In diesem Kapitel werden jene Fälle behandelt, die diagnostisch und therapeutisch eng zusammengehören und die sich durch ihre überragende Häufigkeit auszeichnen. Dazu gehören

  • uncharakteristisches Fieber (UF),

  • gleichartige, jedoch afebrile Verläufe (afebrile Allgemeinreaktion/AFAR),

  • Angina tonsillaris (die häufig genug das Symptom einer viralen Allgemeinerkrankung darstellt) sowie

  • verschiedene fieberfreie Katarrhe der Luftwege (Tab. 2.1).

    Tab. 2.1 Häufigkeit (Rang) der Beratungsergebnisse „uncharakteristisches Fieber (UF), afebrile Allgemeinreaktion (AFAR), Luftwegekatarrhe, Tonsillitis“ in allgemeinmedizinischen Praxen in Österreich und in der Schweiz über nahezu ein halbes Jahrhundert hinweg

Von sämtlichen fieberhaften Erkrankungen ist das UF mit schätzungsweise 50–60 % das häufigste Beratungsergebnis in der Allgemeinpraxis. Den hohen Rang bestätigen die Fällestatistiken über nahezu ein halbes Jahrhundert hinweg von Braun (1961), Göpel (1975), Prosénc (1967), Landolt-Theus (1992), Danninger (1997) sowie Fink u. Haidinger (2007) (Tab. 2.1).

1 Uncharakteristisches Fieber (UF)

In der modernen Allgemeinmedizin ist ein Bedarf an wissenschaftlich brauchbaren Begriffen unübersehbar. So hat sich im Falle der sog. Erkältungskrankheiten die Suche nach passenden Bezeichnungen aufgedrängt. R. N. Braun hat daher aus der Praxisforschung heraus u. a. zwei neue Begriffe in die allgemeinmedizinische Fachsprache eingeführt:

  • uncharakteristisches Fieber (UF) und

  • afebrile Allgemeinreaktion (AFAR) .

Diese beiden Begriffe werden noch nicht allgemein gebraucht, obwohl sie wissenschaftlich fundiert sind.

Es handelt sich bei diesen BEs nicht um Diagnosen (D), sondern um die Klassifizierung eines Symptoms (A) oder einer Symptomgruppe (B).

Diese Begriffe drücken aus, dass keine herkömmliche „Diagnose“ gemeint ist. Uncharakteristisches Fieber (unspecific fever ) und afebrile Allgemeinreaktion gehen von Symptomen aus, in die nichts Spekulatives hineininterpretiert ist. Die Bezeichnungen UF und AFAR sind den Situationen in der Allgemeinpraxis angepasst, d. h. sie spiegeln die in der Praxis herrschende diagnostische Lage wider. Dadurch wurde eine zwanglose, wissenschaftlich vertretbare Benennung solcher Fälle möglich.

UF und AFAR nehmen in verschiedenen Untersuchungen aus allgemeinmedizinischen Praxen, die über viele Jahre hinweg zu unterschiedlichen Zeitpunkten durchgeführt wurden, in überraschender Auffälligkeit die weitaus vordersten Ränge in der Häufigkeit ein (Tab. 2.1); dies bestätigt auch die SESAM-2-Studie an 8877 Patienten einer Stichprobe, von denen 4 % wegen Fieber den Hausarzt konsultierten (Voigt et al. 2008). In Tab. 2.2 ist die Verteilung auf die einzelnen Altersgruppen bemerkenswert.

Tab. 2.2 Häufigkeit (Rang) der Beratungsergebnisse „uncharakteristisches Fieber“ (UF) und afebrile Allgemeinreaktion“ (AFAR) in allgemeinmedizinischen Praxen in Österreich der Jahre 1977–1980, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Altersgruppe, im Vergleich zum Vierjahresmaterial der Jahre 1955–1959

1.1 Fachsprache, Berufsjargon und Laienausdrücke

Unter Fieber ist eine krankhafte Veränderung des Allgemeinzustandes mit dem Hauptsymptom der Temperaturerhöhung zu verstehen, das auf einer „Sollwertfeststellung“ basiert.

In der allgemeinmedizinischen Fachsprache (Kasugraphie) ist UF wie folgt definiert:

  • Fieber mit Allgemeinsymptomen, ggf. auch mit lokalen Symptomen.

Zu den Allgemein- und Lokalsymptomen gehören obligat Fieber, fakultativ Mattigkeit , Müdigkeit , Appetitlosigkeit , Schlafstörungen , Frösteln, Schweißausbrüche , uncharakteristischer Ausschlag . Ferner: z. B. Schnupfen , Niesen , Halsschmerzen , Husten , Kopfschmerzen , Gliederschmerzen, Erbrechen , Durchfall , Pollakisurie .

Die angeführten Beschwerden und Erscheinungen treten in verschiedenster Kombination auf; hierbei schwankt deren Zahl außerordentlich. Sie sind meist nur leicht ausgeprägt und flüchtig und dauern in der Regel einige Tage, in Einzelfällen bis zu 2 Wochen.

R. Klein hat in seiner Allgemeinpraxis während der Wintermonate 2000/2001 und 2001/2002 121 bzw. 62 Patienten mithilfe der ▶ Checkliste Nr. 1 (Abb. 2.2 in ▶ Abschn. 2.1.9) programmiert untersucht. Erwartungsgemäß wurden von seinen Patienten mit uncharakteristischem Fieber Allgemeinsymptome, wie Frösteln, Schwitzen, Mattigkeit, Appetitlosigkeit, Bettlägerigkeit und Schlafstörungen, bevorzugt geklagt (Abb. 2.1). Daneben wurde häufig von Husten mit und ohne Auswurf, Schnupfen sowie Muskel-, Gelenk- und Halsschmerzen berichtet (▶ FAKT).

Abb. 2.1
figure 1

Häufigkeitsverteilung der Patientenangaben bei uncharakteristischem Fieber anhand der Checkliste Nr. 1 (Fieber-Programm). (Klein 2003)

Abb. 2.2
figure 2

Checkliste Nr. 1 „Fieber-Programm“. Für uncharakteristische Fieberfälle und deren fieberfreie Varianten (afebrile Allgemeinreaktion) (Fieber-Programm) (Braun u. Mader 2005)

Im ärztlichen Berufsjargon und in der Laienwelt existieren zahlreiche Ausdrücke, die von Land zu Land in unterschiedlicher, individueller Bedeutung als sog. Diagnosen verwendet werden, z. B. grippaler Infekt, Grippe, Virusinfekt (Bauch-, Kopf-)Grippe, Influenza, (fieberhafte) Bronchitis, Fieberzustand, Verkühlung, Erkältung.

Diese Begriffe sind z. T. Ausdruck eines Kausalitätsbedürfnisses des Patienten („Ich bin gestern nass geworden…“), z. T. aber auch von Ärzten.

Der Erkältungsbegriff hat in der praktisch angewandten Medizin v. a. die Bedeutung einer dem Patienten plausibel erscheinenden Ausrede bei vielen ursächlich unklaren Krankheitsfällen.

Bei den Ärzten können sozialversicherungsrechtliche Erfordernisse, aber auch ärztlicher Ehrgeiz die Ursache dafür sein, „Diagnosen“ auszuweisen, oder einfach die unausgesprochene Angst, vor dem Kollegen ohne „Diagnose“ dazustehen.

Letztlich bedient sich der Allgemeinarzt dieser Jargonsprache (z. B. grippaler Infekt , akute respiratorische Erkrankung, ARI , oder akut auftretende Infektionskrankheit der Atemwege, AIA), weil er während seiner Ausbildung nicht mit praxisgerechten Begriffen im Hinblick auf eine spätere Tätigkeit als Allgemeinarzt ausgestattet worden ist. Unabhängig von der Diskussion um eine korrekte fachsprachliche Bezeichnung wird es jedoch stets die Herausforderung des qualifiziert arbeitenden Allgemeinarztes bleiben, durch gezielte Befragung, programmierte Diagnostik und körperliche Untersuchung in der Regel eine schwere, bedrohliche Krankheit zu bedenken und selten einmal durch weitere diagnostische Verfahren mögliche abwendbar gefährlichen Verläufe (Otitis media , Sinusitis , Pneumonie , Phlegmone /Abszedierung, Meningitis ) auszuschließen.

1.2 Erregernachweis und Influenza -Bild

Untersuchungen haben immer wieder gezeigt, dass in mindestens der Hälfte der unspezifischen Fieberfälle der direkte und der indirekte Erregernachweis versagen. Eine US-Studie bei 2.000 Kindern mit Fieber über 40°C ergab auch nach kompletter Anamnese, körperlicher Untersuchung und umfangreichen Laboranalysen bei rd. 60 % keine durch Kultur belegbare Diagnose. Bei den restlichen Kindern wurden je zur Hälfte bakterielle und virale Infektionen festgestellt (Trautner BW et al. 2006). Der Erregernachweis ist wegen der enormen Häufigkeit der Fälle ohnedies nicht finanzierbar und wegen der sehr guten Prognostik des Durchschnittsfalls auch nicht nötig.

Er muss allerdings dann verlangt werden, wenn die Begriffe Grippe , Influenza o. Ä. korrekt verwendet werden. Einzelne Pandemien (Grippepandemien : 1918/19 „Spanische Grippe“, 1957 „Asiatische Grippe“, 1968/69 „Hongkong-Grippe“ oder jüngst „Schweine“- oder „Vogelgrippe“) wurden virologisch bestimmten Influenzavirustypen zugeordnet.

Die Zahl der Erreger, die für eine Infektion des Respirationstrakts in Frage kommen, ist so groß und das klinische Erscheinungsbild der durch die verschiedenen Erreger ausgelösten Erkrankungen so wenig charakteristisch, dass sich eine exakte Diagnose (D) nur aufgrund virologischer und serologischer Untersuchungen stellen lässt. Dies gilt auch für das 2003 entdeckte Coronavirus als Erreger des schweren akuten respiratorischen Syndroms (SARS).

Beim UF können trotz intensiver und extensiver Testung auch heute nur in weniger als der Hälfte der Fälle pathogene Organismen (Viren oder Bakterien) isoliert werden.

Das Vorhandensein bestimmter Symptome (z. B. Fieber und Husten) bzw. deren Ausprägung kann in einzelnen Fällen einen Hinweis darauf geben, ob es der Hausarzt mit einem Patienten zu tun hat, der eine Influenza hat, oder ob eher eine Erkältung vorliegt (▶ FAKT).

Grundsätzlich besteht das Problem, zwischen einer durch Influenza-Viren A oder B verursachten Grippe und Atemwegserkrankungen durch andere ursächliche Viren, vor allem die häufigen RS-Viren (Respiratory Syncytial Virus , RSV), zu unterscheiden.

