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Selbsterfahrung und Schulung psychosozialer Kompetenz in psychoanalytischen Gruppen

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Die Gruppe und das Unbewusste
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Zusammenfassung

Selbsterfahrung und die Schulung psychosozialer Kompetenz im Umgang mit Menschen ist für alle im Sozial- und Gesundheitsbereich Tätigen von großer Bedeutung. In dem vorliegenden Kapitel wird ausgeführt, inwiefern für alle diese Berufsgruppen eine psychoanalytische Gruppenselbsterfahrung von besonderem Nutzen sein kann. Hierbei geht es um die Erfahrung von und die emotional-kognitive Auseinandersetzung mit unterschiedlichen Gruppensituationen, in denen spezifische Ängste aktiviert werden, aber auch gemeinsam mit dem Gruppenleiter und den anderen Gruppenmitgliedern bearbeitet und bewältigt werden können: diffuse, wenig strukturierte Situationen, in denen frühkindliche Ängste reaktiviert werden (sog. präödipale Konstellationen); Situationen, in denen Rivalität sowie der Wunsch nach Anerkennung und Hilfe reaktiviert werden in der Auseinandersetzung mit dem Gruppenleiter oder der Gruppenleiterin (sog. ödipale Konstellationen); und schließlich Situationen, in denen kooperatives, gleichberechtigtes Handeln aller Gruppenteilnehmer möglich und erforderlich ist (sog. reflexiv-interaktionelle Konstellationen). Für die Entwicklung flexibler Fähigkeiten, sich diesen unterschiedlichen Situationen zu stellen und mit ihnen angstreduzierend und kreativ umzugehen, ist die Selbsterfahrung in analytischen Gruppen eine ausgezeichnete und praxisnahe Methode.

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Notes

  1. 1.

    Wir gehen in diesem Kapitel nicht auf die Gruppenselbsterfahrung ein, die zukünftige Gruppentherapeuten absolvieren – und zwar einerseits, weil einheitliche theoretische Vorstellungen, praktische Erfahrungen oder gar Weiterbildungsrichtlinien in Bezug auf eine solche „Gruppenlehranalyse“ noch nicht vorliegen, und andererseits, weil wir einige Grundvoraussetzungen für diese spezielle Anwendung von Selbsterfahrungsgruppen in unserem Kapitel ohnedies diskutieren.

  2. 2.

    Sandner orientiert sich bei seiner Modellüberlegung besonders an der britischen Tradition der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie (Fairbairn 1952; Guntrip 1961, 1974; Walton 1971; Melanie Klein 1972; Winnicott 1958, 1965), versucht aber, die Betrachtungsweise dieser Autoren über die Problematik der präödipalen Entwicklungsphase hinaus auch für die weiteren Phasen der Entwicklung, vor allem der ödipalen Phase, fortzuführen.

  3. 3.

    Mit der Einführung der reflexiv-interaktionellen Situation fügen wir – für den Bereich der Gewinnung psychosozialer Kompetenz in Selbsterfahrungsgruppen – den psychoanalytischen Überlegungen zur präödipalen und ödipalen Situation ein weiteres Konzept an, das in der gruppendynamisch-sozialpsychologischen Theorietradition seinen Ursprung hat. In der psychoanalytischen Forschung und Theorie ist diese „Situation“ bzw. Entwicklungsphase bisher nicht eindeutig festgelegt worden; wir meinen, dass es am ehesten die Entwicklungsphase der Adoleszenz ist, in der sich die Auseinandersetzung mit prinzipiell Gleichrangigen vermehrt ausbildet, obwohl diese auch in der Latenzzeit und der Pubertät schon zu erkennen ist. Wir meinen, dass die Einführung dieser dritten interpersonellen Grundsituation von den realen Entwicklungsgegebenheiten her erforderlich ist: Wir benötigen eine Konzeptualisierung der reifen, erwachsenen Form interpersoneller Auseinandersetzung. Zur historischen Entwicklung des gruppendynamisch-sozialpsychologischen Ansatzes vgl. Sandner (1978), S. 17–28.

  4. 4.

    Von der Formulierung her heben wir hier besonders auf die Auseinandersetzung mit bedeutsamen anderen ab; im Grunde geht es natürlich hierbei ebenso sehr um eine Herausbildung des und eine Auseinandersetzung mit dem Selbst, was in der psychoanalytischen Narzissmustheorie besonders herausgearbeitet wird (Grunberger 1971; Kernberg 1978; Kohut 1971, 1977).

  5. 5.

    Wie aus dieser Skizze der „ödipalen Situation“ im Erwachsenenalter hervorgeht, verwenden wir hier den Begriff in einem erweiterten Sinn: Wir verstehen darunter nicht nur die sexuelle-erotische Beziehung im Dreieck zwischen Mutter-Vater-Kind, sondern darüber hinaus auch die damit angestrebte Machtbeziehung und die Rückwirkung auf das Selbstgefühl des Kindes.

  6. 6.

    Bezüglich der Unterscheidung von Psychodynamik und Soziodynamik in Kleingruppen vgl. Sandner (1978), S. 31 f.

  7. 7.

    Vgl. hierzu auch die Ausführungen über den psychodynamischen Zusammenhang von Ausagieren und Klären von Impulsen bei Thelen (1959) sowie Sandner (1978), Abschnitt 3.2.

  8. 8.

    Obige Tab. 9.1 wurde nach Erfahrungen in der interpersonellen Situation von Selbsterfahrungs- und Therapiegruppen erstellt.

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Sandner, D. (2013). Selbsterfahrung und Schulung psychosozialer Kompetenz in psychoanalytischen Gruppen. In: Die Gruppe und das Unbewusste. Springer VS, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-34819-8_9

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