Zusammenfassung
In den bisherigen Kapiteln haben wir häufiger einzelne Strukturelemente der QM angesprochen, die wir nun zusammenfassen und systematisch darstellen wollen, und zwar in der Form von Postulaten oder Regeln. Diese Regeln bilden das Verhalten von physikalischen Systemen ab, oder genauer gesagt, unsere Methode, dieses Verhalten zu beschreiben. Tatsächlich sind es im Grunde genommen ja nur drei Fragen, auf die die physikalische Beschreibung eines Systems Antworten liefern muss:
1. Wie können wir den Zustand des Systems zu einem bestimmten Zeitpunkt beschreiben?
2. Welche Größen des Systems sind messbar und wie können wir Messergebnisse berechnen?
3. Wie ergibt sich der Zustand des Systems zur Zeit t aus seinem Anfangszustand zur Zeit t 0?
Die Antworten auf diese Fragen fallen natürlich je nach Gebiet (KlM, QM, Hydrodynamik, Quantenelektrodynamik, ...) unterschiedlich aus. Wir werden sie im Folgenden für die QM in die Form von Postulaten kleiden, wobei das Wort ‚Postulat‘ in diesem Zusammenhang soviel wie These, Prinzip oder Regel bedeutet, die nicht bewiesen, aber durchaus glaubhaft und einsichtig ist. Wir streben also nicht ein absolut strenges Axiomensystem (im Sinne eines Minimalsatzes von Aussagen) an. Es geht vielmehr darum, ein funktionierendes und praktisches Regelwerk aufzustellen (auch ‚quasi-axiomatisch‘ genannt), bei dem der Praktikabilität zuliebe auch in Kauf genommen wird, dass sich womöglich ein Postulat aus anderen herleiten lässt. Im Übrigen ist das von uns aufgestellte Regelwerk nur eines von vielen möglichen; andere Formulierungen der Postulate finden sich in Anhang R (Band 1) ‚Zu den Postulaten der QM‘.
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- 1.
‚Der menschliche Geist setzt vermöge seiner Natur leichthin in den Dingen eine größere Ordnung und Gleichförmigkeit voraus, als er darin findet‘, Francis Bacon (1561–1626), englischer Philosoph und Staatsmann, Neues Organon. ‚Regen, Schnee, Winde folgen so aufeinander, daß wir kein gewisses Gesetz unter ihrer Folge gewahr werden können, Gesetze sind aber wieder nur von uns erdacht, um uns den Begriff einer Sache zu erleichtern, so wie wir uns Geschlechter erschaffen.‘Georg Christoph Lichtenberg: Sudelbücher Heft A (192); Zweitausendeins, 1998
- 2.
Darüber hinaus lässt sich natürlich heute nicht mit Sicherheit aussschließen, dass die im Folgenden aufgestellten Regeln irgendwann geändert werden (müssen).
- 3.
Tatsächlich herrscht über die prinzipiellen Sachverhalte keine durchgehende Einigkeit. So nehmen manche der in Anhang R (Band 1) aufgeführten Autoren die Ununterscheidbarkeit von identischen Quantenobjekten als Postulat der QM auf, andere hingegen nicht.
- 4.
Der (quasi-)axiomatische Zugang hat den großen Vorteil, dass er ohne falsche Analogien auskommt und keine falschen Bilder in die Köpfe setzt. Deswegen wurde er auch schon als Vermittlungsweg für die QM in der Schule vorgeschlagen. Machbar ist das (in einer allerdings entsprechend angepassten Form) über den algebraischen Zugang. Mit Ausnahme von Postulat 3 lassen die Postulate sich herleiten oder wenigstens motivieren, wenn man sich im Wesentlichen auf den zweidimensionalen Fall beschränkt. Alleine schon deswegen ist der algebraische Zugang von didaktischem Interesse.
- 5.
Wir bemerken noch einmal, dass das Wort Observable nicht die Existenz eines (menschlichen) Beobachters impliziert.
- 6.
Im Übrigen erscheint die praktische Umsetzung beliebiger möglicher Operatoren als recht schwierig; dies ist allerdings für uns keine starke Einschränkung, da wir im Wesentlichen nur die einschlägigen Operatoren wie Ort, Drehimpuls etc. oder Kombinationen von ihnen benötigen.