Nach dem Schema der DEGAM ist von einer Influenza-Infektion auszugehen, wenn Patienten hohes Fieber haben (über 38°C) und mindestens 2 weitere Symptome aufweisen. Dazu zählen:

  • Husten oder Schnupfen,

  • starke Kopfschmerzen,

  • Hals-, Gelenk- oder Muskelschmerzen,

  • Erbrechen,

  • wässrige Diarrhö,

  • bei Kindern : Dauerschreien oder Nahrungsverweigerung (▶ FAKT).

Influenza tritt in allen Altersstufen auf und ist für wechselnde Winterepidemien unterschiedlichen Ausmaßes verantwortlich. Besonders gefährdet sind Kinder unter 5 Jahren, insbesondere Kleinkinder unter 2 Jahren, von denen bis zu 45 % jährlich von Influenza heimgesucht werden, auffallend häufig bei Betreuung in Tageseinrichtungen. Säuglinge und Einjährige stellen die größte Risikogruppe unter Kindern für assoziierte Komplikationen dar (in > 50 % akute Otitis media bei nachgewiesenen Influenza-Viren) und müssen häufiger als ältere Kinder hospitalisiert werden (Neuzil 2002).

Die Impfung gegen Influenza als Indikationsimpfung wird von der STIKO für Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Schwangere ab dem 1. Trimenon bei erhöhter gesundheitlicher Gefährdung infolge eines Grundleidens (z. B. Asthma, Diabetes mellitus) empfohlen (Kap. 13.5.2 und 15.8.5).

Die große Zahl der durch RSV bedingten Atemwegserkrankungen kann durch eine Influenza-Impfung nicht verhindert werden.

1.3 Bettlägerigkeit und Hausbesuch

Der einzelne Patient oder seine Angehörigen reagieren auf das plötzliche Auftreten von Fieber (als einziges Symptom) durchaus unterschiedlich:

Die junge Mutter, deren erstes Kind fiebert, wird rasch den Arzt konsultieren. Hier kann (nach erfolgter Untersuchung) manchmal der Hinweis beruhigend wirken, dass 10–12 Fieberattacken im Jahr bis zum 10. Lebensjahr durchaus noch „normal“ sein können. Wichtig ist die Beobachtung des Arztes und der Mutter des kleinen Patienten: Ist das Kind wach? Weint es? Ist es matt oder gar apathisch? Wie ist der Hautturgor ?

Ein im Erwerbsleben stehender Erwachsener wird dagegen zu einem üblichen „Grippemittel“ greifen oder sich auf andere bereits erprobte Hausmittel verlassen.

Wenn sich der Berufstätige entschließt, den Arzt aufzusuchen, geht es ihm auch um die Verordnung von Arbeitsruhe , während die besorgte Mutter „Schlimmes“ ausgeschlossen wissen möchte. Andererseits sind Mütter mit mehreren Kindern aufgrund ihrer Erfahrung durchaus bereit, zunächst ohne Arztkontakt auszukommen und sich auf bewährte Methoden (z. B. Wickel, Fieberzäpfchen) zu verlassen; dies besonders dann, wenn weitere Fieberfälle in der Umgebung bekannt sind.

In unserem Sozialversicherungssystem ruft man den Arzt zu Fiebernden häufig ins Haus, nicht selten abends und am Wochenende. Dabei handelt es sich meist um Kinder vom 1. Lebensjahr bis zum Schulalter sowie um 20- bis 30-Jährige (▶ FAKT).

Manche Patienten suchen aber auch die Sprechstunde auf oder lassen sich in die Praxis bringen, wenn es der Arzt vorschlägt. Auch bei Säuglingen und Kleinkindern mit hohem Fieber ist es durchaus zumutbar, diese gut geschützt zum Arzt fahren zu lassen.

1.4 Höhe der Körpertemperatur

Fieber entsteht durch eine Verstellung des Temperatursollwertes im Hypothalamus. Die Körpertemperatur kann an verschiedenen Stellen gemessen werden: rektal (am genauesten, ▶ FAKT), vaginal, sublingual, axillär (störanfällig) oder im Gehörgang.

Die rektal (oder vaginal) gemessene Temperatur (Goldstandard) liegt etwa 0,5°C höher als die axilläre Temperatur; die sublingual gemessenen Werte sind den rektalen Werten ähnlich. Der übliche Temperaturbereich beim Gesunden bewegt sich je nach Tageszeit zwischen 36°C und 37,5°C (rektal), Werte über 37,5°C rektal werden allgemein als erhöhte Temperatur bezeichnet. Der häufig verwendete Grenzwert ≥ 38°C ist somit recht spezifisch.

Der Normalwert für die per Infrarotmethode gemessene Ohrtemperatur liegt für alle Altersstufen zwischen 35,8°C und 38°C. Die Messung ist ohne Zweifel schnell, die Messergebnisse sind allerdings häufig unzuverlässig (teilweise drastische Fehlmessungen) (Boschung 2006).

Zu beachten ist die dem Organismus angeborene Tagesperiodik der Körpertemperatur; die morgendliche Temperatur liegt 0,5–1°C unter der abendlichen. Eine andere zyklisch wiederkehrende Körpertemperaturänderung tritt im Laufe des Menstruationszyklus der Frau auf (▶ Abb. 10.9a und 10.13). Darüber hinaus gibt es individuell deutliche Unterschiede (Streubereich um 1°C).

Die normale Körpertemperatur hängt auch vom Alter ab. Die Normaltemperatur liegt bei Babys und Kleinkindern am höchsten. Mit ungefähr 11 Jahren beginnt die Körpertemperatur allmählich zu sinken und erreicht ihren niedrigsten Wert bei alten Menschen (▶ FAKT).

Axillare Grenzwerte

Subfebril

36,9–37,4°C

Fieber

37,6–39,5°C

Hohes Fieber

39,5–40,5°C

Sehr hohes Fieber

Über 40,5°C

Hyperpyrexie, Hyperthermie

Über 41°C

Das Herzfrequenzverhalten eines infektkranken Kleinkindes (25. bis 60. Lebensmonat) ist zur Fiebertaxierung und zur Plausibilitätskontrolle der Fiebermessung brauchbar (▶ FAKT) (Meyer 2006).

Für fieberhafte Kinder < 5 Jahre geben die britischen NICE-Leitlinien eine Risikoeinschätzung bezüglich der Schwere der Krankheit (niedriges, mittleres, hohes Risiko) anhand von Hautfarbe, Aktivität, Atmung, Hautturgor und anderen Zeichen, auch im Hinblick auf die Notwendigkeit eines Hausbesuchs bzw. der Überweisung zum Spezialisten (Richardson et al. 2007) (▶ FAKT).

1.5 Subjektives und objektives Befinden

Jeder erfahrene Arzt weiß, dass „Fieberfall nicht gleich Fieberfall“ ist:

  • So gibt es Fälle mit hohem UF, ohne dass die Patienten über ein schweres Krankheitsgefühl berichten. Dagegen können – z. B. bei tonsillären Anginen – nur mittelhohe Temperaturen gemessen werden; aber dennoch erscheint der Patient subjektiv und objektiv schwer krank.

  • Hohes Fieber bei Säuglingen und Kleinkindern beunruhigt die Mütter in besonderem Maße, besonders wenn kein Ausschlag zu sehen ist. Der Arzt dagegen fasst dies eher als Ausdruck einer guten Reaktionslage auf und kann die Mutter entsprechend beruhigen (▶ FALL, FOTO). Warme Kleidung ist niemals die Ursache für Fieber; ebenso ist Zahnen als Fieberursache wissenschaftlich nicht erwiesen.

  • Kleinstkinder halten Temperaturen um die 40°C nur einen, höchstens 2 Tage aus, da sie nicht genug trinken können, um den Wasserverlust auszugleichen. Zudem neigen sie bei hoher Körpertemperatur eher zu Fieberkrämpfen.

Kleine Kinder ertragen hohe Körpertemperaturen in der Regel besser als Jugendliche oder Erwachsene.

Ab dem 14. Lebenstag können Säuglinge die Körpertemperatur selbst regulieren.

Besonders herumtollende Kinder („Spielfieber“) fühlen sich manchmal „heiß“ an. Solche Temperaturerhöhungen nach motorischer Aktivität im Vorschul- und Schulkindalter sind bis 38,5°C durchaus in der Norm und sinken nach 0,5–1 h Ruhe wieder ab. Daher sollte bei Kindern erst ab 39°C von „Fieber“ gesprochen werden. Auch Erwachsene zeigen nach sportlicher Betätigung ein gleiches Verhalten.

  • Wenn dagegen ein alter Mensch mäßiges Fieber hat, halten die Angehörigen diesen Befund zunächst nicht im selben Maße für Besorgnis erregend. Erfahrene Ärzte wissen, dass hier oft der Schein trügt.

  • Alten Menschen können bei Fieber Tachykardien, kardiale Erkrankungen bis hin zur Insuffizienz oder einer O2-Unterversorgung drohen. In diesen Fällen muss das Fieber mit einem Antipyretikum gesenkt werden.

Schüttelfrost („Gänsehaut “, „chills“), oftmals ein wertvoller diagnostischer Hinweis (▶ FAKT), ist ein Zeichen der Vasokonstriktion und des Temperaturanstiegs, Schwitzen (z. B. Nachtschweiß ) Ausdruck der Vasodilatation mit Temperaturabfall.

1.6 Untersuchungsgang und abwendbar gefährliche Verläufe

Die Patienten geben meist an, sie hätten wahrscheinlich eine Grippe, sich verkühlt, seien erkältet, hätten Fieber, fühlten sich matt.

Der Untersuchungsgang bei Erstkontakt sollte folgenden Organen bzw. Körperregionen gelten:

  • Augen: mit oder ohne Entzündungszeichen, evtl. sezernierend,

  • Nase: mit oder ohne Entzündungszeichen,

  • Kiefer-, Stirnhöhlen: nicht oder nur unwesentlich druckdolent,

  • Rachen: mit oder ohne Entzündungszeichen,

  • Gaumenmandeln: mit oder ohne leichte Entzündungszeichen,

  • Halsdrüsen: nicht oder kaum vergrößert, nicht oder kaum dolent,

  • Trommelfell und äußerer Gehörgang: nicht oder leicht entzündet,

  • Lungenauskultation und -perkussion: in der Regel Eindruck unauffällig, selten nicht klingende Rasselgeräusche beidseits,

  • Herzauskultation: meist unauffällig bei erhöhter Frequenz,

  • Abdomen: keine Druckdolenz, keine Défence, kein Loslass-Schmerz,

  • Nierenlogen: nicht klopf- oder druckdolent,

  • Haut: selten verschiedenartige, meist flüchtige Exantheme.

