie der kleinen Fußmuskeln – also beim besonders trainierten Sportler („Joggers foot“). Beim Knickfuß kann aus der Dehnung der medialen Strukturen eine Engpasssituation resultieren, wobei der erste Ast des Ramus plantaris kompromittiert wird.
1 Kommentar
Besonders durch die Mitteilungen von D. Baxter sind die verschiedenen klinischen und operativen Aspekte der Tarsaltunnelsyndrome bekannt geworden. Für eine vertiefende Kenntnis dieser Krankheitsbilder empfiehlt sich das Studium der Primärliteratur. Zur Diagnosesicherung (Abschn. 1.3) ist neben der diagnostischen Leitungsblockade eine neurologische Untersuchung und Nervenleitgeschwindigkeitsmessung erforderlich.
1.1 Unteres Tarsaltunnelsyndrom und Baxter-Neuralgie
Bei Verletzungsfolgen im Bereich des oberen Sprunggelenks und sofern beide Ausläufer des N. tibialis betroffen sind, sollte eine Exploration des Nervs hinter dem Innenknöchel begonnen werden, die bis zum Verschwinden der beiden Nervenäste am Ansatz des M. abductor hallucis reicht. Die Durchführung der Operation erfolgt in Blutleere unter Verwendung einer Lupenbrille.
1.1 Zugang
Von einem bogenförmigen Hautschnitt hinter dem Malleolus medialis, etwa 8–10 cm proximal der Malleolarspitze beginnend und nach unten ziehend, wird das Areal freigelegt (Abb. 8.1).
1.1 Nervenpräparation
In der Folge Durchtrennen des fibrösen Dachs des Tarsaltunnels (d. h. des Retinaculum flexorum mit Anteilen der Unterschenkelfaszie bzw. der Aponeurose, die sich zur Fußsohle hin ausspannt) und Freilegung des Nervs bis zu seiner Aufteilung in den medialen und lateralen plantaren Ast und etwas darüber hinaus. Der Nerv liegt anatomisch dorsal der Sehnen und Gefäße. Die Nervenäste des N. plantaris lateralis verschwinden im M. abductor hallucis, der an seinem Ursprung eingekerbt werden muss, um den Nervenverlauf darzustellen. Austasten des Kanals bezüglich knöcherner Vorsprünge, Ganglien o. ä. Eine Epineurolyse ist nach Baxter nicht erforderlich.
Bei der Baxter-Neuralgie wird der laterale Nervenast noch weiter in Richtung Fußsohle dekomprimiert. Eine komplette Durchtrennung der Plantarfaszie ist zur sicheren Dekompression in der Regel erforderlich. Adaptierende Subkutannaht und Hautnaht, gefolgt von einem Watteverband.
1.1 Nachbehandlung
Gipsschiene in Neutralstellung des oberen und leichter Pronation des unteren Sprunggelenks für 2 Wochen. Dann Aircast-Walker für weitere 4 Wochen.
1.2 Vorderes Tarsaltunnelsyndrom
1.2 Kommentar
Als vorderes Tarsaltunnelsyndrom werden Kompressionserscheinungen am sensiblen Endast des N. peroneus profundus am Fußrücken beschrieben. Nach Mumenthaler liegt die Einengung unter dem Retinaculum extensorum (Abb. 8.2). Auch die an der Oberfläche liegenden Äste des N. peroneus superficialis am Fußrücken können durch enges Schuhwerk oder durch Osteophyten irritiert werden. Narben, nicht selten Arthroskopieportale, verursachen lästige Neuropathien.
1.2.1 N. peroneus profundus
1.2.1 Zugang
Hautschnitte entsprechend den in Abschn. 1.5 angeführten Grundsätzen. Release des Extensorenretinakulums durch schräge Inzision mit optionaler Verlängerung.
1.2.1 Nervenpräparation
Der Nerv wird in seinem Verlauf dargestellt, möglichst ohne ihn aus seinem subkutanen Lager komplett zu mobilisieren. Die den Nerv eventuell komprimierenden Prominenzen oder Narbenbriden werden chirurgisch exploriert und abgetragen.
1.2.2 N. peroneus superficialis
Bei schlanken Patienten ist der Nerv mit seinen Ästen bei angespannter Haut sogar vor dem Hautschnitt visualisierbar. Es wird nur unmittelbar im Kompressionsbereich zugegangen, z. B. mit Abtragen von hier störenden Osteophyten.
1.3 Nachbehandlung
Möglichst offenes Schuhwerk tragen, z. B. postoperativer Sandale. Im weiteren Verlauf ist eine Rezidivprophylaxe durch Schuheinlagen zu empfehlen, da das Syndrom des vorderen Tarsaltunnelsyndroms meistens auf Osteophytenbildungen der Fußwurzelgelenke (dorsales Fußgeschwulst oder Silverskjöld-Exostose) beruht.
