Zusammenfassung
Wie in Kap. 7 wollen wir erneut Straßenverkehr modellieren und simulieren. Natürlich haben wir wieder das Ziel, Straßenverkehr besser zu verstehen, und unser Modell soll möglichst gut Verkehrsphänomene erklären und realen Verkehr simulieren können. Das Modell soll es uns ermöglichen, Anforderungen an den Verkehr zu optimieren (regelnd einzugreifen) und Veränderungen (zum Beispiel Baumaßnahmen) zu planen – ohne alle denkbaren Varianten in der Realität ausprobieren zu müssen. Dass die verschiedenen Anforderungen zum Teil miteinander konkurrieren, versteht sich dabei fast von selbst. „Freie Fahrt bei leeren Straßen“ aus Sicht des Verkehrsteilnehmers verträgt sich beispielsweise nicht mit dem Ziel des Verkehrsplaners, möglichst vielen Fahrzeugen pro Zeit ohne Stau die Benutzung eines Autobahnabschnitts zu ermöglichen.
Im Gegensatz zur makroskopischen Simulation sind wir jetzt jedoch nicht nur am Durchschnitt wichtiger Verkehrsgrößen für einen Straßenabschnitt wie der Geschwindigkeit v in km/h, des Flusses f in Fzg/h oder der Dichte ϱ in Fzg/km interessiert; zur Bestimmung des Flusses messen wir an einem Kontrollpunkt die Anzahl der vorbeifahrenden Fahrzeuge pro Zeit, für die Dichte zählen wir die Fahrzeuge pro Strecke in einem Kontrollabschnitt. Bei der mikroskopischen Simulation wollen wir den Verkehr bis auf den einzelnen Verkehrsteilnehmer „mikroskopisch“ genau auflösen um das individuelle Verhalten betrachten zu können. Aus Sicht des einzelnen Fahrers ist das beispielsweise für die Routenplanung wichtig. Diese sollte möglichst dynamisch und abhängig von der aktuellen Verkehrssituation sein und auch individuelle Eigenschaften wie z. B. die Maximalgeschwindigkeit des eigenen Fahrzeugs berücksichtigen.
Wer viel unterwegs ist kann sich leicht vorstellen, dass die Eigenschaften des Verkehrs zum Teil sehr stark vom Individuum oder von einzelnen Klassen von Fahrzeugtypen abhängen können. Auf einer unübersichtlichen Landstraße kann ein einzelner Traktor oder LKW eine lange Fahrzeugkolonne erzwingen, da es für andere Verkehrsteilnehmer keine Überholmöglichkeit gibt – im betrachteten makroskopischen Modell war stets die Überholmöglichkeit implizit gegeben. Für die Verkehrsplanung auf einer Autobahn interessiert es, welche Auswirkungen ein Überholverbot für einen Teil der Verkehrsteilnehmer, zum Beispiel nur für LKWs, auf den Gesamtverkehr hat. Zudem zeigen LKWs und PKWs ein deutlich unterschiedliches Verhalten auf der Straße. Das sind alles Gründe, den Verkehr mikroskopisch zu betrachten.
Haben wir zudem das Ziel, ein Straßennetz (beispielsweise in einer größeren Stadt) sehr präzise aufzulösen und darzustellen, dann wird eine makroskopische Simulation basierend auf Wellenausbreitungsmodellen wie in Kap. 7 sehr rechenaufwändig. Zur Prognose von Staus muss es möglich sein, schneller als in Echtzeit zu simulieren, da die Ergebnisse sonst schon während der Berechnung veralten. Zumindest historisch betrachtet stieß die makroskopische Simulation hierbei an ihre Grenzen. Eine einfachere Modellierung musste gesucht werden.
In diesem Kapitel wollen wir ein Modell vorstellen, das auf stochastischen zellulären Automaten basiert. Dieses Modell ist in seiner Grundform zwar sehr einfach, es modelliert und erklärt jedoch verschiedene Verkehrsphänomene und ist, in verbesserten Versionen, erfolgreich im Einsatz, zum Beispiel zur Stauprognose in Deutschland oder zur Simulation des gesamten Individualverkehrs der Schweiz. Das benötigte Instrumentarium ist (außer dem Begriff des Graphen aus Abschn. 2.1) elementar, und es sind keine Vorkenntnisse nötig.
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Bungartz, HJ., Zimmer, S., Buchholz, M., Pflüger, D. (2013). Mikroskopische Simulation von Straßenverkehr. In: Modellbildung und Simulation. eXamen.press. Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-37656-6_8
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Publisher Name: Springer Spektrum, Berlin, Heidelberg
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