- 7.
Eine eventuell verbleibende Phase spielt keine physikalische Rolle; vgl. die Bemerkung bei Postulat 1 über Zustand und Strahl.
- 8.
Die einzige Änderung am gemessenen System ist der Kollaps der Wellenfunktion; insbesondere bleibt das Spektrum unverändert. Man spricht in dem Zusammenhang auch von ‚rückstoßfrei‘. Siehe auch den Anhang, wo sich einige Ausführungen zu Begriffen im Bereich ‚Messung‘ finden.
- 9.
Damit lässt sich der Effekt realisieren, dass man eine Änderung des Zustandes dadurch verhindert, dass man ihn immer wieder misst. Das zugehörige Schlagwort ist ‚Quanten-Zenon-Effekt‘; der Inhalt ist griffig formuliert in dem Satz ‚a watched pot never boils‘. Mehr dazu im Anhang l (Band 1).
- 10.
Das trifft nur dann nicht zu, wenn der Anfangszustand schon ein Eigenzustand des Operators ist.
- 11.
Siehe auch die entsprechenden Bemerkungen in Kap. 13 (Projektionsoperatoren).
- 12.
Insofern handelt es sich hier um eine Übersetzungsregel, die zwischen physikalischen Größen und mathematischen Objekten vermittelt.
- 13.
Mehr dazu weiter unten, u. a. im Kap. 20 (Band 2).
- 14.
Wir bemerken, dass (14.3) auch für zeitabhängige \(H(t)\) gilt. Da wir uns aber im gesamten Buch auf die Betrachtung zeitunabhängiger \(H\) beschränken, formulieren wir dieses Postulat auch nur für diesen Fall.
- 15.
Zur Formulierung des Propagators als Integraloperator siehe Anhang I (Band 1); ein Beispiel für die freie Bewegung findet sich in Kap. 5, Aufgabe 11.
- 16.
In der KlM sind die Eigenschaften eines Systems immer wohldefiniert (wobei wir durchweg von einem nichtpathologischen Phasenraum ausgehen). Sie können als Funktionen der Phasenraumvariablen (sprich Punkten im Phasenraum) dargestellt werden und haben somit letztlich immer auch eine direkte dreidimensionale räumliche Bedeutung. In der QM sind Eigenschaften nicht immer wohldefiniert; wir können sie also mathematisch nicht als Funktionen von Punktmengen darstellen. Kleine Tabelle:
KlM
QM
Zustandsraum
Phasenraum (Punktmenge)
Hilbertraum
Zustände
Punkte
Vektoren
Eigenschaften
Funktionen von Punkten
Eigenwerte von Operatoren
- 17.
Es sei schon jetzt gesagt, dass es nicht auf alle Fragen Antworten gibt, jedenfalls keine eindeutigen.
- 18.
Dies gilt insbesondere in der traditionellen Sicht, nach der der Messapparat als klassisches System zu betrachten ist.
- 19.
‚Zustand‘ kann zum Beispiel bezeichnen: 1) ein individuelles Quantensystem \(A\), 2) unsere Kenntnis der Eigenschaften des Systems \(A\), 3) das Resultat einer Messung, die am System \(A\) durchgeführt wird oder werden könnte, 4) ein Ensemble \(E\) (real oder hypothetisch) von identisch präparierten Kopien eines Systems, 5) unsere Kenntnis der Eigenschaften des Ensembles \(E\), 6) die Resultate wiederholter Messungen, die am Ensemble \(E\) gemacht werden oder werden könnten.
- 20.
Wir wiederholen die Bemerkung, dass dieses Prinzip eher heuristischen Wert besitzt. Ein überzeugenderes Verfahren ist zum Beispiel die Einführung von Orts- und Impulsoperator über Symmetrietransformationen (siehe Kap. 21 (Band 2) und Anhang L (Band 2) ‚Spezielle Galileitransformation‘).
- 21.
‚Although this may be seen as a paradox, all exact science is dominated by the idea of approximation.‘ (Bertrand Russell)
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Pade, J. (2012). Postulate der Quantenmechanik. In: Quantenmechanik zu Fuß 1. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-25227-3_14
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