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Testamentsauslegung bei Papinian

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Book cover Argumenta Papiniani

Zusammenfassung

Entgegen einer verbreiteten Ansicht waren der Wortlaut einer letztwilligen Verfügung und der Wille des Erblassers in der Lehre der Hochklassiker keineswegs Gegensätze, über deren Rangverhältnis die Juristen von Mal zu Mal befanden. Wie sich insbesondere an Celsus’ bekanntem Traktat zur Auslegung eines supellex-Legates (D. 33,10,7,2) und den Entscheidungen zum error eines Erblassers (D. 28,5,9pr.-5, D. 30,4pr.) zeigt, waren die verba des Testaments und die voluntas des Erblassers für die hochklassischen Juristen gleichbedeutende Elemente einer wirksamen Verfügung. Diese musste von der Vorstellung des Erblassers getragen sein, die auch dann, wenn sie ungewöhnlich war, stets Beachtung fand, solange sie nicht dem großzügig verstandenen Wortlaut widersprach. War sie nicht mit ihm zu vereinbaren, scheiterte ihre Verwirklichung an der ungenügenden Form ihrer Erklärung. In dem häufigen Fall, dass sich der individuelle Erblasserwille nicht ermitteln ließ, orientierten sich die hochklassischen Juristen an der typischen Absicht eines vernünftigen Erblassers. Diese ergab sich entweder aus dem objektiven Sinn der Verfügung oder aus bestimmten Tendenzen wie etwa dem favor testamenti oder dem favor libertatis, die sich dem Erblasser als Haltungen eines rational handelnden vir bonus unterstellen ließen.

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Notes

  1. 1.

    Vgl. Harke, Verba und voluntas – was bedeutet Testamentsauslegung für die Hochklassiker, in: ders. (Hg.), Facetten des römischen Erbrechts, Berlin/Heidelberg 2012, S. 55 ff.

  2. 2.

    Zur Einordnung des Textes in das rhetorische Werk Papinians Babusiaux, Papinians quaestiones, München 2011, S. 216.

  3. 3.

    Vgl. Voci, Diritto ereditario romano, Bd. 2, 2. Aufl., Mailand 1963, S. 127.

  4. 4.

    Zu dem Fragment eingehend Babusiaux (Fn. 2), S. 81 ff., 253 f.

  5. 5.

    Über das Verhältnis zu Julians Entscheidung in D. 30,84,2 (33 dig) Voci (Fn. 3), S. 259 Fn. 37, der eine Kürzung des Originalauszugs aus dem julianischen Werk annimmt.

  6. 6.

    Vgl. Babusiaux (Fn. 2), S. 183 f.

  7. 7.

    Dies nimmt Voci (Fn. 3), S. 955 an.

  8. 8.

    Dort ging es um die Frage, ob die Pupillarsubstitution auch die Vulgarsubstitution einschließt; vgl. Cicero, De oratore 1.180.

  9. 9.

    Wieling, Testamentsauslegung im römischen Recht, München 1972, S.166 nimmt eine Entscheidung aufgrund des favor uxoris an.

  10. 10.

    Hierfür spricht, dass es eine ähnliche Argumentation in D. 35,1,72pr. gibt; s. u. S. 71 f.

  11. 11.

    Manthe, Ethische Argumente im Werk Papinians, OIR 10 (2005) 143, 147 f.

  12. 12.

    Vgl. Voci (Fn. 3), S. 171.

  13. 13.

    Vgl. Voci (Fn. 3), S. 256.

  14. 14.

    Stagl, Favor dotis, Wien u. a. 2009, S. 113 macht hier eine Rücksicht auf den favor dotis aus.

  15. 15.

    Zur Entdeckung des hypothetischen Erblasserwillens durch Papinian Manthe, OIR 10 (2005) 143, 146 ff.

  16. 16.

    Voci (Fn. 3), S. 961 hält diese Passage für interpoliert, glaubt aber, Papinian habe ebenso entschieden.

  17. 17.

    Dass diese leicht zu finden ist, sagt Papinian in dem Zitat bei Ulpian in D. 33,7,12,43 (20 ed): … sed et ipse Papinianus eodem libro responsorum ait patrem mercatorem ac faeneratorem, qui duos filios totidemque filias heredes instituerat, ita legasse: ‚filiis maribus domum meam instructam do lego darique iubeo‘, merces et pignora an contineantur, quaeri posse: sed facilem iudici voluntatis coniecturam fore ceteris patris facultatibus examinatis.

  18. 18.

    Vgl. Wieling (Fn. 6), S. 181.

