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Ethikberatung in der Altenhilfe

Theoretische und konzeptionelle Überlegungen

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Book cover Ethikberatung in der Medizin

Zusammenfassung

Altenpflegeheime sind keine Krankenhäuser. Das Handlungs- und Entscheidungsfeld Altenpflege verlangt von dem dort arbeitenden Personal neben den spezifischen beruflichen Fachqualifikationen ein hohes Maß an Sensibilität für die Lebenswirklichkeit alter Menschen in einer stationären Einrichtung, die sich stark von der Realität der Patienten in Krankenhäusern unterscheidet. Daraus resultiert auch die Notwendigkeit einer Differenzierung von Ethikberatung in der Altenhilfe gegenüber der Ethikberatung in der Klinik. Die besondere Vulnerabilität der betroffenen Menschen und das Altenpflegeheim als (zumeist) letzte Wohnstätte werfen in der Alltagsroutine spezifische ethische Fragen auf, die sich nicht alleine auf Fragen der Therapiebegrenzung beschränken. Inzwischen hat der erkennbare Bedarf an Ethikberatung (Bockenheimer-Lucius u. Sappa 2009) zunehmend zur Gründung von Ethikkomitees im Altenheim geführt.

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Notes

  1. 1.

    Im vorliegenden Text wird nicht zwischen Altenwohn- oder Altenpflegeheim oder zwischen stationärer oder nichtstationärer Versorgung unterschieden. Die Grundproblematik ist die gleiche: Je nach Ausprägung der Einrichtung kommt es zu einer Schwerpunktverschiebung im zu erwartenden ethischen Fall- und Themenspektrum. Ähnliches gilt für die Begriffe Altenpflege und Altenhilfe.

  2. 2.

    In Frankfurt am Main wurde im September 2006 im Franziska Schervier Altenpflegeheim ein Ethikkomitee (EKA) als Modellprojekt eingerichtet, 2008 wurde ein zweites Komitee gegründet, dessen Mitglieder aus verschiedenen Heimen der Stadt stammen. Im Herbst 2010 erhielt das Haus Schwansen in Rieseby einen Preis für die Einrichtung eines Ethikkomitees. Für einzelne Einrichtungen der Bremer Heimstiftung wurden seit 2004 ethische Fallbesprechungen durchgeführt.

  3. 3.

    Vgl. etwa Sansone (1996) zum New York City Long-Term Care Ethics Network. Inzwischen haben sich auch in Deutschland einige Träger von Einrichtungen dieser besonderen Aufgabe der Ethikberatung in der Altenhilfe gestellt und wie etwa die Marienhaus GmbH der Waldbreitbacher Franziskanerinnen ein trägerweites Ethikkomitee für die Einrichtungen der Altenhilfe eingerichtet. Vgl. auch die Übersicht bei Heinemann (2010), S. 172.

  4. 4.

    Diese Liste der möglichen Themen entspricht den durch das Frankfurter Netzwerk durchgeführten Fortbildungen. Die Impulse kamen insbesondere bei den altenpflegespezifischen Themen von den Mitarbeitern, die an den verschiedenen Veranstaltungen teilgenommen hatten.

  5. 5.

    Inzwischen existiert eine Reihe an Fort- und Weiterbildungsprogrammen. Auf Basis des Curriculums Ethikberatung (Simon et al. 2005, S. 332–336) findet in Hannover und anderen Orten an insgesamt fünf Tagen ein Basismodul für „Ethikberatung in der Altenpflege“ statt. Der Fernlehrgang „Berater/in für Ethik im Gesundheitswesen“ erstreckt sich über ein Jahr. Ein weiterbildender Masterstudiengang „Angewandte Ethik“ an der Universität Münster dauert vier Semester. Weitere Universitäten bieten Masterstudiengänge an: Medizinethik (Universität Mainz); „Angewandte Ethik im Gesundheits- und Sozialwesen“ (Kath. Fachhochschule Freiburg), „Erasmus Mundus Master of Bioethics“ (Universitäten Nimegen, Leuven und Padua), „Master of Advanced Studies in Applied Ethics“ (Universität Zürich).

