Skip to main content

Sterbehilfe und Behandlungsabbruch

  • Chapter
  • First Online:
Recht im Bereitschaftsdienst
  • 2468 Accesses

Zusammenfassung

Der Arzt im Bereitschaftsdienst kann auch mit Situationen konfrontiert sein, in welchen er darüber zu entscheiden hat, ob ein Patient wiederzubeleben, in die Klinik einzuweisen oder ob die medizinische Behandlung abzubrechen ist. Jahrzehntelang wurde diese Behandlungssituation unter dem Begriff der „Sterbehilfe“ thematisiert. Das nachfolgende Kapitel gibt einen allgemeinen Überblick zur teilweise umstrittenen Situation bis zum Zeitpunkt der für Ärzte und Angehörige klarstellenden Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) im Juni 2010 und der Verankerung des zutreffenden Begriffs „Behandlungsabbruch“ durch den BGH.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this chapter

Chapter
USD 29.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever
eBook
USD 49.95
Price excludes VAT (USA)
  • Available as EPUB and PDF
  • Read on any device
  • Instant download
  • Own it forever

Tax calculation will be finalised at checkout

Purchases are for personal use only

Institutional subscriptions

Notes

  1. 1.

    Ausführlich zur Sterbehilfe u. a. Ulsenheimer, S. 1743 ff.; Deutsch/Spickhoff, S. 417 ff.; Fischer, vor § 211, Rn. 18 ff. Zur Geschichte der Sterbehilfe und zur Rechtsauffassung in anderen Ländern vgl. den Überblick bei Uhlenbruck.

  2. 2.

    BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09; vgl. hierzu nachfolgendes Kap. 9.2.1, S. 176 ff.

  3. 3.

    Vgl. zur Unterscheidung zwischen aktiver und passiver Sterbehilfe die ausführlichen Literatur- und Rechtsprechungsnachweise bei BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09, Rn. 27.

  4. 4.

    Vgl. Uhlenbruck, Fn. 5.

  5. 5.

    Uhlenbruck, Fn. 6–10.

  6. 6.

    Der Begriff „Euthanasie“ bedeutet im eigentlichen Wortsinn „Das gute Sterben“ bzw. nach griechischer Übersetzung „schöner Tod“ und stammt von dem englischen Franziskanermönch und Philosophen Roger Bacon (1214–1294), vgl. Pschyrembel, S. 572 unter „Euthanasie“. Erst durch die Entartungen und Genozid-Taten unter der nationalsozialistischen Diktatur hat der Begriff in Deutschland nicht mehr vertretbare negative Bedeutung erlangt, vgl. Uhlenbruck, Fn. 5.

  7. 7.

    Vgl. hierzu nachfolgendes Kap. 9.1.1, S. 173 und Kap. 9.2.5, S. 180 ff.

  8. 8.

    Vgl. hierzu nachfolgendes Kap. 9.1.2, S. 174.

  9. 9.

    Vgl. hierzu nachfolgendes Kap. 9.1.3, S. 175.

  10. 10.

    Gem. § 16 MBO aktuelle Fassung nach den Beschlüssen des 114. Deutschen Ärztetages in Kiel 2011 als ärztliche Pflicht zulässig und geboten.

  11. 11.

    Vgl. hierzu nachfolgendes Kap. 9.2.5, S. 180 ff.

  12. 12.

    Uhlenbruck, Fn. 6–10.

  13. 13.

    Daher wurde der beratende Anwalt der erwachsenen Kinder einer seit fünf Jahren im Koma liegenden Patientin wegen versuchter Tötung zunächst zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung verurteilt, nachdem er zum Durchschneiden des Ernährungsschlauches der Mutter geraten hatte, vgl. LG Fulda, Urt. v. 30.04.2009 – 16 Js 1/08. Die Entscheidung wurde vom BGH aufgehoben, der Anwalt freigesprochen, vgl. die Darstellung des Falls im nachfolgenden Kap. 9.2, S. 176 ff.

  14. 14.

    Vgl. hierzu nachfolgendes Kap. 9.4, S. 183 ff.

  15. 15.

    § 216 StGB, vgl. auch Ulsenheimer, § 149, Rn. 7; Uhlenbruck, Rn. 12.

  16. 16.

