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Der Streit vor dem Prozess

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Zivilprozessrecht

Part of the book series: Springer-Lehrbuch ((SLB))

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Zusammenfassung

[1] Wenn man sich die Frage stellt, für welches Sozialphänomen oder -problem das Zivilprozessrecht geschaffen ist, wenn man, mit anderen Worten, eine Standortbestimmung dieses Rechtsgebietes im allgemeinen Rechtsleben vornehmen möchte, erkennt man sogleich, dass man es hier mit etwas Unabänderlichem und Urmenschlichem zu tun hat – dem Streit. Zwei oder mehr Personen sind sich – aus welchen Gründen auch immer – uneins hinsichtlich der zwischen ihnen geltenden Rechtslage. Statistisch gesehen bleibt der weitaus überwiegende Teil der Streitereien im Stadium des persönlichen Konflikts stecken, ohne dass eine rechtsanwendende Instanz zur Lösung bemüht wird; die Betroffenen finden andere, meistens soziale Lösungsmechanismen: Der eine gibt nach, die Verwandten oder Freunde schlichten, der Anpassungsdruck an und durch die Umgebung unterbindet eine Eskalation, der gute Ruf veranlasst zum Einlenken, usw.

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Notes

  1. 1.

    Das ist die prozessualistische Betrachtungsweise. Die Rechtswirklichkeit lehrt, dass in vielen Rechtsstreitigkeiten der eigentliche Streitpunkt nicht so sehr die Rechtslage, als vielmehr ein sonstiger persönlicher Groll zwischen den Parteien Auslöser des Streits ist; bisweilen wird sogar nur zum Schein prozessiert, s. Costede 1969, S. 438.

  2. 2.

    S. dazu etwa Bercher und Engel 2010, S. 226; Herzog und Hennig 2011, S. 929; Hopt und Steffek 2008; Koch 2005, S. 399; Risse 2012, S. 244; Unberath 2011, S. 975.

  3. 3.

    Schon König Artus hat das seither immer wieder entdeckte Demokratisch-Gleichbehandelnde des runden Tisches erkannt; dazu Daube 1991, S. 1083.

  4. 4.

    Zur Schiedsgerichtsordnung der – international sehr gefragten – Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris: Lachmann 2007, S. 715 ff.

  5. 5.

    Dazu BGH etwa JZ 2005, 208 sowie Becker und Nicht 2007, S. 159.

  6. 6.

    Die Vorschrift zeigt, dass die Güteverhandlung auch entfallen kann. Allerdings ist auch in diesen Fällen der Richter immer noch gehalten, nach Maßgabe des § 278 I die Parteien auf die Möglichkeit einer gütlichen Beilegung des Streites hinzuweisen. Zur „Gerichtsinterne(n) Mediation“ s. v. Bargens gleichnamiges Buch, 2008, sowie Hess 2011, S. 139.

  7. 7.

    S. allerdings Windel 2004, S. 1093.

  8. 8.

    So die berühmte Formulierung von F. Stein im Vorwort zur 1. Aufl. seines Grundrisses des Zivilprozessrechts, 1921. Stein übersieht dabei freilich den unschätzbaren Wert eines jeden juristischen Verfahrens – nämlich eine Struktur in eine chaotische Situation zu bringen; diesen Zusammenhang erkennt man erst, wenn es in einer entsprechenden Situation einmal kein Verfahren gibt. Paradebeispiel ist die durch die Griechenlandkrise ausgelöste Eurokrise, vgl. Paulus 2011, S. 2433 ff.

  9. 9.

    Wie bei der Konzentration des materiellen Rechts auf die Zweierbeziehung eines Anspruchs geht auch das Prozessrecht seit jeher von dieser Grundkonstellation aus; aus dieser seit buchstäblich Jahrhunderten eingefahrenen Blickweise heraus kommt es zu den gerade derzeit immer drängender werdenden Problemen, mehrere bzw. viele Personen in den Prozess einzubinden; vgl. dazu unten Rz. 551 ff.

  10. 10.

    In früheren Rechten ging es bei der Informationsbeschaffung bisweilen ausschließlich darum, den guten Leumund der Partei nachzuweisen.