  19. 19.

    Vgl. Voci (Fn. 3), S. 477.

  20. 20.

    Vgl. Wieling (Fn. 6), S. 181 f.

  21. 21.

    Wieling (Fn. 6), S. 182 erkennt hierin nicht den hypothetischen, sondern einen mutmaßlichen realen Willen des Erblassers.

  22. 22.

    Zur pietas bei Papinian allgemein Manthe, OIR 10 (2005) 143, 151 ff. Wieling (Fn. 6), S. 172 nennt das Pietätsgebot bei der Testamentsauslegung den favor heredum legitimorum.

  23. 23.

    Voci (Fn. 3), S. 904 f. sieht hier den Grundsatz: plus nuncupatum minus scriptum, am Werke; vgl. hierzu Harke (Fn. 1), S. 60 Fn. 7.

  24. 24.

    Richtig Manthe, OIR 10 (2005) 143, 152.

  25. 25.

    Anders ist die Bedeutung von pietas in dem folgenden Fragment, in dem Papinian, wie Babusiaux (Fn. 2), S. 237 richtig bemerkt, eine letztwillige Verfügung nicht auslegt, sondern ihr die Wirkung wegen eines Sittenverstoßes abspricht: Pap. 247 = D 28.7.15 (16 quaest): Filius, qui fuit in potestate, sub condicione scriptus heres, quam senatus aut princeps improbant, testamentum infirmet patris, ac si condicio non esset in eius potestate: nam quae facta laedunt pietatem existimationem verecundiam nostram et, ut generaliter dixerim, contra bonos mores fiunt, nec facere nos posse credendum est. („Die Einsetzung eines gewaltabhängigen Sohnes unter einer Bedingung, die der Senat oder der Kaiser missbilligen, macht das Testament des Vaters ebenso unwirksam wie in dem Fall, dass die Bedingung gar nicht in seiner Macht stünde. Denn was unsere Pietät, unsere Ehre oder unser Anstandsgefühl verletzt, oder, wie ich allgemeiner gesagt habe, gegen die guten Sitten verstößt, gilt für uns als nicht ausführbar.“) Manthe, OIR 10 (2005), 143, 150 f. sieht hier im Ergebnis den Sohn bevorzugt, der den Nachlass wegen der Unwirksamkeit des Testaments nun als Intestaterbe und damit unbedingt erhält.

  26. 26.

    Vgl. zu den weiteren Abschnitten des Fragments, in denen das Thema variiert wird, Babusiaux (Fn. 2), S. 108 ff.

  27. 27.

    Manthe, OIR 10 (2005) 143, 162 glaubt, es handele sich um die natürlichen Kinder des Erblassers, die dieser mit der Vermächtnisnehmerin als seiner ehemaligen Sklavin hatte.

  28. 28.

    Richtig Manthe, OIR 10 (2005) 143, 163 und Babusiaux (Fn. 2), S. 106 f.

  29. 29.

    Ebenso ist die Argumentation in § 1 des Textes, in dem Papinian von einer Kaiserentscheidung zu einem ähnlichen Fall berichtet: Et cum patronus liberto certam pecuniam legasset, si a liberis eius non discessisset, permisit imperator velut mucianam cautionem offerri: fuit enim periculosum ac triste libertum coniunctum patroni liberis eorundem mortem exspectare. Vgl. hierzu Manthe, OIR 10 (2005) 143, 161 f., 164.

  30. 30.

    Zur verecundia bei Papinian allgemein Manthe, OIR 10 (2005) 143, 156 ff.

  31. 31.

    Mit diesem Text befasst sich auch Wieling (Fn. 6), S. 179.

  32. 32.

    Völlig anders Wieling (Fn. 6), S. 204 f., der auch in den Entscheidungen der Hochklassiker den Gegensatz von verba und voluntas als beliebig wählbarer Anknüpfungspunkte für Testamentsauslegung wiederfindet.

  33. 33.

    Hierzu unlängst Babusiaux (Fn. 2), S. 3 f.

  34. 34.

    Babusiaux (Fn. 2), S. 264.

  35. 35.

    Diesen findet in Papinians Werk auch Babusiaux (Fn. 2), S. 23 ff.

  36. 36.

    Hierzu eingehend Babusiaux (Fn. 2) passim.

  37. 37.

    Babusiaux (Fn. 2), S. 265 f.

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Harke, J. (2013). Testamentsauslegung bei Papinian. In: Harke, J. (eds) Argumenta Papiniani. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-27137-3_4

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-27137-3_4

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  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

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