Beim fiebernden Säugling und Kleinkind sollte auch bei primär eindeutigem Krankheitsbild (z. B. Infekt der oberen Luftwege) ein Ganzkörperstatus (ggf. mit Urinuntersuchung) erhoben werden.

Der Arzt kann zum Zeitpunkt der Untersuchung oft nicht abschätzen, ob sich der Patient am Beginn, am Höhepunkt oder im Stadium der bereits abklingenden Erkrankung befindet.

Das UF kann verschiedene Verläufe nehmen:

  • Die Symptome verschwinden innerhalb von Stunden und Tagen.

  • Neue uncharakteristische Symptome kommen dazu.

  • Charakteristische Symptome (z. B. ein pneumonischer Auskultationsbefund, eine „eitrige“ Tonsillitis) werden fassbar.

  • Ein AGV entwickelt sich innerhalb von wenigen Stunden (z. B. Appendicitis acuta , Meningitis , Sepsis , Pneumonie ).

Epidemien von UF sind nicht an eine bestimmte Jahreszeit gebunden.

Die Morbidität (definiert als die Häufigkeit des Auftretens einer bestimmten Krankheit, bezogen auf die Gesamtpopulation) ist bei Kindern und Jugendlichen während Influenzaepidemien immer höher als bei Erwachsenen, da dieser Altersgruppe die Basisimmunität fehlt.

Die Letalität (definiert als der Anteil der Erkrankten, die sterben) ist jedoch bei älteren Personen relativ hoch.

Fallstricke bei fieberhaften Erkrankungen stellen z. B. atypische Appendizitiden oder Tropenkrankheiten (z. B. Malaria) dar.

Die Malaria tropica (Erreger: Plasmodium falciparum) ist eine in der Allgemeinpraxis nicht mehr regelmäßig häufige, aus Tropen und Subtropen importierte Erkrankung (▶ FAKT); sie beginnt mit Fieber sowie zunächst meist unspezifischen Symptomen, kann aber innerhalb weniger Stunden in schwere, tödliche Verlaufsformen übergehen. Die durch andere Plasmodien ausgelösten Malaria tertiana und quartana sind seltener und i. A. nicht lebensbedrohlich.

Bei jedem Patienten mit Fieber, der sich in Tropen oder Subtropen aufgehalten hat, muss eine Malaria tropica ausgeschlossen werden (▶ FALL).

Für eine Malaria können neben Fieber weitere wichtige Warnsignale sein: Diarrhö , Erbrechen , Ikterus , Harnwegsinfekte sowie Haut- oder Genitalinfektionen nach der Rückkehr. Bei fieberhaften Erkrankungen muss noch mind. 1 Jahr nach Rückkehr an eine Malaria gedacht werden.

Der Fiebertyp spielt bei Malaria keine Rolle, ebenso wenig Vorhandensein oder Fehlen von Begleitsymptomen (z. B. Durchfall) oder Chemoprophylaxe (Burchard 2011).

Die Reiseberatung zur Malariaprophylaxe sollte in Zusammenarbeit mit einem (tropenmedizinisch) erfahrenen Arzt erfolgen (▶ FAKT).

1.7 Wochenlange Temperaturerhöhungen

Das „normale“, flüchtige UF ist zu unterscheiden vom (seltenen) wochenlang andauernden UF .

Fieber unklarer Ursache (FUO, Fever of unknown origin ) ist definiert als Fieber von 3 Wochen Dauer, dessen Ursache nach mindestens 3 Tagen stationärer Diagnostik nicht geklärt werden konnte. Klassisches FUO ist heutzutage in der Hälfte der Fälle durch Kollagenosen oder Tumorerkrankungen bedingt (Kern 2007).

Solche ungeklärten Temperaturerhöhungen über mindestens 14 Tage hinweg treten in der Allgemeinpraxis gerade noch an der Grenze der regelmäßigen Häufigkeiten auf (▶ Tab. 1.1), d. h. sie sind die Ausnahme von der Regel. Das „normale“ UF klingt in 2–5 Tagen spurlos ab. Eine Dauer von 1 oder gar 2 Wochen ist die Ausnahme.

Der Autor hat in 35 Jahren allgemeinärztlicher Tätigkeit 4 solcher Fieberfälle gesehen (▶ FAKT, FOTO).

Allergisches Medikamentenfieber tritt erst nach mehreren Behandlungstagen, nicht selten in der 2. oder 3. Behandlungswoche auf.

1.8 Nicht mehr uncharakteristisch

Nur in einem von 4 Fieberfällen finden sich Krankheitszeichen, die eine Charakterisierung gestatten. Die große Mehrheit wird von fieberhaft verlaufenden Gesundheitsstörungen gebildet, die näher charakterisierende Zeichen und Befunde vermissen lassen.

Fieberhafte Erkrankungen sind per definitionem nicht mehr „uncharakteristisch“, wenn sich bei der Untersuchung z. B. eine strangförmige Rötung (mit oder ohne Schmerzen) oder vergrößerte Tonsillen mit eitrigen Belägen (ggf. mit angulären Lymphknoten) als „charakteristischeBefunde aufdecken lassen.

In diesen Fällen ist also nicht UF zu klassifizieren, sondern das entsprechende Krankheitsbild (Erysipel , Thrombophlebitis , Tonsillitis o. Ä. – vgl. Fallbeispiel in Kap. 1.4).

Ebenso wenig „uncharakteristisch“ ist Fieber dann, wenn z. B. bei liegendem Dauerkatheter ein Fieberschub auftritt („iatrogenes Fieber“). Hier wird klarerweise – bei entsprechendem Laborbefund – eine Zystopyelitis (C) klassifiziert. Ähnliche Klassifikationsüberlegungen gelten, wenn eine Impfung vorausgegangen ist (Impffieber ).

Als äußerst seltener AGV (9 von 100.000 Kindern in Deutschland) muss ein Kawasaki-Syndrom in Erwägung gezogen werden, wenn das sehr hohe Fieber (39–40°C) > 5 Tage andauert, auf keine Antibiotika anspricht und sich durch Antipyretika jedoch meist kurzfristig senken lässt. Diese akute, potenziell lebensgefährliche Erkrankung kann frühestens am 5. Tag anhand von Fieber als Hauptsymptom und 4 von 5 Hauptkriterien erkannt werden (▶ FAKT) (Pozza u. Netz 2011).

1.9 Qualitätskontrolle am Beispiel des Fieber-Programms

In der Allgemeinpraxis heilen die allermeisten Fälle von UF nach einigen Tagen komplikationslos ab.

Haben die ersten Angaben des Patienten über die Beschwerden und Krankheitszeichen und hat die epidemiologische Situation bzw. der „erste Blick“ des Arztes nicht in eine bestimmte Richtung (z. B. Masern , Stirnhöhlen - oder Lungenentzündung , Pyelonephritis , Hepatitis ) gelenkt, so kommt die programmierte Diagnostik (▶ Checkliste Nr. 1 „Fieber-Programm“; Abb. 2.2 Footnote 1) zum Tragen.

Diese Checkliste dient der systematischen Suche nach wichtigen „versteckten“ Symptomen. Bei ausschließlich intuitivem Vorgehen lässt sich nicht die gleiche Verlässlichkeit erreichen (Braun 1988a).

Die große Stärke des Arbeitens mit diagnostischen Programmen liegt darin, dass alle wichtigen AGVs berücksichtigt werden (z. B. Tropenkrankheiten , Listeriose oder eine Hantavirusinfektion ) (▶ FAKT, FALL).

Das programmierte Untersuchen beim UF zwingt den Arzt beispielsweise dazu, die Beweglichkeit des Nackens zu überprüfen, auch wenn zunächst nichts für eine Meningitis spricht. Es zwingt, die Lunge abzuhorchen, auch wenn nicht der geringste Verdacht auf eine Pneumonie besteht. Ebenso schreibt das Programm konsequent vor, die abdominelle Region zu palpieren, auch wenn nicht der mindeste Hinweis auf eine intraabdominelle Affektion (etwa auf eine Wurmfortsatzentzündung) besteht.

Danninger deckte unter 200 programmiert untersuchten Fällen von UF 11-mal unerwartete Erkrankungen oder Symptome einer Erkrankung auf; hierdurch kam eine diagnostische Weichenstellung zustande (▶ FAKT).

Die programmierte Diagnostik führt nicht automatisch zu einer Diagnose (D). Die meisten Fälle, die sich uncharakteristisch präsentieren, bleiben auch nach dem Einsatz einer solchen Checkliste uncharakteristisch.

Der Arzt darf jedoch beruhigt sein, nichts Machbares unterlassen zu haben. Die Anwendung der programmierten Diagnostik stellt somit einen wichtigen Beitrag zur Qualitätskontrolle und zur Qualitätssicherung in der Allgemeinmedizin dar (▶ Abb. 1.8 in Kap. 1.13).

1.10 Management

Fieber ist eine der wichtigsten Immunreaktionen des Körpers. Durch die erhöhten Temperaturen wird das Wachstum von Viren und auch einiger Bakterienarten stark gehemmt. Für das Management beim UF ist zunächst die Feststellung wesentlich, ob das Fieber weniger oder länger als 6 Tage besteht.

Die unterschiedlichen Vorgehensweisen in Diagnostik, Therapie und Zusammenarbeit mit dem Spezialisten speziell bei fiebernden Kindern sind anhand von 7 Kasuistiken im Internetportal „Fakten – Fälle – Fotos“ dargestellt (▶ FALL).

Unter 7 Tagen sollte auch beim leicht kranken Patienten routinemäßig nach ▶ Checkliste Nr. 1 („Fieber-Programm“; Abb. 2.2) vorgegangen werden. Der Zeitaufwand für die komplette programmierte Diagnostik liegt beim routiniert arbeitenden Allgemeinarzt bei durchschnittlich 4,5 min (2 min Befragung, 2,5 min Untersuchung; Chung 1986).

Laboruntersuchungen wie Leukozyten- oder CRP-Bestimmung haben bei Kindern mit UF zum Nachweis oder Ausschluss einer ernsthaften Infektion nur eine beschränkte Aussagekraft.

Ab dem 7. Tag ist bei UF oder AFAR, d. h. bei fieberfreien sonst gleichartigen Beschwerdebildern, außer der programmierten Diagnostik sofort die Röntgenuntersuchung der Thoraxorgane fällig, ebenso die Untersuchung der Blutkörperchensenkung (BKS), des C-reaktiven Proteins (CRP), der Leukozyten und des Urins; spätestens nach weiteren 24–48 h Temperaturerhöhung ist spezialistischer Rat zu holen, selbst bei nur geringem Krankheitsgefühl und trotz guten Aussehens. Je schwerer der Verlauf und je mitgenommener der Kranke ist, um so früher wird eingewiesen.

