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Was nicht Religion ist

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Religionsfreiheit - Menschenrecht oder Toleranzgebot?
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Zusammenfassung

Aus dem Umstand, dass wir zwischen profanem und sakralem Weltbild unterscheiden müssen, und dass aktive Weltgestaltung die Domäne der profanen Welt ist, während es in Bezug auf die sakrale Welt um passive Kontemplation geht, folgt, dass Lebensvollzüge, die der aktiven Weltgestaltung zuzurechnen sind, der profanen Praxis zugehören und kein Element religiöser Praxis sein können. Lebensvollzüge, die darauf gerichtet sind, Zustände in der Welt zu ändern, fallen folglich nicht in den Schutzbereich des Menschenrechts der religiösen Handlungsfreiheit. Das festzustellen ist deshalb wichtig, weil tatsächlich immer wieder für Vollzüge aktiver Lebensgestaltung Ansprüche auf Religionsfreiheit erhoben werden und dafür geltend gemacht wird, es handele sich um Aktivitäten, die religiös motiviert oder gar geboten sind. Eine solche Haltung mag oft ideologisch begründet sein. Dann beruht sie auf der Absicht, eigene Ziele durchzusetzen, ohne dabei die Kritik und die Interessen anderer berücksichtigen zu müssen, weil man religiöse Überzeugungen und eine darauf beruhende religiöse Praxis nicht nach zweckrationalen Maßstäben rechtfertigen muss. Aber eine solche Ideologie hat nur deshalb eine gewisse Chance Gehör zu finden und akzeptiert zu werden, weil ihr historisch betrachtet eine gewisse Berechtigung zugrunde liegt, die heute freilich nicht mehr gültig ist. Dabei stoßen wir erneut auf die Tatsache, dass sich die Kultur- und Geistesgeschichte als ein Differenzierungsprozess beschreiben lässt.

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Notes

  1. 1.

    Für das Schächtgebot lässt sich allerdings auch ein rationaler Grund anführen: Wenn das Fleisch nicht blutig ist, hält es länger, insbesondere in heißen Gegenden.

  2. 2.

    Diese Phrase scheint aus den Quellen der christlichen Literatur dem Wortlaut nach nicht belegbar zu sein. Der Sache nach bezieht sich aber Paulus’ Lob der Torheit (1 KOR 1, 18–25) ebenso darauf wie eine Stelle aus Tertullians De Carne Christi (Kap. V), wo es heißt: „Gottes Sohn ist gestorben – das ist erst recht glaubwürdig, weil es eine Torheit ist; er ist begraben und wieder auferstanden – das ist ganz sicher, weil es unmöglich ist.“

  3. 3.

    Ein klassisches Beispiel für Theologie in diesem Sinne bietet: Newman [1852] 2001, Discourse 3 S. 61: „I simply mean the Science of God, or the truths we know about God put into system; just as we have a science of the stars, and call it astronomy, or of the crust of the earth, and call it geology.“

  4. 4.

    Darwins Evolutionstheorie ([1859] 2008) besagt, dass (1.) alle Arten veränderlich sind, (2.) von gemeinsamen Vorfahren abstammen, (3.) einem allmählichen Wandel unterliegen, der aus dem Mechanismus von (4.) Mutation und (5.) Selektion hervorgeht. Die Evolutionstheorie ist heute so lückenlos empirisch bestätigt, das sie nicht mehr als Hypothese, sondern als Tatsache genommen wird (Mayr 2008, 31 f.).

  5. 5.

    Kreationismus bezeichnet die Theorie, der zufolge die Welt durch göttliche Schöpfung entstanden ist, wobei diese Theorie nicht den Anspruch erhebt, durch empirische Belege bestätigt oder widerlegt werden zu können, sondern den, durch die Schöpfungsgeschichte der Bibel oder des Koran legitimiert zu sein. Kreationisten halten die Evolutionstheorie für falsch, weil sie im Widerspruch zur eigenen Position steht (vgl. Neukamm 2009). S. a. Institute for Creation Research: http://www.icr.org.

  6. 6.

    Die Intelligent-Design-Theorie ist eine subtilere Fortentwicklung des Kreationismus. Sie beruht logisch auf dem kausalen Gottesbeweis, der daraus, dass in der empirischen Welt jedes Ereignis und jedes Ding eine Ursache hat, schließt, dass es eine letzte Ursache geben muss. So wie die Uhr darauf hinweist, dass es einen Uhrmacher geben muss, weist die Welt darauf hin, dass es einen Schöpfer geben muss („Design must have a designer“). Obwohl diese Theorie nicht alle Ergebnisse der Evolutionstheorie bestreitet, hält sie doch daran fest, dass es in der Natur Phänomene gibt, die sich nicht weiter reduzieren lassen, so dass man sie auch nicht auf frühere Entwicklungsstufen zurückführen kann („nicht reduzierbare Komplexität“). Damit lasse sich auf wissenschaftliche Weise die Existenz eines intelligenten Designers nachweisen (vgl. Behe 2007). Die naturwissenschaftlichen Argumente der Intelligent-Design-Theorie konnten bisher alle empirisch widerlegt werden (Mahner 1986).

  7. 7.

    Er kommt dem Wortlaut nach bei Dostojewski nicht vor, sondern entstammt einer Tagebucheintragung (07.12.1939) von Sartre, die dieser aus Anlass seiner Dostojewski-Lektüre verfasst hat (vgl. Becker 2010, 13).

  8. 8.

    Deontologie von griech. to deon = Das Sollen, die Pflicht. Zur deontologischen Ethik vgl. Steigleder 2006.

  9. 9.

    Zur Tugendethik insb. bei Aristoteles: Rapp 2006; Zu modernen Tugendethiken auch Rapp 2010.

  10. 10.

    Beispielsweise für das Judentum: Lapide 1987; für den Hinduismus: Prabhavananda [1963] 1994; für den Buddhismus: Khemma 2009; Ceming 2011; für den Islam allerdings die Ambilavenz aufzeigend: Malik 2011.

  11. 11.

    http://www.werismyki.com/artcls/atta_will.html.

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© 2012 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

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Tiedemann, P. (2012). Was nicht Religion ist. In: Religionsfreiheit - Menschenrecht oder Toleranzgebot?. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-32709-4_8

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-32709-4_8

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  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

  • Print ISBN: 978-3-642-32708-7

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