Zusammenfassaug
[…] In den letzten Jahren ist die Untersuchung der Verknüpfung von Strafrecht und Politik lebhafter und heftiger geworden als je zuvor nach dem Scheitern jener methodologischen Tendenz, welche die formale Struktur der Rechtsnorm als einzigen Gegenstand ansah, mit dem der Jurist sich zu befassen habe. Dies war eine Tendenz, die ihre Erklärung in einer Zeit absoluter politischer Ruhe wie jener zwischen dem Ende des preußisch-französischen Krieges und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges finden konnte, die aber heute, nach so vielen politischen, militärischen, gesellschaftlichen Verwerfungen gewiss nicht mehr beanspruchen kann, dass ein Wissenschaftler, der sich in der von der Geschichte gezogenen Spur bewegt und eine nützliche und ertragreiche Arbeit zu verrichten wünscht, sie sich zu eigen macht. In der jüngeren Zeit verstand man hingegen [35] die Beziehungen zwischen Strafrecht und Politik im Sinne einer Auflösung der wissenschaftlichtheoretischen Kategorien des Rechts in einer politischen Praxis, die alles umstürzt und der jeder zu Diensten zu sein hat; dies führte nicht nur zur Leugnung einer Wissenschaft des Strafrechts als politischer Wissenschaft, sondern auch zu einer reinen und schlichten Form des Straf-Terrors. Spricht man von Straf-Terror, so darf man nicht glauben, dass dieser sich allein in der Guillotine und in Exekutions- Pelotons niederschlage, denn zum Terror gehört auch eine milde Verurteilung durch einen Richter, wenn dessen Ermessen keine präzisen Grenzen gesetzt sind. Terror ist ein Synonym für individuelle und richterliche Willkür; hingegen beginnt das Strafrecht gerade dort, wo die Willkür endet. Es zeigt sich historisch als ein Kampf gegen den Terror, als ein Bemühen, sich vom Joch einer „Willkür“ zu befreien, wo nur die Zweckmäßigkeit des Augenblicks der Leitfaden des Richters ist.
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Dezza, E., Seminara, S., Vormbaum, T. (2012). Giuseppe Bettiol (1907–1982). In: Dezza, E., Seminara, S., Vormbaum, T. (eds) Moderne italienische Strafrechtsdenker. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-24839-9_15
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