Eine EKG-Diagnostik ist bei Fieberfällen von Kindern in der hausärztlichen Praxis nicht üblich. Dringend erforderlich jedoch ist ein EKG bei

  • Tachy - bzw. Bradyarrhythmie ,

  • unklarem neu aufgetretenen Herzgeräusch und

  • unklarer Herz-Kreislauf-Symptomatik (Klein et al. 2010).

Fieber ist insbesondere für das Kind und seine Eltern eine Belastung; allerdings vertragen Kinder Fieber weitaus besser als Erwachsene. Zu Beginn des Fieberanstiegs frösteln viele Kinder und sollten zunächst mit einer Decke oder Wärmflasche warmgehalten werden.

Der Laie ist darauf bedacht, Fieber mit allen Mitteln rasch zu senken. Dabei geht er von der Überlegung aus, die Höhe des Fiebers stehe in direktem Zusammenhang mit der Schwere der Erkrankung.

Eine medikamentöse Senkung des Fiebers ist nicht in jedem Fall erforderlich. Die Indikation hierzu sollte ebenso wie die entsprechenden Medikamente abhängig gemacht werden von der Fieberhöhe, der subjektiven Beeinträchtigung, den medizinischen Risiken durch Fieber und Fieberfolgen sowie von Begleiterkrankungen.

Fiebersenkung kann zwar das Befinden bessern, aber nicht das Endresultat der Erkrankung; diese Maßnahme ist nicht erforderlich bei Kindern, die trotz erhöhter Temperatur munter sind, normal essen und trinken (Patienten-LL Fieber bei Kindern 2006).

Eine physikalische Fiebersenkung (z. B. durch Bäder, Umschläge, Ventilatoren) ist theoretisch und praktisch nicht immer sinnvoll bzw. sogar ungünstig (zentrale Gegenreaktion!). Solche Maßnahmen sind nur bei der Hyperthermie (z. B. klassischer Hitzschlag ) angezeigt (Kern 2007). Allerdings gibt es auch offizielle anderslautende Empfehlungen (▶ FAKT).

Keine (insbesondere kalte oder mit Alkohol bzw. Essig getränkte) Wadenwickel bei kalten Extremitäten!

Kinder müssen ab 37,5°C ausreichend (löffelweise) trinken, vor allem dann, wenn die Körpertemperatur ansteigt (▶ FAKT).

Das Management von Kindern < 5 Jahren im hausärztlichen Bereich kann sich in Abhängigkeit vom jeweiligen Risiko an den britischen NICE-Richtlinien orientieren (Richardson et al. 2007) (▶ FAKT).

Die sofortige Anwendung von (Breitspektrum-) Antibiotika beim Auftreten von hohem Fieber kann gefährliche Verläufe verschleiern (etwa einen paranephritischen Abszess ) oder die weitere Diagnostik erschweren (z. B. Kulturen „gehen nicht mehr an“).

Ein Antibiotikum ist kein Antipyretikum. Fieber allein ist keine Indikation für eine Antibiotikatherapie (Daschner et al. 2011) (▶ FAKT).

Paracetamol, ein peripher wirkendes Analgetikum, ist weltweit das bevorzugte Medikament zur Fiebersenkung. Ibuprofen hat eine ähnlich gute analgetische Wirkung (▶ FAKT).

Deutet der Befund klar auf eine Influenza , ist keine weitere Labordiagnostik nötig. Es sollte sofort mit der Therapie begonnen werden. Schnelltests und PCR sind für die Therapie-Entscheidung überflüssig. Sofern der Symptombeginn weniger als 48 h zurückliegt, ist bei allen Patienten eine antivirale Therapie indiziert, unabhängig davon, ob es sich um eine saisonale oder pandemische Influenza handelt (DEGAM 2009).

Die vielfach in der Literatur als typisch beschriebenen Fieberverlaufskurven (z. B. bei Masern oder Sepsis ) sieht man in der Praxis wegen der meist frühzeitig einsetzenden Therapie nur noch selten und im Übrigen oft erst im Nachhinein.

Der Patient und die Pflegepersonen sollen zu sorgfältiger Beobachtung angehalten werden. Sie sind zu instruieren, regelmäßig und exakt die Körpertemperatur zu messen. Die Führung einer Fieberkurve wird dabei auch für den zu Hause betreuten Patienten empfohlen, nicht zuletzt aus Gründen der Objektivierung, aber auch zur Information und aus psychologischen Gründen.

Der Allgemeinarzt kann akute unklare Fälle durchaus einige Tage lang in geteilter Verantwortung mit dem Patienten abwartend offen lassen, bis es keinerlei Zweifel mehr am Ausbleiben einer Wendung zum Besseren gibt.

Beim UF soll der Arzt auf engen Kontakt mit der Patientenfamilie bedacht sein. Empfehlenswert sind telefonische Berichte in 12- bis 24-stündigen Abständen oder ein Hausbesuch zur Kontrolle. Jede Verschlechterung oder das Auftreten neuer, auffallender Symptome (z. B. Erbrechen) ist dem behandelnden Arzt unverzüglich bekanntzugeben. Unter solchen Umständen kann der Arzt seiner Verantwortung bestens gerecht werden.

Nach fieberhaften Erkrankungen sollten 3–5 fieberfreie Tage abgewartet werden, bevor der Patient wieder mit leichten körperlichen Belastungen startet.

Für die Abschätzung des Risikos von Fieber bei Senioren und der Frage nach stationärer Behandlung kann in Einzelfällen der gut validierte CURB-65-Score hilfreich sein (▶ FAKT).

2 Afebrile Allgemeinreaktion (AFAR)

AFAR ist die afebrile Variante („die Schwester“) des UF.

In der allgemeinmediz inischen Fachsprache bedeutet AFAR:

  • Allgemeinsymptome und/oder Lokalsymptome.

Bei der Untersuchung lassen sich keine charakteristischen Krankheitszeichen und Befunde erheben.

Die Häufigkeit der AFAR ist Tab. 2.1 und Tab. 2.2 zu entnehmen.

Existieren bei uncharakteristischen Erkrankungsfällen der genannten Art zwar örtliche und Allgemeinerscheinungen, fehlt jedoch die erhöhte Körpertemperatur (= AFAR), so ist die ▶ Checkliste Nr. 1 „Fieber-Programm“ (Abb. 2.2) ebenso indiziert wie beim UF.

Fieber als Infektionszeichen kann bei Patienten unter Chemotherapie, die mit Kortison behandelt werden, fehlen. Der Patient fühlt sich krank, hat z. B. Herzrasen oder das Gefühl, er müsste „gleich umfallen“, aber Fieber fehlt. In solchen Fällen wird der Allgemeinarzt besonders sorgfältig und programmiert mit der Fieber-Checkliste Nr. 1 untersuchen und korrekterweise „AFAR“ klassifizieren.

3 Afebriler Husten

Afebriler Husten als alleiniges Symptom (A), also ohne Fieber und ohne Allgemeinerscheinungen, mit und ohne Auswurf, zählt zu den häufigsten BEs in der Allgemeinmedizin; besonders die Altersgruppen 0–14 Jahre sind davon betroffen. Auch gesunde Kinder husten mehrmals täglich (8–12jährige pro Tag durchschnittlich 11-mal).

Die häufigste Ursache für akuten Husten (nach WHO < 3 Wochen) sind selbst limitierende Atemwegsinfektionen.

Eine virale Infektion der oberen Atemwege („Erkältung“) gilt als die häufigste Ursache von akutem Husten; aber auch bei bis zu 20 % der Patienten mit > 3 Wochen persistierendem postinfektiösen Husten wird eine durch Infektion getriggerte Entzündungsreaktion (z. B. Postnasal-Drip-Syndrom) angenommen (Karsch-Völk et al. 2011).

Nach spätestens 2-wöchiger Hustendauer empfiehlt sich die programmierte Diagnostik mittels ▶ Checkliste Nr. 2 „Husten“ (▶ FAKT). Die DEGAM-LL 11 „Husten“ ermöglicht eine Abgrenzung unterschiedlicher Ursachen und berücksichtigt die wichtigsten abwendbar gefährlichen Verläufe (▶ FAKT).

Als chronischer Husten wird nach DEGAM-LL eine länger als 3 Wochen bestehende Störung bezeichnet.

Bei Husten > 8 Wochen Dauer ist die Zusammenarbeit mit Spezialisten angezeigt (▶ FAKT).

Für Expektorantien gibt es keine randomisierten klinischen Studien (▶ FAKT). Wenn der Husten den Schlaf oder die Lebensqualität (auch von Kind und Eltern) stört, kann bei Kindern ein Opioid wie Noscapin (bei Erwachsenen z. B. Codein) als zentral wirkendes Antitussivum vorübergehend eingesetzt werden.

3.1 Intuitive primäre Diagnostik

Hustet ein Kind seit wenigen Tagen, bestehen keine Allgemeinerscheinungen (also kein Fieber, keine Abgeschlagenheit, keine Appetitlosigkeit, kein krankes Aussehen) und hat die Mutter beispielsweise nur den Wunsch nach Verordnung eines Hustensaftes, dann darf der Arzt dieses Ansinnen nicht sogleich erfüllen. Seine geringste Pflicht in einem solchen Fall ist,

  • nach einem vorher abgelaufenen Fieber und/oder anderen Allgemeinerscheinungen zu fragen,

  • nach einer Fremdkörperaspiration zu fragen,

  • den Rachen zu inspizieren,

  • die Lunge abzuhorchen.

Davon abgesehen muss eine entsprechende Seuchenlage gegeben sein, d. h. keine Masern, kein Keuchhusten usw.

Virale Infektionen lassen sich von bakteriellen durch CRP -Diagnostik nicht differenzieren (EvG A/DEGAM-LL 11, 2008) (▶ FAKT).

Die Spirometrie ist zur Diagnostik der Exazerbation ungeeignet. Husten, verbunden mit lokalisiertem frontalen Kopfschmerz, verstopfter Nase und eitriger Rhinorrhö, weist auf eine akute Sinusitis als Komplikation hin (DEGAM-LL 11, 2008).

3.2 Verschlimmerung

Dauert der Husten 1 oder 2 Wochen, so sollte grundsätzlich programmiert untersucht werden („Husten-Programm“, ▶ Checkliste Nr. 2 in ▶ FAKT). Im Vordergrund stehen hier bei Kindern die Exklusion einer Pneumonie , bei Erwachsenen außerdem die Exklusion eines Malignoms und einer Tuberkulose .

Wird der Husten stärker, so hängt es vom Allgemeinzustand des Patienten ab, ob man ihn sogleich oder am 10.–14. Krankheitstag zur Röntgenaufnahme der Thoraxorgane überweist. Besteht der Husten bereits seit 2 Wochen, so muss sofort eine Röntgenuntersuchung erfolgen.