    Ärztinnen und Ärzte dürfen das Leben der oder des Sterbenden nicht aktiv verkürzen. Sie dürfen weder ihr eigenes noch das Interesse Dritter über das Wohl der Patientin oder des Patienten stellen.“ § 16 MBO frühere Fassung, vgl. hierzu weitergehend Scholz, S. 1003.

  17. 17.

    § 16 MBO aktuelle Fassung nach den Beschlüssen des 114. Deutschen Ärztetages in Kiel 2011.

  18. 18.

    Vgl. hierzu auch Kap. 9.4.2, S. 184 f.

  19. 19.

    § 216 Abs. 1 StGB. Der Totschlag nach § 212 StGB wird mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft, der Mord mit lebenslanger Freiheitsstrafe, § 211 StGB.

  20. 20.

    Uhlenbruck, Rn. 15. Es ist nicht einfach, die Tötung auf Verlangen vom Tatbestand der straflosen Beihilfe zur Selbsttötung abzugrenzen. Hierbei kommt es darauf an, wer das zum Tode führende Geschehen tatsächlich beherrscht hat. Hat der Getötete bis zuletzt die freie Entscheidung über sein Schicksal in der Hand behalten, dann hat er sich selbst getötet, wenn auch mit fremder Hilfe, die in diesem Fall straflos bleibt, vgl. Uhlenbruck, Rn. 15 m. w. N.

  21. 21.

    Ulsenheimer, S. 1750, Rn. 12; siehe auch Fischer, vor § 211, Rn. 19 ff.

  22. 22.

    BGH, Urt. v. 15.11.1996 – 3 StR 79/96.

  23. 23.

    § 13 StGB; vgl. hierzu auch Kap. 5.1.3, S. 80 f.

  24. 24.

    §§ 223, 230, 13 StGB. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der Arzt eine entsprechende Garantenstellung (vgl. hierzu Kap. 5.1.3, S. 80 ff.) innehat, indem er die medizinische Behandlung des Patienten verantwortlich übernommen hat.

  25. 25.

    Es empfiehlt sich aus diesem Grunde auch für Ärzte im Bereitschaftsdienst, stets Morphin vorrätig zu haben. Die Verordnung und der Umgang mit Morphin sind im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und der zugehörigen Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BTMVV) geregelt, die der Arzt entsprechend kennen und beachten muss.

  26. 26.

    BGH, Urt. v. 15.11.1996 – 3 StR 79/96.

  27. 27.

    BGH, Urt. v. 15.11.1996 – 3 StR 79/96.

  28. 28.

    BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09; vgl. hierzu nachfolgendes Kap. 9.2.1, S. 176 ff.

  29. 29.

    Uhlenbruck, Rn. 17.

  30. 30.

    Passive Sterbehilfe ist vor allem relevant bei Wachkomapatienten (apallisches Syndrom); vgl. zur Problematik bei bewusstlosen Patienten allgemein Kap. 8.3, S. 147 ff.

  31. 31.

    So im Fall des Abbruchs der künstlichen Ernährung bei einer irreversibel schwerst hirngeschädigten, entscheidungsunfähigen Patientin im Zusammenwirken zwischen dem zum Pfleger bestellten Sohn und dem behandelnden Arzt bereits BGH, Urt. v. 13.09.1994 – 1 StR 357/94. Diese Situation wurde vom BGH nicht einmal als Fall „passiver Sterbehilfe“ i. S. d. Richtlinien für die Sterbehilfe der Deutschen Ärztekammer eingestuft.

  32. 32.

    Vgl. zum mutmaßlichen Willen des Patienten Kap. 8.3.1, S. 147 ff.

  33. 33.

    BGH, Urt. v. 13.09.1994 – 1 StR 357/94, vgl. hierzu auch nachfolgendes Kap. 9.2.4, S. 179.

  34. 34.

    § 16 MBO (alte Fassung) „Beistand für Sterbende“; vgl. hierzu weitergehend Scholz, S. 1003.

  35. 35.

    BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09.

  36. 36.

    LG Fulda, Urt. v. 30.04.2009 – 16 Js 1/08.

  37. 37.

    BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09. Das Abschalten von intensivmedizinischen Geräten (z. B. eines Beatmungsgerätes) ebenso wie die Einstellung der künstlichen Ernährung (z. B. durch Abstellen der entsprechenden Infusionspumpe) waren in der juristischen Literatur von vielen Autoren schon bislang nicht als aktives Töten eingestuft worden, sondern als Unterlassen einer weiteren Behandlung. Denn es macht rechtlich keinen Unterschied, ob ein Arzt die Beatmung mit einem manuellen Beatmungsbeutel einstellt oder die maschinelle Beatmung durch aktives Drücken auf die entsprechenden Schalter eines intensiv-medizinischen Beatmungsgerätes beendet. Dies hat der BGH in seinem Urteil im Interesse der Ärzteschaft, der Angehörigen und der Patienten nun endlich auch höchstrichterlich bestätigt.

  38. 38.

    BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09, Rn. 29.

  39. 39.

    BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09, Rn. 31 m. w. N.

  40. 40.

    BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09, Rn. 31 m. w. N.

  41. 41.

    BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09; so schon zuvor OLG Düsseldorf, Beschl. v. 02.07.2009 – I–25 Wx 25/09.

  42. 42.

    BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09, Rn. 18. m. w. N. aus Literatur und Rechtsprechung.

  43. 43.

    BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09, Rn. 33 m. w. N.

  44. 44.

    BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09, Rn. 33. Dies ergebe sich bereits aus der Wertung der beiden Vorschriften des § 216 StGB (Tötung auf Verlangen) und § 228 StGB (Sittenwidrige Körperverletzung trotz Einwilligung des Verletzten); vgl. hierzu auch nachfolgendes Kap. 9.2.5, S. 180 ff.

  45. 45.

    Vgl. hierzu vorheriges Kap. 9.1.2, S. 174.

  46. 46.

    BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09.

  47. 47.

    Vgl. hierzu Kap. 8.4.1, S. 154 f.

  48. 48.

    Vgl. hierzu auch Kap. 8.3.2, S. 148 f.

  49. 49.

    BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09; so schon BGH, Urt. v. 08.05.1991 – 3 StR 467/90.

  50. 50.

    BGH, Urt. v. 04.07.1984 – 3 StR 96/84, Rn. 32.

  51. 51.

    BGH, Urt. v. 04.07.1984 – 3 StR 96/84, Rn. 32.

  52. 52.

    Vgl. hierzu vorheriges Kap. 9.2.1, S. 176 ff.

  53. 53.

    “Grundsätze der Bundesärztekammer zur ärztlichen Sterbebegleitung“, Stand Januar 2011, vgl. DÄBl. 108: A 347. Die Grundsätze sind auch auffindbar unter www.bundesaerztekammer.de/downloads/Sterbebegleitung_17022011.pdf.

  54. 54.

    Vgl. Präambel der Grundsätze Sterbebegleitung. Die Grundsätze enthalten auch Empfehlungen für den Umgang mit schwerstkranken und sterbenden Kindern und Jugendlichen, vgl. Nr. V Grundsätze Sterbegleitung. Danach haben Minderjährige ab einem Alter von 16 Jahren auch ein Vetorecht gegen die elterliche Entscheidung.

  55. 55.

    Nr. I Grundsätze Sterbebegleitung.

  56. 56.

    Dazu gehören nicht immer Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr, da sie für Sterbende eine schwere Belastung darstellen können. Jedoch müssen Hunger und Durst als subjektive Empfindungen gestillt werden, vgl. Nr. I Abs. 2 Grundsätze Sterbebegleitung.

  57. 57.

    Nr. I Abs. 3 Grundsätze Sterbebegleitung, vgl. hierzu auch Kap. 9.1.2, S. 174 f.

  58. 58.

    Vgl. zur Art und Weise der Aufklärung Kap. 7.3, S. 134 ff.

  59. 59.

    Nr. I Abs. 4 Grundsätze Sterbebegleitung.

  60. 60.

    Abgeleitet aus Art. 1 Abs. 1 und 2 GG, vgl. hierzu Kap. 8.6.1, S. 165 f.

  61. 61.

    BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09, Rn. 35.

  62. 62.

    BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09.

  63. 63.

    BGH, Urt. v. 10.11.2010 – 2 StR 320/10.

  64. 64.

    Vgl. zur Bestellung eines Betreuers Kap. 8.3.3, S. 149 f.

  65. 65.

    BGH, Urt. v. 10.11.2010 – 2 StR 320/10.

  66. 66.

    BGH, Urt. v. 08.05.1991 – 3 StR 467/90.

  67. 67.

    BGH, Urt. v. 08.05.1991 – 3 StR 467/90.

  68. 68.

