Zusammenfassung
Natürliche unbeweisbare Aussagen sind Aussagen über die natürlichen Zahlen, die mit den Mitteln der üblichen Arithmetik nicht beweisbar sind. Eine solche Aussage ist der verallgemeinerte Satz von Goodstein, zu dessen Beweis man ebenfalls (wie für den Beweis der Konsistenz der Arithmetik) die Induktion bis zu der Ordinalzahl ε0 benötigt und der seinerseits die ε0-Induktion impliziert. Entsprechendes gilt auch für den gewöhnlichen (in Kapitel 2 bereits mit hilfe der ε0-Induktion bewiesenen) Goodstein-Satz, doch um das zu zeigen, wird eine detailliertere Analyse von Ordinalzahlen und Beweisen benötigt, die auch schnell wachsende Funktionen und ihre Zuordnung zu den abzählbaren Ordinalzahlen einschließt. Weitere unbeweisbare Sätze entstammen zwei gängigen Teilgebieten der Kombinatorik: Ramseytheorie und Graphentheorie. Das Beispiel aus der Ramseytheorie – der Satz von Paris-Harrington – hat eine ähnliche Wachstumsrate wie die Goodstein-Funktion, so dass es auf einem ähnlichen Niveau liegt wie der Satz von Goodstein. In der Graphentheorie gibt es zwei bemerkenswerte Sätze, den Satz von Kruskal und den Minorensatz, die sogar auf einem noch höheren Niveau liegen, also nur beweisbar sind, wenn man Eigenschaften der Unendlichkeit voraussetzt, die wesentlich stärker als die ε0-Induktion sind.
Notes
- 1.
Beispielsweise kennen wir nicht den kleinsten Wert von N mit der Eigenschaft, dass jede Gruppe von N Menschen stets fünf gemeinsame Bekannte oder fünf untereinander Unbekannte enthält. Bekannt ist nur, dass \(43\le N\le 49\) sein muss.
- 2.
Um zu sehen, warum das gilt, betrachten Sie die Teilfolge derjenigen Bäume, die nicht in irgendeinen der folgenden Bäume eingebettet sind. Nach dem Satz von Kruskal muss diese Teilfolge endlich sein.
- 3.
Tatsächlich sieht es so aus, als könnten alle Sätze der Zahlentheorie, die von Mainstream-Mathematikern bewiesen wurden, in einem kleinen Teilsystem von PA namens EFA abgeleitet werden. Jede in EFA beweisbar rekursive Funktion ist durch eine endliche Iterierte der Exponentialfunktion beschränkt. Diese überraschende Situation wird in Avigad (2003) diskutiert.
- 4.
Genauer gesagt, bewiesen Glover, Huneke und Wang ihren Satz für die reelle projektive Ebene, eine abstrakte Fläche, die aus dem Möbiusband dadurch entsteht, dass seine Randkurve durch eine Kreisscheibe aufgespannt wird. Soweit es um Einbettungen von Graphen geht, macht das zwar keinen Unterschied; die reelle projektive Ebene ist aber schwerer zu zeichnen, da sie nicht in den üblichen dreidimensionalen Raum eingebettet werden kann.
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Stillwell, J. (2014). Natürliche unbeweisbare Aussagen. In: Wahrheit, Beweis, Unendlichkeit. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-37844-7_6
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