Einem Husten von > 8 Wochen (chronischer Husten) liegt bei Nichtrauchern, die keine ACE-Hemmer einnehmen, meist eine der 3 Ursachen zugrunde:

  • eosinophile Atemwegserkrankungen wie Asthma (Abschn. 6.10) oder eosinophile Bronchitis (▶ Abschn. 1.3.3),

  • das Upper-Airway-Cough-Syndrom ,

  • gastroösophagealer Reflux .

Bei Patienten mit über 8 Wochen persistierendem Husten sollte zusätzlich zur Röntgenaufnahme eine Abklärung in Form einer Lungenfunktionsdiagnostik, ggf. Bodyplethysmographie (Fluss-Volumen-Kurve, Bronchodilatation oder unspezifische Provokation) und Allergiediagnostik (Prick-Test, Gesamt-Immunglobulin-(Ig)E, Radioallergosorbenttest [RAST]) erfolgen sowie u. U. eine Computertomographie des Thorax, eine Bronchoskopie und eine 24-h-pH-Metrie (gastroösophagealer Reflux!) durchgeführt werden.

In > 20 % der Fälle von chronischem Husten ist ein gastroösophagealer Reflux der Auslöser; dabei sind Husten und Heiserkeit oft die einzigen Symptome der Refluxkrankheit.

Bei älteren Menschen können durch eine solche Stufendiagnostik Malignome (meistens leider unabwendbar gefährliche Verläufe), bei Patienten mittleren Alters etwa Tuberkulose, bei Kindern Pneumonien (d. h. potenziell gefährliche Verläufe) entdeckt werden. Solche Ergebnisse sind im Praxisalltag jedoch – von Pneumonien abgesehen – Raritäten.

Bei Fieber und/oder Husten darf sich der Allgemeinarzt nicht durch die überwältigende Dominanz des Banalen dazu verleiten lassen, nur oberflächlich oder gar nicht zu untersuchen. Vielmehr hat er stets ein möglichst volles Untersuchungsprogramm allgemeinmedizinischer Art abzuwickeln.

Husten ist ein wichtiges, aber unspezifisches Warnsymptom bei einem Bronchialkarzinom .

In Einzelfällen gibt es auch Fälle von mehrjährig quälendem Husten ohne jede schlüssige Erklärung (▶ FALL).

Husten kann in seltenen Fällen Komplikationen verursachen (z. B. Pneumothorax, Mediastinalemphysem , Hustensynkope , bei Frauen Belastungsinkontinenz ).

3.3 Symptomgruppe „Bronchitis “

Bronchitis bedeutet in der Nomenklatur der berufstheoretischen Fachsprache keine exakt definierte Krankheit, sondern stellt eine Klassifizierung von mehreren Symptomen dar. Zu dieser Symptomgruppe (B), eine der häufigsten BE in der Allgemeinpraxis, zählen u. a. die bei der Auskultation zu findenden beidseitigen, nichtklingenden Rasselgeräusche bei normalem Exspirium, die sich nicht weghusten lassen.

Da in der Regel nicht nur die tieferen Bronchien, sondern auch andere Teile der Atemwege wie die Trachea betroffen sind, ist die Bezeichnung akute Atemwegsentzündung sinnvoll. Bei akuten Atemwegsinfektionen sind Viren die häufigsten Auslöser. Parallel können Schnupfen und Halsschmerzen bestehen. Nur selten tritt Fieber auf. Die akute Bronchitis kann auch Vorläufer einer anderen Infektionskrankheit wie Windpocken, Scharlach, Keuchhusten oder Masern sein.

Das Krankheitsbild akute Bronchitis wird ausschließlich aufgrund von Anamnestik und physikalischer Untersuchung erfasst.

Die Erkrankung dauert in der Regel wenige Tage oder Wochen und ist im Gegensatz zu Asthma und COPD nicht durch (rezidivierende) Atembeschwerden oder permanente Überempfindlichkeit des Bronchialsystems charakterisiert.

Für Bromhexin, Acetylcystein und Ambroxol als Mukolytika gibt es keine Evidenz, dagegen EvG-Klasse A für Wasserdampfinhalationen bei 43°. Für Phytopharmaka wie Cineol vereinzelt positive Resultate. Antitussiva nur bei nicht produktivem und quälendem Reizhusten (DEGAM-LL 11, 2008).

Für die Wirksamkeit von Antibiotika bei akuter Bronchitis gibt es keine überzeugende Evidenz.

Die Farbe des Sputums ist keine sichere Indikation für eine Antibiotika-Therapie.

Bei älteren oder unter Immunsuppression stehenden Patienten stellt die sekundäre bakterielle Infektion (häufigste Erreger u. a. Haemophilus influenzae, Streptococcus pneumoniae) eine typische Komplikation dar. Diese Patientengruppe profitiert möglicherweise von einer frühzeitigen antibiotischen Therapie (Brunkhorst u. Schölmerich 2010).

3.4 Keuchhusten

Viele medizinische Laien, aber auch manche Ärzte sind der Ansicht, dass Keuchhusten, der bereits 1640 erstmals als „Pertussis “ beschrieben wurde, eine Erkrankung des Kindesalters sei.

Tatsache jedoch ist, dass heute vor allem durch den Impfrückgang eine zunehmend größere Anzahl von Erwachsenen von Bordetella pertussis befallen ist; derzeit sind etwa 4 von 5 Patienten mit Pertussis älter als 15 Jahre (▶ FALL).

Pertussis tritt weltweit endemisch ohne regelmäßige Saisonalität auf und führt sporadisch zu regional begrenzten und ca. alle 3–4 Jahre zu landesweiten Epidemien (▶ FAKT). Die höchste Ansteckungsfähigkeit besteht in den ersten beiden Krankheitswochen.

Das Immunsystem von Säuglingen ist gegen B. pertussis wehrlos. So können Jugendliche oder Erwachsene, die unter lang anhaltendem Husten leiden, Babys durch Anhusten infizieren („Tröpfcheninfektion“). Dasselbe gilt auch für die Infektion mit den eher seltenen B.-parapertussis-Bakterien . Der Kontagiositätsindex für Pertussis ist hoch (in Familie oder Gemeinschaftseinrichtung nahezu 100 %).

Bei Kindern ist die Infektion mit B. pertussis charakterisiert durch anfallsweisen Husten, „juchzendes“ Einziehen der Luft („whoop“), durch anschließendes Erbrechen, Atemnot oder Gesichtszyanose (paroxysmales Stadium oder Stadium convulsivum) bis hin zur zerebralen Hypoxie (▶ FOTO) (Pertussis-Hörbeispiel in ▶ FAKT). Oft kann es noch monatelang (auch trotz Therapie) zu gelegentlichen Hustenattacken kommen (Stadium decrementi).

Besonders gefürchtet sind bei Säuglingen als Komplikationen: Pneumonie (22 %); Apnoe und hypoxisch bedingte Enzephalopathie mit Krämpfen (11 %); kardiale Schäden (3,5 %).

Neben dem typischen Verlauf gibt es vor allem bei Erwachsenen häufig mitigierte Krankheitsverläufe, die ohne Erregerdiagnostik nicht als Pertussis erkannt werden. Bei Erwachsenen können in Begleitung oder als Folge des Keuchhustens Pneumonien, Konjunktivalblutung (Hyposphagma), Leistenbrüche oder vorübergehende Inkontinenz auftreten.

Pertussis beginnt als uncharakteristischer Husten mit/ohne Fieber (katharralisches Stadium). Zahlreiche Erreger, u. a. Adenoviren, erzeugen ein pertussisähnliches Bild.

Die World Health Organization (WHO) definiert Pertussis als Husten von mindestens 3-wöchiger Dauer mit paroxysmalen Hustenanfällen. Dabei ist zu beachten, dass ein Viertel der Keuchhustenfälle durchaus kürzer als 3 Wochen dauert.

Jeder Husten, der länger als 14 Tage dauert, sollte an eine Pertussis denken lassen und eine mikrobiologische Diagnostik nach sich ziehen (Heininger 2010).

Im („typischen“) Stadium convulsivum weist das Differenzialblutbild eine ausgeprägte Leukozytose (20.000–30.000/µl) sowie eine Lymphozytose (60–80 %) (▶ FAKT) auf. Der Erreger kann im Nasopharyngealsekret oder mithilfe der Polymerase-Kettenreaktion („polymerase chain reaction“, PCR) nachgewiesen werden. Bei älteren Kindern oder Erwachsenen dagegen ist die Serologie sensitiver als der Erregernachweis. Die Antikörperbestimmung erfolgt in der 2.–4. Woche. Im frühen Stadium convulsivum ist die Serologie noch negativ.

Die Therapie der Wahl ist Erythromycin für 2 Wochen, aber auch neuere Makrolidantibiotika sind wirksam. Empfängliche Kontaktpersonen des Indexfalls (wie Familienmitglieder) sollten für 14 Tage eine Chemoprophylaxe mit einem Makrolid erhalten.

Es ist sinnvoll, die Erkrankten für mind. 5 (bis 7) Tage nach Beginn der Antibiotikatherapie zu isolieren. Ohne Behandlung kann die Ansteckungsfähigkeit bis zu 4 Wochen betragen.

Nicht vollständig geimpfte Kinder profitieren von einer Boosterimpfung .

Die Impfung gegen Pertussis mit dem durchwegs verträglichen azellulären Impfstoff ist für alle Altersgruppen sinnvoll. Kein lebenslanger Schutz, daher Auffrischungsimpfungen erforderlich!

Da die Immunität sowohl nach Impfung wie auch nach natürlicher Erkrankung nur maximal 10–15 Jahre anhält, können Jugendliche und Erwachsene erneut erkranken.

Der Nutzen von Antitussiva bei Keuchhusten ist nicht erwiesen. Bei quälendem trockenen Reizhusten geben jedoch erfahrene Kinderärzte Noscapin (keine Atemdepression, kein Bronchospasmus, kein Suchtpotenzial).

4 Halsschmerzen

Wenn Patienten mit Halsschmerzen den Arzt aufsuchen, erhoffen sie sich letztlich auch die Verordnung eines Antibiotikums, um damit ihre Schmerzen loszuwerden.

Unter dem gängigen Begriff „Halsweh“ versteht der Laie ein Bündel an Beschwerden wie Schmerzen, Kratzen, Brennen und Trockenheitsgefühl im Hals- und oberen Kehlkopfbereich, insbesondere beim Schlucken.

