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Zusammenfassung

„Vulnerando sanamus“ – „wir heilen, indem wir verwunden“, so lautet die scheinbar paradoxe Inschrift über dem Hauptportal einer chirurgischen Universitätsklinik, die die vor über einem Jahrhundert vom RG begründete und seither in ständiger Rechtsprechung des BGH in Zivil- und Strafsachen vertretene sog. Körperverletzungsdoktrin widerspiegelt, wonach jede mit einer Einwirkung auf die körperliche Integrität des Patienten verbundene ärztliche Behandlungsmaßnahme, selbst wenn sie medizinisch indiziert ist, den Regeln der ärztlichen Kunst entspricht und zu einer Verbesserung der Gesundheit oder eben zu einer Heilung des Verwundeten führt, den Tatbestand der Körperverletzung (§ 223 Abs. 1 StGB) erfüllt. Lediglich die Rechtswidrigkeit soll entfallen, sofern der ärztliche Eingriff von einer wirksamen Einwilligung des Patienten gedeckt ist, die ihrerseits neben weiteren Voraussetzungen eine ordnungsgemäß erfolgte Aufklärung voraussetzt. Der Einwilligung und der vorausgehenden ärztlichen Aufklärung kommen somit eine entscheidende Bedeutung für eine mögliche Strafbarkeit des Arztes wegen einer fahrlässigen oder vorsätzlichen Körperverletzung zu. Dies gilt umso mehr, als die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufklärung in den letzten Jahrzehnten – auch im Zuge der Fortentwicklung der Medizin und der damit einhergehenden Erforschung neuer Behandlungsmethoden, Risiken und Krankheitsbilder – enorm verschärft wurden.

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Notes

  1. 1.

    Die wörtliche Übersetzung dieses ärztlichen Legitimationsgedankens, die auf den Gießener Bibliothekar Dr. Robert Fritzsche zurückgeht, lautet: „Durch das Verwunden heilen wir“, vgl. Gödicke, Formularerklärungen, 2008, S. 93. Die genannte Inschrift befindet sich über dem Hauptportal der Chirurgischen Universitätsklinik in Gießen.

  2. 2.

    RGSt 25, 375, 378: „Dass jemand nach eigener Überzeugung oder nach dem Urteile seiner Berufsgenossen die Fähigkeit besitzt, das wahre Interesse seines Nächsten besser zu verstehen, als dieser selbst, dessen körperliches oder geistiges Wohl durch geschickt und intelligent angewendete Mittel vernünftiger fördern zu können, als dieser es vermag, gewährt jenem entfernt nicht irgend eine rechtliche Befugnis, nunmehr nach eigenem Ermessen in die Rechtssphäre des anderen einzugreifen, diesem Gewalt anzutun und dessen Körper willkürlich zum Gegenstand gutgemeinter Heilversuche zu benutzen.“

  3. 3.

    Die folgenden Paragraphen ohne Gesetzesangabe sind solche des StGB.

  4. 4.

    Vgl. etwa BGHSt 11, 111, 112; 43, 306, 308; aus der zivilrechtlichen Judikatur: RGZ 88, 433, 436; BGH NJW 1956, 1106, 1107; aus dem zust. Schrifttum s.: Fischer, § 223 Rn. 9 ff.; Müller-Dietz, JuS 1989, 280; Rengier, Strafrecht BT II, § 13 Rn. 17. Zu der a.A. im Schrifttum: Hardwig, GA 1965, 161, 162 ff.; Lackner/Kühl, § 223 Rn. 8; LK/Lilie, Vor § 223 Rn. 3 ff.; Tröndle, MDR 1983, 881; ausführlich zu dem Streit über die Tatbestandsmäßigkeit des ärztlichen Heileingriffs s. Tag, Körperverletzungstatbestand, 2000, S. 13 ff. m. w. N.

  5. 5.

    Vgl. statt vieler RGSt 25, 375, 381 ff.; BGHSt 11, 111, 112; 16, 309 f.; 45, 219, 221; BGH NStZ 1996, 34, 35; Maurach/Schroeder/Maiwald, Strafrecht BT I, § 8 Rn. 25 f.; Schönke/Schröder/Eser/Sternberg-Lieben, § 223 Rn. 40 m. w. N.

  6. 6.

    Nach Katzenmeier, Arzthaftung, 351, ist „kein anderes arztrechtliches Thema heftiger umstritten, häufiger diskutiert und stärker mit Emotionen befrachtet als die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Aufklärungspflicht“; krit. ferner Hausch, VersR 2009, 25; Hoppe, NJW 1998, 782 ff.

  7. 7.

    Spezielle Vorschriften zu der ärztlichen Aufklärung bieten lediglich einzelne Rechtssegmente wie das Arzneimittelgesetz (§§ 40, 41 AMG), das Transplantationsgesetz (§ 7 Abs. 2 TPG), das Transfusionsgesetz (§ 6 TFG) und das Kastrationsgesetz (§§ 3; 5 KastrG).

  8. 8.

    Vgl. hierzu Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 61 Rn. 16.

  9. 9.

    Vgl. Lackner/Kühl, § 228 Rn. 14.

  10. 10.

    Wie z. B. das Vorliegen von „wesentlich unterschiedlichen Risiken“ als Voraussetzung für die Aufklärung über eine Behandlungsalternative oder eine „ausreichende Überlegenszeit“ als Erfordernis für die Rechtzeitigkeit des Aufklärungsgesprächs; vgl. hierzu Hausch, VersR 2009, 25; Weidinger, MedR 2006, 571, 578 f.

  11. 11.

