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Lebenszyklus

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Anthropologie

Part of the book series: Springer-Lehrbuch ((SLB))

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Zusammenfassung

Wachstum und Reifung sind charakteristische Merkmale vor allem der frühen Stadien der Ontogenese (= Individualentwicklung). In sowohl quantitativer als auch qualitativer Weise verändern sich die Körperform, die Körperzusammensetzung, die Physiologie, das Verhalten und die Funktion von Genen, Zellen und Organen des Individuums. Vor allem für Kinder und Jugendliche existieren Richtwerte für deren jeweiliges biologisches Alter und den entsprechenden Reifezustand, z. B. in Bezug auf den Zahnwechsel (Am J Phys Anthropol 142:481–490, 2010) (Tab. 4.1). Wachstum und Reifung können somit quantifiziert werden, allerdings unter Beachtung der sehr hohen interindividuellen Variabilität. Auch in diesem Aspekt zeigt sich die enorme Umweltplastizität von Menschen und ihre Fähigkeit, körperliche, physiologische und auch Verhaltensmodifikationen veränderter Umweltgegebenheiten entsprechend zu entwickeln (Bogin (1999) Patterns of human growth, 2nd ed. Cambridge studies in biological and evolutionary anthropology 23. Cambridge Univ Press, Cambridge). Wachstumsphänomene beruhen auf der Zunahme der Zellzahl bzw. Zellgröße und sind in der Regel von der zellulären Differenzierung untrennbar. Studien zum Thema Wachstum und Reifung werden heute unter dem Überbegriff der Auxologie zusammengefasst. Wachstum kann als Funktion der Produktivität einer Spezies aufgefasst werden, d. h. ihrer Fähigkeit, Nahrung und andere lebensnotwendige Ressourcen dauerhaft in einem Maße zu erlangen, welches über die unmittelbaren individuellen Bedürfnisse (Stoffwechselenergie, Erhalt und Reparatur des eigenen Körpers) hinausgeht und dadurch die erfolgreiche Reproduktion sichert. Primaten sind vergleichsweise langlebig und haben große, somit kostenintensive Gehirne (vgl. Kap. 2.1.2), und in der Folge eine eher geringe Produktivität im Vergleich zu anderen Säugetieren. Charakteristisch für Primaten sind eine kleine Wurfgröße, die Geburt von gut entwickelten Jungen und deren langsames Wachstum mit einer längeren Periode sozialen Lernens, welche der sexuellen Reife vorgeschaltet ist (Sheen BT (1998) Growth in non-human primates. In: Ulijaszek SJ, Johnston FE, Preece MA (eds) The Cambridge encyclopedia of human growth and development. Cambridge Univ Press, Cambridge, S 100–103). Speziesspezifische Unterschiede existieren und haben evolutive Gründe. Das menschliche Wachstum folgt prinzipiell dem Primatenmuster, jedoch ist z. B. der geringe Entwicklungsgrad der Neugeborenen auffällig (sekundäre Altrizialität, vgl. Kap. 2.1), sowie die lange Kindheitsphase (s. unten).

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Notes

  1. 1.

    Griechisch auxein = wachsen, vergrößern.

  2. 2.

    Lateinisch pubertas = Mannbarkeit.

  3. 3.

    Homöobox-Gene: wirken auf die Musterbildung während der Embryonalentwicklung vielzelliger Organismen. Die Mehrzahl der homeotischen Gene enthält eine konservative Sequenz von 180 bp, die Homöobox.

  4. 4.

    Turner-Syndrom: Betrifft das weibliche Geschlecht, typischer Karyotyp ist 45X, d. h. ein X-Chromosom fehlt völlig. Charakteristisch ist eine geringe Körpergröße, unterentwickelte Gonaden und weitere Dysmorphien in der Gestalt und der inneren Organe.

  5. 5.

    Achondroplasie: Knochendysplasie aufgrund einer dominanten Mutation des FGFR 3-Gens (fibroblast growth factor receptor type 3), Folge ist Kleinwuchs und dysproportioniertes Wachstum.

  6. 6.

    In der Medizin wird unter Fertilität die Fähigkeit verstanden, zu konzipieren bzw. eine Schwangerschaft zu induzieren. Beim Mann ist demnach Fertilität gleichbedeutend mit Zeugungsfähigkeit. In fekundität bedeutet, dass eine Schwangerschaft nicht ausgetragen werden kann.

  7. 7.

    Indifferentes Keimgewebe aus teilungsfähigen Stammzellen, aus dem sich in der Embryonalentwicklung differenziertes Gewebe entwickelt.

  8. 8.