Zu unterscheiden sind afebrile Halsschmerzen (ohne örtliche Entzündungserscheinungen) von der afebrilen Pharyngitis (d. h. Halsschmerzen mit örtlichen Entzündungen). Das Kloßgefühl (Abschn. 12.1.3) wird vom Patienten tiefer im Hals lokalisiert.

Halsschmerzen (A) sind in der Regel selbstlimitierend (im Mittel 3,5–5 Tage). Sie zählen im langjährigen Durchschnitt zu den 50 häufigsten BEs einer Allgemeinpraxis.

Hinter akuten Halsschmerzen steckt zu 50–80 % eine virale Infektion, einschl. Influenza und Herpes simplex ; weitere 1–10 % werden vom Epstein-Barr-Virus ausgelöst. Der häufigste bakterielle Erreger von akuten oder wiederkehrenden Halsschmerzen (5–36 % der Fälle) sind β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (GAS) .

Virale und bakterielle Pharyngitiden lassen sich klinisch nicht sicher unterscheiden. Scores ermöglichen es, die Wahrscheinlichkeit einer GAS-Pharyngitis (EvG A) einzuschätzen (DEGAM-LL Halsschmerzen 2009). Der Centor Clinical Prediction Score (▶ FAKT) für Patienten ≥ 15 J umfasst 4 Kriterien (Fieber in der Anamnese, Fehlen von Husten, geschwollene vordere Halslymphknoten, Tonsillenexsudate) (Tab. 2.3) und kann bei der Entscheidung, ob Antibiotika eingesetzt werden sollen, hilfreich sein. Ein Rachenabstrich für einen Schnelltest oder eine Kultur zum GAS-Nachweis sollte nur durchgeführt werden, wenn das Untersuchungsergebnis Einfluss auf die Entscheidung für oder gegen eine Antibiotikatherapie hat (▶ FAKT).

Tab. 2.3 Score-Systeme nach McIsaac und Centor zur Abschätzung der Wahrscheinlichkeit einer Streptokokkeninfektion in Abhängigkeit vom Lebensalter des Patienten (DEGAM-LL Halsschmerzen 2009)

Halsschmerzen dauern, unabhängig von einem GAS-Nachweis, im Mittel 3,5 bis 5 Tage. Fieber klingt meist innerhalb von 2–3 Tagen ab.

Das extrem niedrige Risiko eines AGV bzw. einer Folgekrankheit (z. B. Peritonsillarabszess, akutes rheumatisches Fieber [▶ FAKT], akute Poststreptokokken-Glomerulonephritis [▶ FAKT]) rechtfertigt zurzeit nicht die routinemäßige Antibiotikagabe bei GAS-Pharyngitis oder dem Bild einer GAS-Pharyngitis (EvG B) (DEGAM-LL 2009) (▶ FAKT).

Antibiotika bei Zeichen einer GAS-Pharyngitis können die Krankheit lediglich um 1 bis 1,5 Tage verkürzen.

Die Behandlung einer GAS-Pharyngitis mit Antibiotika hat keinen Einfluss auf eine erneute Pharyngitis. Die reduzierte Ansteckung von Kontaktpersonen ist nicht durch Studien belegt.

Nach 1 Woche sind etwa 90 % aller behandelten und unbehandelten Patienten symptomfrei. Antibiotika können jedoch Durchfälle , Hautausschläge und andere Nebenwirkungen verursachen und führen zur Resistenzentwicklung (Del Mar et al. 2006).

Bei bestimmten Pharyngitispatienten mit relevanten Grunderkrankungen (z. B. Karzinom , Immunsuppression) oder einem Scharlach bild sollte allerdings die Indikation zur Antibiotikatherapie großzügiger gestellt werden. In diesen Fällen ist Penizillin auch heute noch über 7 Tage hinweg das Mittel der ersten Wahl (EvG A) (Wächtler u. Chenot 2010), bei Penizillinunverträglichkeit Erythromycin über 7 Tage.

Auch zur Symptomlinderung sollen Antibiotika nicht eingesetzt werden (EvG A); ebenso wenig wird eine Prophylaxe mit Antibiotika bei wiederkehrenden Halsschmerzen empfohlen. Halsschmerzen sind nicht selten nur Aufhänger für den Besuch beim Hausarzt, um auch ein weiteres Anliegen vorzubringen. Zudem kann die vorschnelle Verordnung von Antibiotika den Glauben des Patienten an diese Substanzen und entsprechende Wiederverordnungswünsche stärken (Scottish Intercollegiate Guidelines Network 2010).

Zur Linderung von Fieber, Kopf- und Halsschmerzen (▶ FAKT) sind 400 mg Ibuprofen 3×/d zu empfehlen, bei Kindern eine adäquate Dosis von Paracetamol, alternativ Ibuprofen (EvG A). Für eine adjuvante Lokaltherapie gibt es keine Evidenz.

Bei rekurrierender GAS-Pharyngitis empfiehlt die DEGAM-LL eine Behandlung mit Penizillin V oder einem Cephalosporin der ersten Generation wie Cefadroxil oder Cefalexin über 10 Tage.

Der chronischen Pharyngitis liegt meist eine über längere Zeit bestehende Exposition gegen bestimmte Auslöser zugrunde (z. B. Nikotin, Alkohol, Staub, Chemikalien, Medikamente, Reizgase, Reflux von Magensaft oder Mundatmung bei Obstruktion der Nasengänge) (Klimek et al. 2011).

Eine Wiederzulassung zu Gemeinschaftseinrichtungen kann bei einer Antibiotikatherapie und ohne Krankheitszeichen ab dem 2. Tag erfolgen, ansonsten nach Abklingen der Krankheitssymptome. Ein ärztliches Attest ist nicht erforderlich (RKI 2009).

4.1 Tonsillitis

Die akute Mandelentzündung (▶ FALL) stellt den Allgemeinarzt bezüglich ihrer ätiologischen Zuordnung immer wieder vor Probleme: Vom Aspekt her ist es dem Arzt nicht möglich zu entscheiden, welche Erreger (Bakterien, Viren, Pilze) zugrunde liegen.

Mandelbeläge können bei allen Halsschmerzen mit und ohne Fieber auftreten.

Eine „eitrige Tonsillitis“ gibt es nicht. Der Begriff suggeriert fälschlicherweise, dass weiße (oder gelbliche) Beläge auf den Tonsillen (▶ FOTO) Beweis für eine „pyogene Infektion“ seien, und dass deswegen eine antibiotische Therapie indiziert sei.

Die meisten bakteriellen Tonsillitiden werden durch β-hämolysierende Streptokokken der Gruppe A (GAS) verursacht. Finden sich kleine Bläschen auf den Tonsillen, ist eine akute Infektion durch Herpes- oder Coxsackieviren wahrscheinlich.

Bei Kindern mit Mandelentzündung können Bauchschmerzen mit Übelkeit und Erbrechen im Vordergrund stehen.

Die Tonsillitis acuta muss abgegrenzt werden gegen:

  • Akute Pharyngitis (Tonsillitis wenig oder kaum ausgeprägt) (Abschn. 2.4),

  • Scharlach (typisches Exanthem, Himbeerzunge; später Schuppung an Handflächen und Fußsohlen; Abschn. 1.4; Abschn. 13.5),

  • Mononucleosis infectiosa (▶ Abschn. 2.4.2),

  • Angina Plaut-Vincent .

Die Tonsillitis chronica verursacht häufig typischerweise Schmerzen, die in das Ohr (die Ohren) ausstrahlen. Die Indikation zur Tonsillektomie sollte im Erwachsenenalter besonders streng gestellt werden.

Der Peritonsillarabszess ist die häufigste Komplikation der entzündlichen Mandelerkrankungen (an der Grenze der regelmäßigen Häufigkeit). Er tritt nach symptomfreiem Intervall auf. In der Allgemeinpraxis sieht der Arzt meist nur noch den Abszess, ohne zuvor eine Tonsillitis behandelt zu haben.

Bei protrahiertem Verlauf einer eitrigen Angina tonsillaris ist an den AGV eines Peritonsillarabszesses zu denken (besonders bei Rauchern!).

Die Ulzerationen bei der weit jenseits der regelmäßigen Häufigkeit liegenden Plaut-Vincent-Angina sind in der Regel wenig eindrucksvoll, die grau-grünlichen Beläge dagegen sind auffallend.

Wenn bei einer Plaut-Vincent-Angina das Ulkus 2–3 Wochen persistiert, muss ein Karzinom ausgeschlossen werden.

Eine spezifische Behandlung der Mandelentzündung ist – außer bei A-Streptokokken-Tonsillitis – nicht erforderlich. Der Goldstandard ist Penizillin V 100.000 IE/kg KG in 2 (bis 3) Einzeldosen für 10 Tage. Ob durch eine kürzere Therapiedauer die nicht suppurativen Komplikationen (langfristig) zunehmen, ist nicht geklärt. Da innerhalb von 24 h nach Therapiebeginn eine Besserung der Symptomatik eintritt (ansonsten war die „Diagnose“ falsch), geben die meisten Eltern ihren Kindern das Penizillin ohnehin nur für wenige Tage.

Aminopenizilline sind zu vermeiden wegen der Möglichkeit eines sog. pseudoallergischen Exa nthems . Sollte nämlich bereits ein klinisch nicht unterscheidbares Mononukleosebild vorliegen (▶ FALL in  Abschn. 2.1.10), so könnte es zu einer solchen (fälschlicherweise bezeichneten) „Penizillinallergie“ kommen.

Durch die Gabe von Penizillin lässt sich zwar die Häufigkeit des akuten rheumatischen Fiebers reduzieren, nicht jedoch die Häufigkeit der (extrem seltenen) postinfektiösen Glomerulonephritis (▶ FAKT).

Für die streptokokkenbedingte Glomerulonephritis als Folgeerkrankung gibt es keine ursächlich wirksame Therapie. Es ist also völlig ausreichend, mit der vertieften Diagnostik so lange zu warten, bis entsprechende Symptome aufgetreten sind. Ein solches Vorgehen ist möglicherweise sinnvoller, als Eltern über Wochen und Monate hinweg darüber bangen zu lassen, ob ihr Kind tatsächlich eine Niereninsuffizienz entwickeln wird (Schmitt 2002).

Nach Penizillintherapie sind „Folgeabstriche“ zum Nachweis von A-Streptokokken nicht indiziert. Ähnliche Überlegungen gelten für die Urinkontrolle auf Proteinurie (▶ FAKT).

Die Entscheidung zur Tonsillektomie kann sich an der schottischen Leitlinie mit EvG A orientieren (Scottish Guidelines 2010) (▶ FAKT):

  • Bei Erwachsenen mit wiederkehrenden schweren Episoden: Eingriff empfohlen.

  • Bei Kindern mit wiederkehrenden milden Halsschmerzen: Abwartendes Offenlassen.