    Dunz, Zivilrechtliche Arzthaftung, 1974, S. 19, 20; vgl. auch Ulsenheimer, Arztstrafrecht, § 1 Rn. 55a, der insoweit von einer „unverkennbaren Neigung zu einer richterlichen Fortune-Korrektur“ spricht.

  12. 12.

    Vgl. Knoche, NJW 1989, 757 f.; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 67 Rn. 2; Otto/Albrecht, Jura 2010, 264, 265; Schaffer, VersR 1993, 1458, 1460; Ulsenheimer, NStZ 1996, 132; ferner Hillenkamp, FS Wassermann, 1985, S. 861, 865 f., der in diesem Zusammenhang auf die im Schrifttum häufig formulierte Sorge der Ermöglichung von „Verdachtsstrafen“ für vermutete, aber nicht bewiesene Behandlungsfehler aufmerksam macht.

  13. 13.

    Zu dem Wandel des Arzt-Patienten-Verhältnisses s. Baier, in: Medizin im Wandel, 1997, S. 41 ff.

  14. 14.

    Eine Beschränkung des Umfangs der Aufklärung wird nur in sehr eng begrenzten Ausnahmen anerkannt, vgl. BGHZ 20, 176, 185; 90, 103, 109 f.; hierzu ferner Glatz, Aufklärung und Beratung, 1998, S. 259 ff.

  15. 15.

    Die den Willen des Patienten vor sein Wohl rückende Rechtsprechung wurde vom BGH im sog. „Myom-Fall“ (BGHSt 11, 111, 114) besonders deutlich gemacht: „Das in Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes gewährleistete Recht auf körperliche Unversehrtheit fordert Berücksichtigung auch bei einem Menschen, der es ablehnt, seine körperliche Unversehrtheit selbst dann preiszugeben, wenn er dadurch von einem lebensgefährlichen Leiden befreit wird. Niemand darf sich zum Richter in der Frage aufwerfen, unter welchen Umständen ein anderer vernünftigerweise bereit sein sollte, seine körperliche Unversehrtheit zu opfern, um dadurch wieder gesund zu werden. Diese Richtlinie ist auch für den Arzt verbindlich.“ Vgl. hierzu auch Hillenkamp, FS Küper, 2007, S. 123, 128 f., sowie EGMR NJW 2002, 2851, 2854.

  16. 16.

    Vgl. auch Sickor, JA 2008, 11, 13: „Der Arzt würde nicht mehr daran gemessen, ob er lege artis operiert und seine Patienten zu heilen vermag, sondern daran, ob er kunstgerecht aufklärt“.

  17. 17.

    Wachsmuth/Schreiber, NJW 1981, 1985; vgl. auch Eisner, Aufklärungspflicht des Arztes, 1992, S. 220 f.; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 348 ff.; Ulsenheimer, Arztstrafrecht, Einl., Rn. 1c.

  18. 18.

    Vgl. nur BGHZ 29, 176, 187; 61, 118, 123; 90, 103, 111; s. auch die Übersicht zu der zivilrechtlichen Judikatur bei Laufs, NJW 1979, 1230, 1233, und Sickor, JA 2008, 11, 12 f.; sowie unten Kap. 2, I.1.a.

  19. 19.

    Vgl. Eisele, FS Strätz, 2009, S. 163, 180; Sternberg-Lieben, StV 2008, 190, 192.

  20. 20.

    BGH NStZ 1996, 34, 35.

  21. 21.

    Mitsch, JZ 2005, 279, 280.

  22. 22.

    Dunz, Zivilrechtliche Arzthaftung, 1974, S. 17 f.; Franzki, Arzthaftungsprozeß, S. 25; Gebauer, Hypothetische Kausalität, 2007, S. 343; Gotzler, Rechtmäßiges Alternativverhalten, 1977, S. 187 ff.; Hanau, FS Baumgärtel, 1990, S. 121, 123 f.; Hart, FS Heinrichs, 1998, S. 291, 316; Katzenmeier, in: Laufs/Katzenmeier/Lipp, Arztrecht, S. 143 Rn. 86 ff.; Koziol, FS Deutsch, 1999, S. 179, 186 ff.; Kern/Laufs, Die ärztliche Aufklärungspflicht, 1983, S. 165; Laufs, in: Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, § 67 Rn. 3; Lepa, FS Geiß, 2000, S. 449, 458 f.; MK/Oetker, § 249 BGB Rn. 216; MK/Wagner, § 823 BGB Rn. 746; Nüßgens, FS Nirk, 1992, S. 745, 750 ff.; Soergel/ders., Vor § 249 BGB Rn. 166; Staudinger/Schiemann, § 249 BGB Rn. 108; Staudinger/Hager, § 823 BGB Rn. I 123; Weber-Steinhaus, Ärztliche Berufshaftung, 1990, S. 255 ff.; krit. Deutsch, NJW 1965, 1985, 1989; Frank/Löffler, JuS 1985, 689, 693 f.; Giesen, Arzthaftungsrecht, Rn. 234. Zu der Kritik an der hypothetischen Einwilligung im Zivilrecht, s. unten Kap. 2, I.7.

  23. 23.

    Böcker, JZ 2005, 925.

  24. 24.

    S. Duttge, FS Schroeder, 2006, S. 179, 195.

  25. 25.

    NK/Paeffgen, Vor §§ 32 ff. Rn. 168a.

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Hengstenberg, N. (2013). Einleitung. In: Die hypothetische Einwilligung im Strafrecht. Veröffentlichungen des Instituts für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik der Universitäten Heidelberg und Mannheim, vol 40. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-35919-4_1

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