Zusammenfassung
Wer Zeitgeschichte unter Einschluss von Zeitabschnitten betreiben will, die er selbst offenen Auges miterlebt hat, muss und sollte sich wie bei sonstiger historischer Forschung auf Dokumente, in der Regel schriftlicher Art stützen. Er kann allerdings kaum vermeiden, bereits bei der Auswahl der Dokumente Wertungen einfließen zu lassen. Unvermeidlicher Weise wird er seine eigene Lebenserfahrung einbringen, seine persönliche Kenntnis von Personen der Zeitgeschichte, sein eigenes Verwobensein in die Geschichte. Dabei lassen sich Sym- oder Antipathien gegenüber Zeitgenossen, auch Entschuldigungs-, Reinwaschungs- oder auch Anklagetendenzen wie überhaupt das Einfließen von Affekten in das historische Urteil schlechterdings nicht ausschließen. Nun sind auch Beschreibungen älterer historischer Abschnitte keineswegs frei von solcherlei Vorurteilen, aber auch von Erinnerungstäuschungen170, doch nirgends liegen diese so nahe wie in der Beurteilung von Menschen, die man selbst kennen lernen oder deren Ausstrahlung auf ihre Umgebung man noch miterleben konnte, sei es auch nur über Eltern, Lehrer oder Freunde.
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Note
J Singer 2002.
J Peiffer 1997, 1998.
Siehe E Klee 1985, 2001
Siehe G Aly 1985 sowie seinen offenen Brief an die Max-Planck-Gesellschaft in der Frankfurter Allgem. Zeitung vom 21.10.1989.
P Hoffmann 1994 bzw. 2001, S. 150 ff.
P Hoffmann 2001, S. 142.
Siehe auch J Peiffer. 2000, S. 180 ff.; in ähnlichem Sinne auch J. Ph. Reemstma: „Ich glaube, dass man „als Wissenschaftler“ (d. h. auf diese Rolle beschränkt) nicht in der Lage ist, moralisch sonderlich kompetent zu handeln“. In: „Wie hätte ich mich verhalten?“ (2001, S. 112.)
J Peiffer 1997, 2000d.
Siehe hierzu u. a. Ute Deichmann 1995 sowie Benno Müller-Hill 2000).
Nur einzelne dieser Briefe wurden in die Sammlung aufgenommen, da ich bei den meisten davon ausging, dass sie Datenschutz zu beanspruchen hatten. Sie finden sich im Archiv zur Geschichte der Max-Planck-Gesellschaft unter der Signatur Abt. II, Ia Personalakte Hallervorden.
Der Biologe Alfred Kühn schrieb 1954 in diesem Zusammenhang an den Genetiker Nachtsheim:“ Ich werde den quälenden Gedanken nicht los, dass es möglich gewesen wäre, vieles zu verhüten, wenn im ersten Augenblick, als Hitler Freiheit und Gerechtigkeit angriff, eine Gruppe deutscher Wissenschaftler protestiert hätte“ (zitiert nach Ute Deichmann 1995, S. 353)
J Peiffer 1999.
Hierzu sei verwiesen auf Hans Simmer 2000.
Zu dieser Floskel schrieb J. Ph. Reemstma, mit ihr verkenne man nicht nur, „dass Moral mit der Frage beginnt, was denn ich tue, und dass sehr wohl ein ganz entscheidender Unterschied darin besteht, ob ich es tue oder ein anderer, sondern“ man verwechsele auch „Mittäterschaft und die mögliche Unfähigkeit, etwas zu verhindern“.
J Peiffer 1999, 2000d.
Brief Rascher an Romberg vom 3.1.1944. Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde, Sign. NS 21/923.
Benno Müller-Hill zitiert eine ihm gegenüber gemachte Äußerung der Tochter von Ernst Rüdin, Frau Dr. Zerbin-Rüdin: „Er hätte sich dem Teufel verkauft, um Geld für sein Institut und seine Forschung zu bekommen“. In: Tödliche Wissenschaft. Die Aussonderung von Juden, Zigeunern und Geisteskranken 1933-1945. Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbeck bei Hamburg 1988.
Hans Mayer 1997 (S. 99) zitiert in solchem Zusammenhang den Historiker Albrecht Schöne: „Willentlich oder unwillentlich, wissentlich oder unwissentlich haben sie dem, was da heraufzog, in vielfacher Hinsicht Vorschub geleistet. Im übrigen haben sie geschehen lassen, was jetzt geschah.“ Schöne fährt später fort: „Schärfer gefragt: Würde man unter gänzlich gleichen Voraussetzungen (mit deren Wiederkehr noch keiner ernsthaft rechnen will) in gleicher Weise sich verhalten?“
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Peiffer, J. (2004). Zur Bewertung von Wissenschaftlern in der Zeit des Nationalsozialismus (ein Nachwort in eigener Sache). In: Hirnforschung in Deutschland 1849 bis 1974. Schriften der Mathematisch-naturwissenschaftlichen Klasse der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, vol 13. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-18650-9_10
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