Die Tonsillektomie gehört in Deutschland zu den häufigsten chirurgischen Eingriffen. Wegen der Gefahr der postoperativen Nachblutung (am 1. oder 5. postoperativen Tag!) sollte die Tonsillektomie möglichst stationär mit 1-wöchigem Klinikaufenthalt durchgeführt werden.

Die Entfernung der Tonsillen erbringt bei Erwachsenen eine signifikante Verbesserung der Lebensqualität und des Gesundheitszustandes (Senska et al. 2010).

4.2 Infektiöse Mononukleose

Bei sehr hohem Fieber bei Jugendlichen (verbunden mit retronuchaler und/oder submandibulärer und/oder axillärer Lymphknotenvergrößerung sowie mit Halsweh) und Mandelentzündung mit auffallenden („diphtheroiden“) Belägen (vor allem bei Jugendlichen) sollte der Hausarzt eine infektiöse Mononukleose (Pfeiffer-Drüsenfieber , Monozyten-Angina ) in Betracht ziehen. Hinzu kann eine Vielzahl weiterer Symptome, wie Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen, Ausschlag sowie Leber- und Milzvergrößerung (in ca. 70 %) kommen; bei Erwachsenen finden sich gelegentlich Petechien am Gaumen.

Bei Kindern verläuft die Erkrankung häufig inapparent.

Als Erreger wurde 1964 das Epstein-Barr-Virus (EBV) bei Patienten mit Burkitt-Lymphom entdeckt. Es ist weit verbreitet und gehört neben Herpes simplex (HSV) , Varicella-Zoster-Virus (VZV) und Zytomegalievirus (CMV) zur Gruppe der humanpathogenen (DNS-)Herpesviren.

Der erste Ansteckungsgipfel liegt zwischen dem 1. und 3. Lebensjahr mit häufig asymptomatischem oder subklinischem Verlauf. Zwischen dem 14. und dem 20. Lebensjahr ist ein zweiter Ansteckungsgipfel mit dem Krankheitsbild der infektiösen Mononukleose („kissing disease“) bzw. eine Reaktivierung zu beobachten.

Nach der ersten Infektion persisistiert das EBV lebenslang in B-Lymphozyten und Epithelzellen des Nasen-Rachen-Raumes. Somit bleibt jeder Infizierte ein Virusträger.

In seltenen Fällen kann es zu schwerwiegenden Komplikationen, wie Pneumonie, Meningoenzephalitis, Myokarditis oder Milzruptur, kommen. Charakteristisch im Differenzialblutbild sind Leukozytose und monozytoide Lymphozyten (Pfeiffer-Zellen, „buntes Bild“).

Der Nachweis von Antikörpern gegen verschiedene Virus-Antigengruppen ermöglicht die Differenzierung von frischen, alten und reaktivierten Infektionen, ergibt aber auch Hinweise auf EBV-assoziierte Tumore (▶ FAKT). Der Nachweis heterophiler Antikörper (Paul-Bunnell-Test ) hat aufgrund schlechter Sensitivität vor allem im Kindesalter an Bedeutung verloren. Als Goldstandard der serologischen EBV-Diagnostik gilt noch immer die Immunfluoreszenz.

1987 wurde erstmals ein Syndrom beschrieben, welches durch das streng periodische Auftreten bestimmter Symptome charakterisiert und mit dem Akronym PFAPA-Syndrom (Periodisches Fieber, Aphthöse Stomatitis, Pharyngitis und Lymphadenopathie) in die Literatur eingegangen ist (▶ FAKT).

5 Heiserkeit

Die isolierte Heiserkeit (A) ergibt sich als BE vorwiegend bei jüngeren Erwachsenen. Der Patient kommt schon nach ganz wenigen Tagen der Erkrankung zum Arzt. Die Stimme ist heiser, die Racheninspektion unauffällig.

Im Allgemeinen klingt eine Heiserkeit mit und ohne verifizierter Laryngitis im Verlauf von 2–3 Wochen wieder ab.

Die akute Laryngitis ist die häufigste Ursache von Heiserkeit im Rahmen eines fieberhaften Infektes (Absenkung der Sprechstimme, Schmerzen beim Sprechen). Therapie: Absolute Stimmruhe (auch nicht flüstern!) für einige Tage, reichlich trinken, NSAR, ggf. Antibiotika.

Die häufigste Stimmstörung, die funktionelle Dysphonie, ist charakterisiert durch wechselnde Heiserkeit, die vor allem bei psychischer Belastung auftritt.

Bei Heiserkeit, ggf. mit Räusperzwang, Kloßgefühl, nächtlichem oder morgendlichem Husten, sollte an eine Refluxlaryngitis gedacht werden.

Innerhalb kurzer Zeit heiser gewordene ältere Menschen , ob Raucher oder nicht, die weder UF noch eine AFAR, noch Luftwegekatarrhe ohne Allgemeinerscheinungen aufweisen, sind sofort in den spezialistischen Bereich zur Diagnostik zu überweisen. Dasselbe gilt für Kinder und sonstige leicht kranke Erwachsene, bei denen sich nach 1 Woche Beobachtung keine Besserung der Beschwerden einstellt.

6 Schnupfen und kombinierte Luftwegekatarrhe

Die Mehrzahl der Patienten mit isoliertem Schnupfen (afebrile Rhinitis ; A) sucht den Arzt nicht auf (▶ FAKT). Der Nasenfluss wird vom Patienten eher als störend denn als gefährlich empfunden und mit Hausmitteln selbst behandelt.

Die tiefschürfende Abklärung des Schnupfens ist nur bei Verdacht auf allergiebedingten Schnupfen oder bei Verdacht auf Fremdkörper indiziert.

Für das Kleinkind und noch viel mehr für den Säugling stellt der akute Schnupfen eine oft ernste Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens dar; deshalb kann auch von einer „Schnupfenkrankheit“ gesprochen werden. Die jährliche Inzidenz liegt zwischen 2 und 20 Erkrankungen; kleinere Kinder erkranken häufiger als ältere.

10–15 % der sonst gesunden Kinder haben > 12 Erkältungen/J, ohne dass dies einen Immundefekt nahelegen würde (Tarr et al. 2011) (▶ FAKT).

Die Übertragung von respiratorischen Viren geschieht am häufigsten durch direkten Kontakt (via Hände und weniger über Aerosole).

Bei 370 (mithilfe des „Fieber-Programms“, ▶ Checkliste Nr. 1; Abb. 2.2) untersuchten Patienten wurde in 201 Fällen (54 %) UF und bei 127 Patienten (34 %) eine AFAR klassifiziert. Bei 11 % der Fälle ließ sich nicht erheben, ob die Temperatur gemessen wurde. In beiden Gruppen litten rund 70 % der Patienten an Schnupfen. Bei über zwei Drittel der Patienten – ob mit oder ohne Fieber – war also Schnupfen vorhanden (Landolt-Theus 1986).

Ein Teil der Patienten mit Schnupfen glaubt, die Ursache des Schnupfens zu kennen. Diese Erkrankten kommen zum Arzt und geben von vornherein an, dass sie unter „Heuschnupfen“ oder unter einem „allergischen Schnupfen“ leiden. Sie wollen entweder die erprobte Therapie fortsetzen oder wünschen eine Abklärung der Ursache.

Aus der Verlaufsdauer lässt sich manchmal auch auf die Art des Schnupfens schließen:

  • Allergisch: Schnupfendauer entsprechend der Dauer des Pollenflugs

  • Nichtallergisch: in der Regel Abheilung innerhalb weniger Tage

  • Chronisch: praktisch dauernd verstopfte oder rinnende Nase

Bei akuter Rhinosinusitis verkürzen abschwellende Nasensprays zwar den Krankheitsverlauf nicht, lindern jedoch die behinderte Nasenatmung. Topische kortisonhaltige Nasensprays weisen eine sehr gute Evidenz für Symptomlinderung und beschleunigte Ausheilung auf. Den Phytotherapeutika Myrtol, Sinupret und Cineol wurde in qualitativ hochwertigen Studien eine signifikante Überlegenheit gegenüber Placebo nachgewiesen. Nicht empfohlen zur Mukolyse werden chemisch definierte Substanzen wie Acetylcystein und Ambroxol (HNO-LL Rhinosinusitis 2010). Indikationen für den Einsatz von Antibiotika in (▶ FAKT).

Die kombinierten Luftwegekatarrhe grenzen sich vom UF und der AFAR durch fehlende Allgemeinerscheinungen ab.

Der betroffene Patient klagt in solchen Fällen über Schnupfen und/oder Halsschmerzen und/oder Heiserkeit und/oder Husten ohne Allgemeinerscheinungen.

Catarrhal child “ nennt man im englischsprachigen Raum einen „ewig“ verschnupften und hustenden, gelegentlich fiebernden kleinen Patienten. Früher oder später erhebt sich für die Eltern die Frage, ob es denn da wirklich keine Hilfe gibt. Zu diesem Zeitpunkt liegen schon verschiedene erfolglose therapeutische Bemühungen hinter ihnen.

Im spezialistischen Bereich gibt es z. B. die Bezeichnungen „Rhinobronchitis “ oder „Tracheobronchitis “. Damit wird ausgedrückt, dass verschiedene „Etagen“ des Luftwegeapparates (ggf. in wechselnder Intensität und Reihenfolge) betroffen sein können („Etagenwechsel“).

7 Kruppbilder

Notfälle im Kehlkopfbereich, die mit inspiratorischer Atemnot einhergehen, sind in der Allgemeinpraxis von heute – im Unterschied zur Nachkriegszeit – nicht mehr regelmäßig häufig.

Aufgrund der gegenwärtigen epidemiologischen Situation ist der echte (diphtherische) Krupp eine extreme Rarität mit einem Vorkommen von weit seltener als 1:100.000 Praxisfällen.

Etwa 1-mal unter 10.000 Fällen wird der Allgemeinarzt mit der akuten stenosierenden (subglottischen) Laryngotracheitis („Pseudokrupp Footnote 2 ) konfrontiert; sie tritt, wie das UF, jedoch mit Stridor als dominierendem Symptom auf (▶ FALL). Als Rarität kann es einen solchen Pseudokrupp auch bei Smog, Keuchhusten usw. geben.

Diese verschiedenen Bezeichnungen der Laryngotracheitis im Laufe der letzten 100 Jahre zeigen einmal mehr die Wechselhaftigkeit fachsprachlicher Bezeichnungen (Abschn. 3.6.1).

Beim Pseudokrupp kommt es unter mehr oder weniger schweren Allgemeinerscheinungen meist sehr rasch zu bellendem Husten mit Stridor und Heiserkeit bis hin zur Aphonie. Das charakteristische Symptom Stridor (▶ FAKT) tritt meist plötzlich, nachts oder in den frühen Morgenstunden auf. Rezidive kommen vor. Ursache ist eine virale Infektion, in der Regel mit Parainfluenzaviren.