    Wird aus einem weiblichen Tier allmählich ein männliches Tier, so wird das Protogynie genannt, im umgekehrten Fall Protandrie. Dieser serielle Hermaphroditismus (Zwittertum) ist bei einigen Korallenfischen der normale Entwicklungsgang. Bei einer Überzahl des weiblichen Geschlechts können die größeren Weibchen das Geschlecht wechseln und damit das Geschlechterverhältnis in einer Population ausgleichen.

  9. 9.

    Die im Blutserum vorhandene Leptin-Konzentration korreliert beim Menschen direkt mit der Masse des Fettgewebes.

  10. 10.

    Während es früher vermutlich als Tabuthema galt, lässt sich der Zeitpunkt der Ejakularche heute kaum mehr feststellen. Der erste Samenerguss erfolgt aufgrund der freieren Einstellung zu Masturbation im pubertären Alter in der Regel nicht mehr spontan.

  11. 11.

    Bioverfügbares Testosteron, das im Blutserum nicht an das Trägereiweiß SHBG (Sexualhormon bindendes Globulin) gebunden ist.

  12. 12.

    Beispiele sind das Hirschgeweih, die Löwenmähne, Federfärbung und Gesang bei Vögeln sowie Muskelmasse, Stimmlage und Körperbehaarung beim Mann; Körperbauproportionen wie die Tailleneinziehung und der geschlechtsspezifische waist-to-hip-ratio (Björntorp 1991), Brüste, ein prozentual hoher Anteil an Unterhautfettgewebe bei der Frau.

  13. 13.

    Wie wichtig diese Prozesse sind, zeigt sich bei einem Verschluss im Nebenhoden oder des Ductus deferens. Für eine künstliche Befruchtung der Partnerin müssen dort Spermien entnommen werden. Die Schwangerschaftsrate nach der Samenübertragung steigt in Abhängigkeit von der Strecke, die die Spermien im männlichen Genitaltrakt vorher auf natürlichem Weg zurücklegen konnten von 9 % bis (Nebenhoden-Kopf) bis zu 51 % bis (Nebenhoden-Schweif).

  14. 14.

    Am Spermienkopf befindet sich der Zonarezeptor des Spermiums, ein Adhäsionsmolekül ß-1,4-Galaktosyltransferase, das wahrscheinlich an den \({\rm Z{{P}_{3}}}\)-Rezeptor binden kann.

  15. 15.

    Die durch Furchung der Zygote entstehenden Zellen (Blastomeren) teilen sich ohne Wachstum und werden so bei jeder Teilung kleiner. Das Verhältnis von Zellplasma zu Zellkern verschiebt sich zugunsten der Kerne.

  16. 16.

    Eine gesteigerte Anzahl von heranreifenden Follikeln (20–100) anstatt der normalen Zahl von 3–7 Eizellen führt dazu, dass sich kein Leitfollikel ausbildet und bis zum Eisprung heranreift. Alle Follikel im polyzystischen Ovar werden atretisch.

  17. 17.

    Die Unterdrückung der normalen Funktion der Hypothalamus-Hyphophyen-Gonaden-Achse und damit das Ausbleiben von Follikelreifung und Ovulation funktioniert auch bei stillenden Frauen unter der Bedingung, dass der Prolaktinspiegel einen gewissen Minimalwert nicht unterschreitet. Dafür muss eine Mutter ihr Kind täglich mehrmals stillen.

  18. 18.

    Ansiedelung von Endometriumgewebe (Gebärmutterschleimhaut) in den Eileitern, teilweise bis hin in den Bauchraum der Frau. Endometriumzellen und -fragmente können während der Menstruation retrograd aus dem Uterus in die Eileiter und darüber hinaus gelangen und sich dort implantieren.

  19. 19.

    Eine Gefährdung der Fertilität bei Frauen oder Männern durch Amalgamfüllungen, die Blei enthalten, wurde nicht gefunden. Bei zahnärztlichem Personal, das durch Ausbohren alter Füllungen im Sprühnebel der Bohrung mit Wasserkühlung intensiv mit Amalgam in Kontakt kommt, wurde bei 30 Füllungen pro Woche ein signifikanter Effekt auf die Fruchtbarkeit (nur noch 63 % der Fertilisierungschancen unbelasteter Frauen) nachgewiesen.

  20. 20.

    Geringe Strahlenbelastung führt beim Mann zur Reduzierung der Spermienanzahl im Ejakulat; hohe Dosen können ein Ausbleiben der Spermatogenese über mehrere Jahre bewirken bis hin zu irreversiblen Schädigungen der Keimzellen. Bei Frauen lösen niedrige Dosen von Röntgenstrahlen eine temporäre Amenorrhoe (Ausbleiben der Regelblutung) aus. Bei stärkerer Belastung können Mutationen im Genom der Eizelle auftreten und je nach Ausmaß der Strahlenbelastung eine bleibende Sterilität. Für elektromagnetische Strahlung (Elektrosmog) ist bisher noch kein nachweisbarer Effekt auf die Fertilität von Frauen und Männern nachgewiesen worden.

