Zusammenfassung
Der scharrende Lärm der Schneearbeiter vor der Tür riss Doktor Kanter um kurz nach sieben aus seinen tiefen Träumen. Er war stundenlang wach gelegen, vielleicht waren es auch nur einige Minuten gewesen, die ihm als Ewigkeit erschienen waren, und hatte über den Abend mit Marion nachgedacht, und irgendwann war er einfach eingenickt. Im Warten auf das Einschlafen vergingen Minuten und Stunden gleich schnell, nicht immer, aber meistens, es gab keine Einheit, die gültig war, befand Doktor Kanter nach kurzem Überlegen. Die Geschwindigkeit des Gehirns diktierte die Dauer, wenn rundherum alles schwarz und still war. Doktor Kanter liebte solche Gedankenspiele. Sätze, die ein „Wenn“ enthielten, spornten ihn an. Sein Gehirn überflog die letzten Stunden vor dem Einschlafen, immer wieder, dachte andere Wendungen durch, leuchtete alle Ecken der Erinnerung aus und flog nochmals über den Gedankendschungel, als suchte es nach einem Vermissten, der irgendwo da unten, in den Tiefen seiner Seele, sitzen musste und auf die Bergung wartete. Er konnte sich keinen Reim auf das Geschehene machen. „Don’t worry“ hatte ihm Marion auf seinen Blackberry gefunkt, ein Zeichen ihres Verstehens, ihrer Wesensnähe. Es war ihm das einzige Labsal auf dem Weg in den Schlaf gewesen.
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Holzinger, T., Sturmer, M. (2012). Blätter, die sich wenden. In: Im Netz der Nachricht. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-22489-8_21
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