Zusammenfassung
Am 10. Februar 1927 erlebte die Oper Jonny spielt auf am Leipziger Neuen Theater ihre Premiere. Mit 421 Aufführungen in der Spielzeit 1927/28, aufgeführt an 45 deutschsprachigen Bühnen, und übersetzt in 14 Sprachen ist diesvermutlich die mit Abstand erfolgreichste Oper der Weimarer Republik. Ihr Komponist Ernst Krenek, der auch den Text verfasste, macht Jonny, einen schwarzer Jazz-Geiger, zur Hauptfigur. Er tritt mit seiner Band in einem mondänen Pariser Hotel auf, bändelt mit dem Stubenmädchen Yvonne an und stielt dem eitlen Violinvirtuosen Daniello seine Luxusgeige, als der die Sängerin Anita, die Freundin des Komponisten Max, verführt. Nach verschiedenen Verwicklungen, darunter einer Verfolgungsjagd mit einem Automobil, zeigt das Schlussbild Jonny mit der Geige auf einem rotierenden leuchtenden Globus stehend; sein Hymnus auf Amerikamündet in den Refrain: „Es kommt die neue Welt übers Meergefahren mit Glanz und erbt das alte Europa durch den Tanz.“ – Jonnyist eine paradigmatische Verkörperung des Neuen Menschen, nach dem Künstler und politische Gruppierungen unterschiedlichster Ausrichtung damals suchten. Amerika dient hier als Projektionsfläche für diffuse Wunschträume von einem sorgenfreien Sein im Hier und Jetzt. Dieser Operntyp, der ein Menschenbild der Lebenslust und Leichtigkeit, auch Verantwortungslosigkeitinszenierte, verschwand unter dem Druck des aufkommenden Nationalsozialismus.
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Redepenning, D. (2012). Jonny spielt auf. In: Hilgert, M., Wink, M. (eds) Menschen-Bilder., vol 54. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-16361-6_11
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