    Auch das weitere Mordmerkmal der „Ausnutzung von Arg- und Wehrlosigkeit“ liege in diesem Falle nicht vor, da die Tat nicht aus einer feindseligen Haltung gegenüber den Opfern begangen worden sei, sondern die Täterin vielmehr glaubte, zu deren Bestem zu handeln, vgl. BGH, Urt. v. 08.05.1991 – 3 StR 467/90, Rn. 18.

  69. 69.

    BGH, Urt. v. 08.05.1991 – 3 StR 467/90, Rn. 19.

  70. 70.

    Sog. Selbstmord, Freitod; absichtliche Selbsttötung als Reaktion auf eine Lebenskrise, als Ausdruck von Autoaggression od. Sehnsucht nach Beendigung eines Leidenszustandes; häufig auf dem Boden psychischer Störungen (v. a. depressive Störungen u. Schizophrenie, Substanzabhängigkeit); multifaktorielle Genese, vgl. Pschyrembel, S. 1859 unter „Suizid“.

  71. 71.

    Allgemeine Rechtslage und st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 04.07.1984 – 3 StR 96/84.

  72. 72.

    BGH, Urt. v. 04.07.1984 – 3 StR 96/84 m. w. N. Unter Beihilfe zum Suizid versteht man die Unterstützung bei den Vorbereitungen zum Suizid, etwa das Besorgen eines Giftes, solange der Suizident den letzten entscheidenden Moment der Tötung selbst beherrscht und die todbringende Handlung nicht von einer anderen Person als dem Patienten selbst vorgenommen wird: In letzterem Fall wäre die Grenze zur strafbaren Tötung auf Verlangen (§ 216 StGB) überschritten, vgl. hierzu auch vorheriges Kap. 9.1.1, S. 173 f.

  73. 73.

    BGH, Urt. v. 04.07.1984 – 3 StR 96/84.

  74. 74.

    BGH, Urt. v. 04.07.1984 – 3 StR 96/84.

  75. 75.

    Z. B. Belgien, Niederlande, Schweiz. Hier seien vor allem die Laienorganisationen „Exit“ und „Dignitas“ genannt.

  76. 76.

    BGH, Urt. v. 25.06.2010 – 2 StR 454/09; vgl. hierzu Kap. 9.2.1, S. 176 ff.

  77. 77.

    Schöch, S. 954.

  78. 78.

    § 16 MBO in der Fassung der Beschlüsse des 114. Deutschen Ärztetages in Kiel 2011.

  79. 79.

    Vgl. Abdruck dieser Vorschrift im Anhang, S. 399.

  80. 80.

    Vgl. hierzu Kap. 9.4.4, S. 187 f. (Situation in der Schweiz und den Niederlanden) sowie Kap. 9.4.5, S. 188 ff. zum geplanten Verbot der gewerbsmäßigen Sterbehilfe.

  81. 81.

    www.bundesaerztekammer.de/downloads/Synopse_Stand_29.08.11.pdf.

  82. 82.

    http://www.bundesaerztekammer.de/downloads/Sterbehilfe.pdf.

  83. 83.

    Aus www.aerzteblatt.de vom 19.07.2010 (Beitrag 59 von 79). Der öffentlichkeitswirksame Freitod des früheren Fußballprofis und -trainers Timo Konietzka im März 2012 mit Unterstützung der Schweizer Organisation Exit hat allerdings auch in Deutschland die Diskussion wieder angefacht.

  84. 84.

    Vgl. hierzu Kap. 8.6.1, S. 165 ff.

  85. 85.

    Vgl. hierzu nachfolgendes Kap. 9.4.4, S. 187 f.

  86. 86.

    Vgl. hierzu auch Kap. 6.2, S. 100 ff. Zu den Grenzen dieser Pflicht, wenn der Arzt unwiderlegt davon ausgeht, dass die vitalen Funktionen des Organismus aufgrund des Selbstmordversuches so schwer beeinträchtigt sind, dass der fortschreitende Verfall auch bei Wiederbelebung nicht mehr aufgehalten werden kann und zu dem damit verbundenen Konflikt des Arztes zwischen Verpflichtung zum Lebensschutz und Achtung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten, vgl. BGH, Urt. v. 04.07.1984 – 3 StR 96/84.

  87. 87.

    Vgl. www.aerzteblatt.de/nachrichten/49179 (Beitrag vom 20.02.2012: „Mehr Sterbehilfe-Fälle in der Schweiz“).