2 Morton‐Neuralgie
2 Prinzip
Exzision einer perineuralen Fibrose zwischen dem dritten und vierten, seltener zwischen dem zweiten und dritten Metatarsalköpfchen (in den anderen Intermetatarsalräumen eher eine Rarität Abb. 8.3). Auch wenn bei sorgfältiger Exploration kein Neurom gefunden wird, sollte selektiv der Nervenverlauf exzidiert werden, da die Fibrose nicht immer makroskopisch sichtbar ist. Beim Primäreingriff sollte der Zugang von dorsal, bei Rezidiveingriffen von plantar gewählt werden.
2 Indikation
Auf konservative Maßnahmen nicht mehr ansprechende Metatarsalgie bei Vorliegen einer durch bildgebende Verfahren (Sonographie, MRT) diagnostizierten perineuralen Fibrose. Der Patient klagt über blitzartig in die Zehen einschießende Schmerzen und zieht wegen Brennens im Vorfußbereich gerne die Schuhe aus.
2 Kommentar
Vor der Operation ist eine Einlagenversorgung zu versuchen. Vor einem eventuellen Eingriff sollte mit einer Testinjektion eines Lokalanästhetikums Schmerzfreiheit erzielt werden können. Ultraschall und besonders MRT sind in der Lage, die perineurale Fibrose darzustellen. Elektrophysiologische Untersuchungen sind für die Diagnosestellung nicht geeignet. Die Lokalinfiltration mit einem Kortikosteroid und einem Lokalanästhetikum ist ein optionaler konservativer Therapieansatz. Beim Vorliegen einer Neurofibrose zweier benachbarter Interspatien kann es zum definitiven sensiblen Ausfall im Bereich der zentralen Zehe kommen. Dabei handelt es sich nicht um eine Komplikation, sondern um eine anatomisch erklärbare Folge. Der für diese Pathologie weitverbreitete Begriff Neurinom entspricht nicht dem histopathologischen Korrelat und sollte daher nicht verwendet werden.
2.1 OP‐Technik
2.1 Zugang
Die Operation wird in Blutleere durchgeführt. Palpieren des intermetatarsalen Zwischenraums mit zangenförmigem Fingerdruck von dorsal und plantar (Abb. 8.4). Der dorsale Hautschnitt verläuft auf Höhe der Metatarsalköpfchen in den Zwischenraum hinein und macht kurz vor dem Umschlag der Schwimmhautfalte halt. Im subkutanen Fettgewebe finden sich die beiden dorsalen Nervenäste, die nicht Träger der perineuralen Fibrose sind.
2.1 Darstellung und Resektion der Fibrose
Spreizen der Wundränder öffnet das Spatium, auf dessen Boden zunächst das Lig. transversum intermetatarsale erscheint. Durch Einbringen eines Wundspreizers zwischen den Metatarsalköpfchen kann das Operationsgebiet ideal dargestellt werden (Abb. 8.5). Am vorderen Rand des Lig. transversum intermetatarsale erscheint die perineurale Fibrose, ausgehend von einem Ast der plantaren Kollateralnerven. Durch Druck mit dem Finger von plantar schiebt sich der Tumor in das Operationsgebiet hinein. Das Lig. transversum wird mit einem Scherenschlag nach proximal gespalten, wodurch der Nervenstamm proximal des Neuroms dargestellt werden kann.
Ohne Fettgewebe aus dem Spatium zwischen den Metatarsalköpfchen zu entfernen, wird im Bereich des Nervenstamms die fibrotische Verdickung ausgelöst. Es ist notwendig, die Exstirpation proximal weit genug durchzuführen, damit der Nervenstumpf später nicht zwischen die Metatarsalköpfchen zu liegen kommt. Eine histologische Untersuchung des Resektats ist obligat. Die Nervenstümpfe sollten verödet werden, um ein Stumpfneurom zu verhindern. Die kleinen Blutgefäße im Operationsgebiet wurden bereits vorher koaguliert; nach Öffnen der Blutsperre sollte die Hämostase kontrolliert werden. Das Einlegen einer kleiner Redondrainage ist empfehlenswert.
Rezidive oder operativ unvollständig entfernte perineurale Fibrosen werden am besten von einem plantaren Zugang aus exploriert. Dieser reicht von der Umschlagfalte der Schwimmhaut bis deutlich proximal der Metatarsalköpfchen. Von plantar kommend liegt der Tumor unter (d. h. plantar) der Aponeurose. Das Lig. transversum muss nicht inzidiert werden. Genügend ausgedehnte Resektion der Neurofibrose nach proximal.
Die plantaren Fettbürzel der Subkutis und die leeren Blutgefäße haben Ähnlichkeit mit Nervengewebe.
2.2 Nachbehandlung
Kompressionsverband und Hochlagerung wirken einer Hämatomentstehung entgegen. Ein den Vorfuß entlastender Schuh wird die ersten 2 Wochen postoperativ getragen. Bei vollständiger Spaltung des Lig. transversum werden elastische Vorfußbandagen oder selbstadhäsive Klebeverbände für 4–6 Wochen angeraten.
Literatur
Literatur zu Abschn. 8.1
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Engelhardt, P., Schuh, R., Wanivenhaus, A. (2018). Eingriffe bei Neuralgien. In: Orthopädische Fußchirurgie. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-44993-2_8
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