Zusammenfassung
In seinem gleichnamigen Roman führt Hermann Hesse das Glasperlenspiel ein, als ein im Grunde kosmisches Spiel in einem symbolischen Universum, das kürzlich mit dem „neur [on] alen Netzwerk des kosmischen Geistes“ selbst verglichen worden ist. In diesem Spiel scheinen alle uns heute bekannten Spiele ihrer wesentlichen Struktur gemäß in einem zusammengefasst. Das Glasperlenspiel erweist sich deshalb bei genauerer Betrachtung als Meta-Spiel, als Proto-Spiel und spielerisches Paradigma des Spielens zugleich. Es umfasst als seine Spielregeln alles das, was im Kern die reflektierende Tätigkeit des Menschen inmitten der Welt ausmacht. Insofern greift es auf alle jene Gebiete der Wissenschaften und Künste aus, welche als Inventar zur Orientierung menschlichen Denkens bereitstehen. Hesse selber beschreibt die Spielregeln im Roman als Zeichensprache und Grammatik des Spieles, eine Art Geheimsprache darstellend, an welcher mehrere Wissenschaften und Künste, namentlich aber die Mathematik und die Musik teilhaben. Wie Hesse weiter formuliert: „Das Glasperlenspiel ist also ein Spiel mit sämtlichen Inhalten und Werten unserer Kultur, es spielt mit ihnen, wie etwa in den Blütezeiten der Künste ein Maler mit den Farben seiner Palette gespielt haben mag.“ In unserer heutigen Zeit ist die Vorstellung einer solchen, spielerischen Simulation der Welt weit geläufiger geworden als das zur Zeit Hesses noch der Fall sein konnte. Unsere heutige Eigentümlichkeit, die Welt in strenger Analogie zum Computer zu denken und damit den Begriff des Computers selbst zum leitenden Paradigma der Welterfassung zu machen, erleichtert es beträchtlich, Prozesse als solche zu verstehen, die in einer spielerischen Konstruktion hervorgebracht werden. In diesem Sinne erscheint uns heute die Welt als ein gleichsam programmiertes Ergebnis einer Matrix, die sich zu dem, was wir als Welt wahrnehmen und kognitiv zu erfassen imstande sind, verhält, wie das Hauptprogramm eines Computers (sein Master-Programm) zu einem seiner Teilprogramme. Ebenso bereitet uns auch der Simulationsaspekt selbst keine großen Probleme mehr, weil wir zwischenzeitlich gelernt haben, in welchem Sinne unsere gesamte Wahrnehmung ohnehin nichts weiter ist als eine immer schon interpretierende Abbildung, sodass deren kognitive Verarbeitung vieles mit dem Prozess der Simulation gemeinsam hat. Es kann also nicht mehr ernsthaft um die Frage einer möglicherweise eingeschränkten Authentizität der Wahrnehmung gehen.
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Notes
- 1.
Cf. www.glassbeadgame.com.
- 2.
Hermann Hesse: Das Glasperlenspiel. [GPS] Suhrkamp, Frankfurt a. M., 1971, 2 Bde. (1943) I, 13.
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Zimmermann, R.E., Wiedemann, S.M. (2012). Vorrede. In: Kreativität und Form. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-27521-0_1
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