  88. 88.

    Aus www.aerzteblatt.de/nachrichten/45870, Beitrag vom 17.05.2011.

  89. 89.

    Damit können Sterbehilfeorganisationen wie Dignitas weiter ihre Dienste in Zürich anbieten. Die 1998 gegründete Dignitas begleitete bislang nach eigenen Angaben mehr als 1.100 Menschen beim Suizid, darunter auch rund 600 Deutsche, vgl. www.aerzteblatt.de/nachrichten/45870, Beitrag vom 17.05.2011.

  90. 90.

    Vgl. zum Begriff der Euthanasie S. 172, Fn. 6.

  91. 91.

    Im Jahr 2001 waren es 77 %.

  92. 92.

    Oduncu, S. 445.

  93. 93.

    Sie bestehen aus einem Juristen, einem Arzt und einem Ethiker. In der Praxis kommen sie alle 14 Tage zusammen. Aufgrund der steigenden Zahl der Fälle verbleiben der Kommission jedoch nur vier Minuten Zeit je Fall. Dadurch bleibt die Praxis der Sterbehilfe der staatlichen Kontrolle weitgehend entzogen, vgl. Oduncu, S. 443 ff.

  94. 94.

    Ein Großteil der Fälle aktiver Sterbehilfe wird offensichtlich dennoch nicht gemeldet: Die Angehörigen und der Arzt wollen sich so meist Unannehmlichkeiten mit der Justiz ersparen. Ärzte gaben bei einer Studie auch an, dass nicht immer alle gesetzlich festgelegten Sorgfaltskriterien bei der Sterbehilfe beachtet worden seien. Dies hat zur Folge, dass entgegen der tatsächlichen Umstände im Totenschein eine natürliche Todesursache bescheinigt wird. Auch hatten Ärzte, die Fälle aktiver Sterbehilfe nicht meldeten, in 82 % der Fälle keine Zweitmeinung eingeholt (Oduncu, S. 444). Hinzu kommt, dass bei etwa 20 % der Fälle aktiver Sterbehilfe Komplikationen auftreten, etwa quälende Nebenwirkungen der verabreichten Medikamente wie zerebrale Krämpfe, Übelkeit, Erbrechen und Atemnot, Schwierigkeiten beim Legen des Venenzugangs für die Verabreichung der todbringenden Medikamente oder sogar das Fehlschlagen des Tötungsversuchs, vgl. Oduncu, S. 443 ff.

  95. 95.

    Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Strafbarkeit der gewerbsmäßigen Förderung der Selbsttötung v. 29.08.2012.

  96. 96.

    Dies geschehe beispielsweise durch das Verschaffen eines tödlich wirkenden Mittels und das Anbieten einer Räumlichkeit, in der das Gift anschließend durch die suizidwillige Person, eventuell unter Zuhilfenahme einer speziell hierfür erstellten Apparatur, eingenommen werden könne. Zu denken sei aber auch an Fälle, in denen von Deutschland aus die Gelegenheit vermittelt werde, im Ausland die für eine Selbsttötung notwendigen Mittel und Räumlichkeiten zu erhalten, vgl. Begründung Gesetzesentwurf v. 29.08.2012, S. 4.

  97. 97.

    Diese Kommerzialisierung stelle eine qualitative Änderung in der Praxis der Sterbehilfe dar: Anstatt den Leidenden und Lebensmüden Hilfe im Leben und im Sterben anzubieten, werde das aktive und vermeintlich „einfache“ Beenden des Lebens selbst zum Gegenstand geschäftlicher Tätigkeit gemacht, vgl. Begründung Gesetzesentwurf v. 29.08.2012, S. 5.

  98. 98.

    Denn durch die Kommerzialisierung der Suizidhilfe und ihre Teilnahme am allgemeinen Marktgeschehen könne in der Öffentlichkeit nicht nur der Eindruck entstehen, dass es sich hierbei um eine gewöhnliche Dienstleistung handle, sondern auch für die Selbsttötung selbst könne der fatale Anschein einer Normalität erweckt werden. Ein solches kommerzielles Angebot, zumal wenn es einen vermeintlich „einfachen“ Suizid verspreche, könne z. B. Menschen in einer momentanen Verzweiflungssituation veranlassen, sich für ihre Selbsttötung zu entscheiden und aus einer nur vermeintlich ausweglosen Lage unumkehrbar in den Tod zu gehen, vgl. Begründung Gesetzesentwurf v. 29.08.2012, S. 5.