  21. 21.

    Männer mit ausgeprägt maskulinem Rollenideal sind in modernen Gesellschaften starkem sozialem Stress ausgesetzt, der durch ihre Konkurrenz- und Wettstreitmentalität bedingt ist. In einer eher anonym lebenden Großstadtbevölkerung sind sie ständig zu neuen „Rangordnungskämpfen“ gezwungen, um ihren Status aufrecht zu erhalten. Es ließ sich in einer psychobiologischen Studie (Christiansen et al. 1997) belegen, dass gerade diese Männer eine hochsignifikant schlechtere Spermienqualität (Morphologie, Motilität und Quantität) hatten als androgyn typisierte Männer, die sich eine weibliche und männliche Rollenausrichtung zuschreiben und sich nicht so stark zu intramännlichen Positionskämpfen neigen. 92 % der maskulin orientierten Männer wiesen pathologische Spermiogramme auf, und auch der tatsächliche Schwangerschaftserfolg war bei androgynen Männern viermal höher, unabhängig von der Fertilitätsdiagnose bei ihrer Partnerin.

  22. 22.

    Das von den Fettzellen produzierte Leptin ist für die Steroidhormonsynthese wichtig ist (siehe Kap. 4.2.2 über den Pubertätsbeginn). Es wurden bei Sportlerinnen mit Amenorrhö signifikant niedrigere Körperfettanteile und signifikant geringere Leptinwerte als bei einer nicht Sport treibenden Kontrollgruppe festgestellt (Laughlin et al. 1997). Weiterhin leisten Fettzellen einen wichtigen Beitrag zur peripheren Umwandlung von Androgenen im Blut in Östrogene.

  23. 23.

    Eine Erklärung für Zyklusstörungen durch Kalorienreduktion könnte die Energiekonservierung des Körpers sein (Williams et al. 1995). Bei unzureichender Kalorienzufuhr werden Prozesse des Körpers heruntergefahren, die Energie verbrauchen, aber nicht direkt zur Lebenserhaltung notwendig sind. Hierzu gehört zum Beispiel ein ovulatorischer Zyklus für die monatliche Bereitstellung einer befruchtungsfähigen Eizelle.

  24. 24.

    Die pulsatile LH-Sekretion der Hypophyse wird durch die erhöhte ß-Endorphinausschüttung während des intensiven Trainings oder Wettkampfes gehemmt und dadurch die Follikelreifung im Eierstock unterdrückt (Harber et al. 1997).

  25. 25.

    Die Ovarien sind neben der Thymusdrüse die einzigen endokrinen Organe, die ihre Funktion lange vor Ende des Lebens einstellen. Die Ovarien erreichen ihr maximales Gewicht ungefähr im 28. Lebensjahr, danach beginnt zunächst ein langsamer Gewichtsverlust der Ovarien, der bis zum 40. Lebensjahr zunimmt und mit der Menopause beendet ist. Der Substanzverlust geht von durchschnittlich 12 cm3 auf 4 cm3.

  26. 26.

    Die Östrogenproduktion im Ovar dürfte nach der Menopause in den Stromazellen stattfinden, allerdings auf einem sehr niedrigen Niveau, das bei weitem nicht für die Follikelreifung ausreicht. Verschiedene Studien belegen nämlich, dass die Östradiol- und Östronkonzentration im ovariellen Blut noch zweimal höher als im peripheren Blut außerhalb des Eierstocks ist. Die bei weitem überwiegende Menge an Östrogenen im Blutserum wird jedoch außerhalb des Ovars im Unterhautfettgewebe sowie der Haut durch Aromatisation von Androstenedion zu Östron gewonnen.

  27. 27.

    Stromazellen sind lipidreiche Zellen, die den Thekazellen (Bindegewebszellen im Ovar) ähneln, die während der reproduktiven Phase der Bildungsort für Androgene sind. Hilarzellen liegen im Zentrum des Ovars. Ihre embryonale Herkunft ähnelt den Leydigzellen (Ort der Testosteronbiosynthese) im Hoden.

  28. 28.

    Der Faktor „Psychisches Energieverlustsyndrom“ ist geprägt durch Gefühle der Sinnlosigkeit und Minderwertigkeit, depressive Verstimmung, Störungen der Konzentration und des Gedächtnisses und gesteigerte Reizbarkeit.

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Grupe, G., Christiansen, K., Schröder, I., Wittwer-Backofen, U. (2012). Lebenszyklus. In: Anthropologie. Springer-Lehrbuch. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-25153-5_4

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