Die perakute (supraglottische) Epiglottitis tritt im Verhältnis zur akuten stenosierenden (subglottischen) Laryngotracheitis in jedem 10. Fall, also noch viel seltener, auf; sie ist bakteriell verursacht, meist durch Haemophilus influenzae B (HiB) . Dank der entsprechenden Impfung haben Epiglottitisfälle deutlich abgenommen.

Die Erkrankung ist charakterisiert durch ihre Schwere, die den Patienten meist aus voller Gesundheit heraus trifft (Tab. 2.4). Die Epiglottitis ist in der Regel, die bakterielle Laryngotracheitis in den meisten Fällen von Fieber begleitet. Die Sprache ist kloßig. Der Altersgipfel der extrem seltenen Epiglottitis liegt gewöhnlich bei 3–5 Jahren. Diese „Kinderkrankheit “ kann jedoch auch Erwachsene befallen.

Tab. 2.4 Unterschiede zwischen der stenosierenden (subglottischen) Laryngotracheitis (früher „Pseudokrupp“) und der akuten (supraglottischen) Epiglottitis

Entscheidend für die Schwere des Krankheitsbildes (und damit für dessen Dramatik) ist der Grad der Atemnot . Atemnotzeichen sind:

  • Nasenflügeln,

  • Einziehungen (jugulär, subkostal, sternal),

  • Zyanose,

  • Lethargie oder Agitation,

  • Stridor bei ruhigem Kind.

Achtung: Hochakute Lebensgefahr bei Epiglottitis! Sofortige stationäre Einweisung mit Notarzt unter Sauerstoffgabe! Cave: Sedierung und Racheninspektion bei fehlendem inspiratorischen Stridor (epiglottitisches Ödem! Gerrish et al. 1987).

Die Therapie des viralen Krupp besteht zunächst aus der Beruhigung des Kindes auf dem Schoß der Eltern. Metaanalysen zeigen die sehr gute Wirksamkeit der schleimhautabschwellenden Inhalation von 2 mg Adrenalin per Vernebler. Auch die Inhalation eines Kortikoids, z. B. 2 × 1 mg Budesonid, ist in der internationalen Literatur als wirksam beschrieben (▶ FAKT).

Für die Inhalation von feucht(-warmer) (Raum-)Luft gibt es kaum Evidenz, die Erfahrung zeigt aber eine Beruhigung der ganzen Familie. Dagegen lässt sich durch eine Sauerstoffdusche (8 l/min) zumeist eine ausreichende Oxygenierung (Sauerstoffsättigung muss > 90 % bleiben) des auf dem Schoß der Mutter sitzenden Kindes aufrechterhalten, ggf. wird diese durch eine assistierende Maskenbeatmung in dieser Position ergänzt.

Bei Stridor (▶ FAKT) im Rahmen eines akuten, sonst uncharakteristischen fieberhaften Geschehens empfiehlt sich die ▶ Checkliste Nr. 5 („Pseudokrupp-Programm“ in ▶ FAKT).

Auch ein HiB-geimpftes Kind kann eine Epiglottitis entwickeln.

8 Fieberkrampf

Fieberkrämpfe (Fraisen ) treten als Anfälle bei überwiegend normal entwickelten Kindern im Säuglings- und Kleinkindesalter (zwischen 3 Monaten und 5 Jahren) auf. Sie sind in den letzten 50 Jahren seltener geworden, derzeit nicht mehr regelmäßig häufig.

Da diese Krämpfe nur bei Fieber (meist < 39°C) vorkommen, sind sie mit epilepsiebedingten Anfällen nicht zu verwechseln. Eine familiäre Disposition wird diskutiert. Die Angehörigen rufen in höchster Besorgnis den Arzt; wenn er eintrifft, ist der Krampfanfall für gewöhnlich vorbei. Der Anfall dauert in der Regel 1–3 min.

Der „einfache Fieberkrampf“ ist charakterisiert u. a. durch die primär generalisierte Anfallsform und unterscheidet sich dadurch phänomenologisch nicht von einem Grand Mal bei Epilepsie . Postparoxysmal treten i. Allg. keine Paresen auf; die Anfälle ereignen sich 1-mal innerhalb von 24 h und insgesamt höchstens 4-mal (▶ FAKT).

Der „komplizierte Fieberkrampf“ dauert länger als 20 min, oder es treten Anfallsserien auf.

Fieberkrämpfe von über 10 bis 15 min Dauer sind Notfälle! Bei jedem Krampfanfall unter Fieber ist stets an eine entzündliche Erkrankung des Zentralnervensystems (ZNS) zu denken. Im Zweifelsfall Lumbalpunktion!

Seltene, offensichtlich bedrohliche Fälle sollten unverzüglich ins Krankenhaus eingewiesen werden. Ist ein solches Ereignis zum ersten Mal aufgetreten, so ist der Hausarzt ebenfalls gut beraten, die Verantwortung mit dem Spezialisten zu teilen (ambulant oder stationär), letztlich zur Beruhigung der Angehörigen.

Frühestens 8 Tage nach dem Krampfanfall empfiehlt sich die Ableitung eines Elektroenzephalogramms (EEG), da ein Übergang in ein zerebrales Anfallsleiden möglich ist.

Die Therapie besteht zunächst in der Beruhigung der Angehörigen. Mittel der Wahl in der medikamentösen Behandlung ist Benzodiazepin. (Diazepam 0,3–0,7 mg/kg KG i.v., alternativ: Clonazepam (Rivotril 0,01–0,07 mg/kg KG i.v.). Midazolam kann buccal verabreicht werden.

Die Gabe von antipyretischen Mitteln zur Vermeidung von Fieberkrämpfen ist zwecklos. In 90 % der Fälle ist es nicht erforderlich, den selbst limitierenden Anfall zu behandeln. Rektal applizierbares Diazepam (Rectiole®) entlastet jedoch Kind, Mutter und Arzt.

Von besonderer Wichtigkeit bleiben jedoch für den Hausarzt die Aufklärung und die Führung der Angehörigen sowohl im Hinblick auf einen möglichen späteren erneuten Anfall, aber auch im Hinblick auf anstehende Impfungen, die prinzipiell ein sog. Impffieber hervorrufen können.

Das Risiko für ein Fieberkrampfrezidiv liegt durchschnittlich bei 30 %. Ein erhöhtes Risiko besteht dann, wenn eine Belastung der Elterngeneration und/oder der Geschwister mit Fieberkrämpfen vorliegt oder der erste Fieberkrampf während des 1. Lebensjahres aufgetreten ist. Die Prognose ist in der Regel günstig: Etwa 60 % der Fälle treten nach dem 5. Lebensjahr nicht mehr auf. In 3-4% der Fälle ist ein Fieberkrampf der Anfang einer späteren Epilepsie (▶ Abschn. 12.8.1).

9 Thematik des Fachgesprächs

9 Aufgabe

Besprechen Sie die in der ▶ Übersicht 2.1 aufgeführten BEs „uncharakteristisches Fieber (UF), afebrile Allgemeinreaktion (AFAR), Luftwegekatarrhe, Tonsillitis“ anhand der nachfolgenden Fragen. Verwenden Sie dazu auch im Einzelfall die Zusatzinformationen zu unserem Wissensportal „Fakten – Fälle – Fotos“ im Internet.

Übersicht 2.1 Beratungsergebnisse, die mit oder ohne Fieber einhergehen können

  • Regelmäßig häufig in der Allgemeinmedizin

    • UF

    • Influenza-Bild

    • Afebriler Husten

    • AFAR

    • Afebrile Luftwegekatarrhe (obere und/oder untere Luftwege)

    • Afebrile Pharyngitis (= Halsschmerzen mit Entzündungszeichen)

    • Angina tonsillaris

    • Afebrile Rhinitis (Schnupfen)

    • Afebrile Halsschmerzen, ohne Befund

    • Afebrile Laryngitis

    • Heiserkeit

    • Afebrile Bronchitis

    • Mononukleose

  • Nicht regelmäßig häufig (= unter 1:3.000 Fälle)

    • Kruppbilder

    • Fieberkrämpfe (Fraisen)

    • Angina Plaut-Vincent

    • Peritonsillarabszess

    • Impffieber

    • Malariabild

    • Kawasaki-Syndrom

    • Hantavirus-Infektion

9 Beispielhafte Fragen

  1. 1.

    Erster Eindruck des Arztes vom Kranken (z. B. „schwer krank“).

  2. 2.

    Fieberhöhe, Fieberdauer, Temperaturschwankungen.

  3. 3.

    Art der Temperaturmessung (axillar, rektal, sublingual, Ohr).

  4. 4.

    Sonstige Allgemeinerscheinungen (z. B. Appetitlosigkeit, Schlaflosigkeit).

  5. 5.

    Kontaktfragen (z. B. „schon gehabt?“).

  6. 6.

    Örtliche Symptome (z. B. Husten, Auswurf, Halsschmerzen, Gliederschmerzen).

  7. 7.

    Mutmaßung des Patienten (z. B. Ansteckungsquelle).

  8. 8.

    Bisherige Therapie inklusive Selbstmedikation (z. B. Fieberzäpfchen, Wickel).

  9. 9.

    Optimale körperliche Untersuchung (z. B. Kopfbeugung bei Sitzenden, Otoskopie bei Kindern, Palpation von regionalen Lymphknoten, Palpation des Abdomens).

  10. 10.

    Programmierte Diagnostik.

  11. 11.

    Labordiagnostik (beim Allgemeinarzt, durch den Spezialisten).

  12. 12.

    Einsatzzeitpunkt und Aussagekraft bildgebender Verfahren (z. B. Sonographie, Röntgenaufnahme).

  13. 13.

    Beispiele für Erreger und Auswahl der entsprechenden Antibiotika.

  14. 14.

    Abwartendes Offenlassen in geteilter Verantwortung mit dem Patienten („wie lange?“) (z. B. Warnhinweise).

  15. 15.

    Überweisung zum Spezialisten, stationäre Einweisung, erste Notfallmaßnahmen.

  16. 16.

    Beispiele für Fallstricke und AGVs (z. B. Appendizitis, Pneumonie).

  17. 17.

    Empfehlungen und Informationen an den Patienten/die Eltern (z. B. Bettruhe, Diät, Arbeitsunfähigkeit, Schulsportbefreiung, verstärkte Flüssigkeitszufuhr), lokal (z. B. Gurgeln), systemisch (auch Chemotherapeutika), physikalisch (z. B. Brust- und Wadenwickel , aufsteigendes Bad, Prießnitz-Wickel ).