  99. 99.

    Begründung Gesetzesentwurf v. 29.08.2012, S. 5.

  100. 100.

    Ehe- und Lebenspartner, die nach jahrzehntelangem Zusammenleben den geliebten, todkranken und schwer leidenden Partner zum gewerblich handelnden Sterbehelfer fahren, sollen nach wie vor nicht bestraft werden. Denn ihr Verhalten basiert in dieser extremen Konfliktsituation in der Regel auf – wenn auch von Verzweiflung geprägter – Liebe und Zuneigung und ist Ausdruck einer intimen zwischenmenschlichen Verbindung, in der der Staat nichts zu suchen hat. Dies soll auch für andere dem Suizidwilligen nahestehende Personen gelten, deren auf Dauer angelegte zwischenmenschliche Beziehung ähnliche Solidaritätsgefühle wie unter Angehörigen hervorruft und bei denen deshalb der Suizidwunsch des anderen zu einer vergleichbaren emotionalen Zwangslage führt, vgl. Pressemitteilung Bundesministerium der Justiz v. 29.08.2012 sowie Begründung Gesetzesentwurf v. 29.08.2012, S. 14.

  101. 101.

    Vgl. hierzu ausführlich vorheriges Kap. 9.2, S. 176 ff.

  102. 102.

    Vgl. Pressemitteilung der Bundesjustizministerin vom 29.08.2012 unter www.bmj.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2012/20120829_Verbot_gewerbsmaessig_assistierten_Suizids_ethisch_verantwortungsvoll_diskutieren.html?nn=1356.

  103. 103.

    Vgl. hierzu Kap. 9.1.2, S. 174 f.

  104. 104.

    Vgl. zur Kritik der Ärzteschaft und einiger Juristen zum Gesetzentwurf den Beitrag in www.aerztezeitung.de vom 02.08.2012 „Wenig Sensibilität im Justizministerium?“.

  105. 105.

    BGH, Urt. v. 04.07.1984 – III StR 96/84; OLG München, Beschl. v. 31.07.1987 – 1 Ws 23/87. Karl-Heinz Julius Hackethal (1921–1997) war Chirurg, Befürworter der Sterbehilfe und Autor vieler standeskritischer Bücher. Mitte der 1980er Jahre engagierte sich Hackethal in der Sterbehilfe und für die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben. Er setzte sich für aktive Sterbehilfe ein und bekannte, dass er seiner Mutter eine tödliche Spritze gegeben habe. Aufsehen erregte ein von ihm gedrehter Film, der zeigte, wie er einer schwer an Gesichtskrebs erkrankten Frau Zyankali gab. Zu einer Verurteilung kam es nicht, da die Frau den Becher mit dem Gift selbstständig ausgetrunken hatte, vgl. o.g. Urteile und weiter www.wikipedia.de.

  106. 106.

    Vgl. zur Garantenstellung Kap. 5.1.2, S. 79.

  107. 107.

    BGH, Urt. v. 04.07.1984 – III StR 96/84.

  108. 108.

    BGH, Urt. v. 04.07.1984 – III StR 96/84.

  109. 109.

    BGH, Urt. v. 04.07.1984 – III StR 96/84. Nur wenn der Patient klar erkennbar so hoffnungslos leidet, dass seine Verfügung über das eigene Leben ausnahmsweise als gerechtfertigt anzusehen ist, kann der Suizident den ihn behandelnden Arzt von dessen „Lebensschutzverantwortung“ entbinden, mit der Folge, dass seine Garantenstellung und damit eine Strafbarkeit entfällt, vgl. OLG München, Beschl. v. 31.07.1987 – 1 Ws 23/87.

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Corresponding author

Correspondence to Beate Bahner .

Rights and permissions

Reprints and permissions

Copyright information

© 2013 Springer-Verlag Berlin Heidelberg

About this chapter

Cite this chapter

Bahner, B. (2013). Sterbehilfe und Behandlungsabbruch. In: Recht im Bereitschaftsdienst. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-25964-7_9

Download citation

  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-25964-7_9

  • Published:

  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

  • Print ISBN: 978-3-642-25963-0

  • Online ISBN: 978-3-642-25964-7

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

Publish with us

Policies and ethics