  11. 11.

    S. vorläufig nur Paulus 1991, S. 397.

  12. 12.

    Während dieser Verfahrensabschnitt im US-amerikanischen Recht zwischen Klageerhebung und Gerichtsverfahren liegt und im deutschen Recht ins Gerichtsverfahren eingebettet ist, war er im antik-römischen Formularprozess noch vor der Klageerhebung angesiedelt, vgl. Bürge 1995, S. 1; Paulus in: Der Neue Pauly, s.v. ‚editio‘.

  13. 13.

    Für Sie als kleiner Testfall: Versuchen Sie mal, Ihren Prof. von der Richtigkeit Ihrer Aussage zu überzeugen, dass Ihr Drucker ausgerechnet am Tag vor dem Abgabetermin der Hausarbeit seinen Geist aufgegeben hat, und dass Sie deswegen einen Verlängerungstermin benötigen! Sehen Sie auch einmal den Sachverhalt von OLG Frankfurt/M. an, EWiR 2012, 715.

  14. 14.

    Die Richtigkeit wird hier in einem eher formalen Sinn verstanden; zu der für jeden Juristen unabdingbaren Beschäftigung mit der materialen Richtigkeit, d. h.: Gerechtigkeit, s. das aus meiner Sicht zur Pflichtlektüre zählende Buch von Engisch 1971; s. zusätzlich Böckenförde 2002, S. 77 ff., 112 ff., 206 ff., 242 ff.; Otto 2005, S. 473; Rüthers 2009, S. 969.

  15. 15.

    Bedeutsam: Schumann 1983, S. 137 („Zivilprozeßrecht als konkretisiertes oder angewandtes Verfassungsrecht“).

  16. 16.

    Anders etwa das antike römische Recht der Klassik: Dort war die Scheidung grundsätzlich eine höchstpersönliche Angelegenheit, bei der das Recht und der Staat nichts zu suchen hatten.

  17. 17.

    Im Gegensatz zu dem von vornherein streitvermeidend arbeitenden Anwalt, der etwa zu diesem Zweck Verträge (das Wort hängt mit ‚sich vertragen‘ zusammen!) entwirft (= Kautelarjurist).

  18. 18.

    Vgl. etwa Haft 2000; Heussen, Handbuch Vertragsverhandlung und Vertragsmanagement, 3. Aufl., 2007; Däubler, Verhandeln und Gestalten, 2003.

  19. 19.

    ‚Gib mir die Fakten, und ich werde dir das Recht geben‘. Dazu etwa Wieacker 1967, S. 139, sowie – als Beispiel aus der Praxis – BGH ZIP 2003, 432, 2. Leits.

  20. 20.

    Welche Einschränkung ergibt sich für diese Aussage aus dem § 293?

  21. 21.

    BGH VersR 1979, 375– beachte allerdings, dass zu jener Zeit der Umfang der NJW wesentlich geringer als heutzutage war und dass es damals viel weniger Fachzeitschriften gab! Allgemein Zuck 1996, S. 1204. Zur Kenntnis des Gemeinschaftsrechts s. auch OLG Koblenz NJW 1989, 2699 (Achtung: Diese Rechtsmaterie ist heute noch viel aktueller, als man sich das damals vorstellen konnte).

  22. 22.

    Dagegen zu Recht Schneider 1998, S. 3695; s. aber gleichwohl BVerfG JZ 2003, 419. In BGH ZIP 2008, 225, 226, wird aber immerhin festgehalten: „Das Gericht ist für die Beachtung der ihm im öffentlichen Interesse obliegenden Verpflichtung, nach den Regeln der Verfahrensvorschriften möglichst zu einer richtigen Entscheidung zu gelangen, unabhängig von der Leistung des Anwalts verantwortlich.“

  23. 23.

    Lesenswert dazu: Hau 2008, S. 33 ff.; S. ferner Wieczorek und Schütze 1994, vor § 253 Rn. 154 ff.

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Paulus, C. (2013). Der Streit vor dem Prozess. In: Zivilprozessrecht. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-36352-8_1

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