  6. 6.

    An dieser Stelle sei exemplarisch nur auf den Bochumer Arbeitsbogen zur medizinethischen Praxis, die Nimwegener Methode für ethische Fallbesprechung und den Fragenkatalog zum Entscheidungsfindungsmodell von Tschudin hingewiesen.

  7. 7.

    EMMA (= Ethikberatung Moral Mitgestalten Altenhilfe) ist ein Gemeinschaftsprojekt zur Weiterentwicklung der Ethikberatung in der stationären Altenhilfe und wird von Arnd T. May, Gisela Bockenheimer-Lucius und Timo Sauer getragen. Vgl. http://www.ethikzentrum.de/ethikberatung/emma/.

  8. 8.

    Zum typischen Setting der Ethikberatung in der stationären Altenhilfe vgl. Bockenheimer-Lucius et al. (2012/in Vorb.).

  9. 9.

    Kritisch äußert sich Heinzelmann (2004) zur Anschlussfähigkeit des Begriffs von Goffman.

  10. 10.

    Kersting (1999) spricht vor diesem Hintergrund von einem „coolout“ des Personals im Sinne einer moralischen Desensibilisierung.

  11. 11.

    Richter u. Stöhr (2010) sprechen von der unerkannten „Allgegenwart von Machtstrukturen in der Pflege“.

  12. 12.

    Dieser Effekt wurde im Kontext des offenen Gesprächskreises in Frankfurt am Main oft angesprochen. Hierzu wäre es sinnvoll, quantitative oder auch qualitative Studien durchzuführen.

  13. 13.

    Hierzu arbeitet das Frankfurter Netzwerk Ethik in der Altenpflege derzeit schwerpunktmäßig.

  14. 14.

    Sozialgesetzbuch XI: „Die Leistungen der Pflegeversicherung sollen den Pflegebedürftigen helfen, trotz ihres Hilfebedarfs ein möglichst selbständiges und selbstbestimmtes Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht“.

  15. 15.

    Siehe Hoffman (1995), S. 208: „One assumption ethics committees ought to begin with is that people have decision making capacity until proven otherwise.“

  16. 16.

    Das Frankfurter Netzwerk Ethik in der Altenhilfe wurde zunächst von der BHF-BANK-Stiftung gefördert und wird jetzt als Teil des Frankfurter Programms „Würde im Alter“ von der Stadt Frankfurt am Main unterstützt.

  17. 17.

    „Offen“ bedeutet offen für die Mitarbeiter der 40 Frankfurter Einrichtungen.

  18. 18.

    Diese Differenzierung stammt von Nikolaus Menzel, zit. nach Körtner (2008), S. 111ff.

  19. 19.

    Ley weist darauf hin, dass die Funktion der „Komplexitätsreduktion“ im Rahmen der Ethikberatung gemeinhin überschätzt wird und dass die „Entlastungsfunktion“ sich stark darauf beschränkt, dass im Rahmen der Ethikberatung überhaupt erst ein Ort zur Thematisierung von ethischen Konflikten geschaffen wird (Ley 2005, S. 309).

  20. 20.

    Friedrich Ley hat in einer umfangreichen Studie festgestellt, dass die Teilnehmer in einem Ethikkomitee ihr eigenes Engagement je nach Profession deutlich unterschiedlich beschreiben, Ärzte neigen im Rahmen der Ethikberatung zu einer „medizinrechtlichen Verengung“ moralischer Fragen, die Pflegenden verstehen den Diskurs eher im Sinne einer „Supervision“; vgl. Ley (2005), S. 308.

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Sauer, T., Bockenheimer-Lucius, G., May, A. (2012). Ethikberatung in der Altenhilfe. In: Frewer, A., Bruns, F., May, A. (eds) Ethikberatung in der Medizin. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-25597-7_12

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