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§ 20 Allgemeine ungeschriebene Verhältnismäßigkeitsklausel

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Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen

Zusammenfassung

Nach h.M. ist die Verhältnismäßigkeit nicht nur ein Grundsatz, mit dem beurteilt wird, ob eine gesetzliche Regelung verfassungsgemäß ist. Die Verhältnismäßigkeit ist nach dieser Ansicht auch eine unmittelbare Norm des einfachen Strafprozessrechts und füllt Lücken in geschriebenen Regelungen der StPO, wenn diese Vorschriften ansonsten unverhältnismäßige Eingriffe in die Rechte des Betroffenen wären. Entspricht eine Regelung des Ermittlungsverfahrens – isoliert betrachtet – nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen der Verhältnismäßigkeit, wird sie nach Ansicht der h. M. also grundsätzlich durch eine unmittelbare Wirkung des Verhältnismäßigkeitsprinzips verfassungsmäßig ergänzt. Diese ungeschriebene Verhältnismäßigkeitsklausel soll danach nicht nur Geeignetheit und Erforderlichkeit, sondern auch die Angemessenheit umfassen.

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Notes

  1. 1.

    BVerfGE 32, 373, 379; Pfeiffer/Hannich in: KK 6, Einleitung Rdn. 30 f.; Meyer-Goßner, StPO54, Einl Rdn. 21.

  2. 2.

    Vgl. BVerfGE 16, 202 f.; Pfeiffer/Hannich in: KK 6, Einleitung Rdn. 30 f.

  3. 3.

    Vgl. § 11, I.

  4. 4.

    Auch Bettermann favorisiert die unmittelbare Geltung altbewährter Rechtsgrundsätze, um Kompetenzen vor angeblichen Übergriffen durch die Verfassungsgerichtsbarkeit zu schützen und für die einfache Judikative zu reservieren. Speziell zum Gleichheitssatz und nicht zum Verhältnismäßigkeitsprinzip, Bettermann, S. 46.

  5. 5.

    Kersten, S. 267 ff. Damals wurde es aber noch nicht klar in seine Teile geschieden, vgl. Lerche, S. 21 Fn. 6. Schon Svarez benannte den auch bei den Problemen der verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen zugrunde liegenden Konflikt als ersten Grundsatz des öffentlichen Staatsrechts: „[…], dass der Staat die Freiheit der Einzelnen nur so weit einzuschränken berechtigt ist, als es notwendig sei, damit die Freiheit und Sicherheit aller bestehen könne.“, Conrad/Kleinheyer, S. 486 f. Gleichzeitig müsse der Schaden, welcher durch die Einschränkung der Freiheit abgewendet werden solle, „bei weitem erheblicher sein als der Nachteil, welchen das Ganze oder auch die Einzelnen durch eine solche Einschränkung leiden.“ Zur Geschichte des Verhältnismäßigkeitsprinzips ausführlich: Stern, Entstehung und Ableitung des Übermaßverbots, S. 165 ff. Bis zum Inkrafttreten des GG war es ein polizeirechtliches und kein allgemeines Rechtsprinzip, Ossenbühl, Maßhalten mit dem Übermaßverbot, S. 158.

  6. 6.

    Die Motive für den Aufstieg des Verhältnismäßigkeitsprinzips aus dem einfachen Polizeirecht in die Verfassung liegen nicht zuletzt im Missbrauch der staatlichen Macht durch den Nationalsozialismus begründet, Kraft, BayVBl. 2007, S. 577 f. Dies gilt aus den oben genannten Gründen, § 4, II, 3, auch besonders für die verdeckten strafprozessualen Ermittlungsmaßnahmen.

  7. 7.

    Vgl. § 9, II. Der Gesetzgeber macht selten den Fehler, ohne Rechtsgrundlage in Grundrechte einzugreifen. Zu verfassungsrechtlichen Streitigkeiten führen in der Regel nur die Fälle, in denen es um die Verhältnismäßigkeit der eingreifenden Regelung geht. Wenn dieser Grundsatz in die StPO in seiner heutigen Bedeutung in die StPO hineininterpretiert wird, dann ist dies eine direkte Folge der verfassungsrechtlichen Bedeutung des Prinzips.

  8. 8.

    Vgl. jüngst speziell zu verdeckten Ermittlungsmaßnahmen im Rahmen der §§ 94, 110 StPO, BVerfGE 124, 66 ff., 70.

  9. 9.

    Sachs, GG6, Art. 20 Rdn. 148.

  10. 10.

    Peine, Rdn. 166. Weiteres zur Geltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips, insbesondere bei Verwaltungsermessensentscheidungen im Allgemeinen Verwaltungsrecht findet sich ebenfalls dort, Peine, Rdn. 138, 222, 573, 758.

  11. 11.

    BVerfGE 32, 373, 379; Nack in: KK 6, Vorbem. § 94 Rdn. 6; Meyer-Goßner, StPO54, Einl. Rdn. 20 f.

  12. 12.

    Pfeiffer/Hannich in: KK 6, Einleitung Rdn. 31.

  13. 13.

    Pfeiffer/Hannich in: KK 6, Einleitung Rdn. 31.

  14. 14.

    Kühne in: Löwe/Rosenberg, StPO26 Einl. Abschn. I Rdn. 99 f.

  15. 15.

    Diese „Schwereskala“ lässt sich allerdings mit dem oben dargestellten Ansatz aus der Verfassung und den „natürlichen“ Belastungsempfindungen entwerfen, vgl. das Konzept § 9, II, 4, c).

  16. 16.

    Kühne in: Löwe/Rosenberg, StPO26 Einl. Abschn. I Rdn. 99 f.

  17. 17.

    Vgl. jüngst ausführlich zur Besprechung der Personengruppen BVerfG EuGRZ 2011, 696 ff.

  18. 18.

    BTDrucks 16/5846 S. 52.

  19. 19.

    Vgl. § 9.

  20. 20.

    Vgl. dazu Waadt, S. 3 ff.

  21. 21.

    Vgl. auch die Entscheidung BVerfG EuGRZ 2011, 695 ff., in der das BVerfG eine Auseinandersetzung mit § 100f StPO wegen Unzulässigkeit der Verfassungsbeschwerde insoweit nicht vornimmt.

  22. 22.

    Vgl. oben § 9, I, 8, b).

  23. 23.

    § 9, I.

  24. 24.

    Vgl. oben § 9, I. Das BVerfG setzt sich zudem in der kürzlich ergangenen Entscheidung zur Geltung des allgemeinen Verhältnismäßigkeitsprinzips in den § 94 ff. StPO in gewissen Widerspruch zu seiner Entscheidung zur Vorratsdatenspeicherung. Dort war die allgemeine Verhältnismäßigkeitsklausel gerade nicht als verfassungsrechtlich ausreichende Regelung angesehen worden, vgl. BVerfG 125, 250, 352: „[…] [Nicht verfassungsgemäß ist, dass der Gesetzgeber Straftaten in Bezug auf ihre Schwere ] nach Maßgabe einer allgemeinen Abwägung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung als möglichen Auslöser einer Datenabfrage ausreichen lässt. Mit dieser Regelung werden die nach § 113a TKG gespeicherten Daten praktisch in Bezug auf alle Straftatbestände nutzbar. Ihre Verwendung verliert […] ihren Ausnahmecharakter.“

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Bode, T.A. (2012). § 20 Allgemeine ungeschriebene Verhältnismäßigkeitsklausel. In: Verdeckte strafprozessuale Ermittlungsmaßnahmen. Schriftenreihe der Juristischen Fakultät der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-32661-5_20

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  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

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