Zusammenfassung
Die Rekrutierung von High Potentials ist trotz Finanz- und Wirtschaftskrise ein wichtiges Thema. Hochtalentierte Mitarbeiter werden weiterhin als Erfolgsfaktor für die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens gesehen. Und obwohl die Gesamtnachfrage nach akademischen Fach- und Führungskräften in den letzten Jahren zurückgegangen ist, besteht in vielen Branchen und Bereichen nach wie vor ein Nachfrageüberhang im Hinblick auf hochqualifizierte und durch hohes Potenzial gekennzeichnete Nachwuchskräfte (vgl. Spickschen 2005). Die Relevanz des Themas lässt sich bis in die frühen 60er Jahre zurück verfolgen, als die Carnegie Corporation erstmals von einem ‚Great Talent Hunt‘ in ihrem Jahresbericht sprach. Während des ‚Start-up-booms‘ in den 90er Jahren erlebte die Problemstellung einen Höhepunkt, der sich unter anderem in einer Studie der Unternehmensberatung McKinsey & Company mit dem Titel ‚The War for Talent‘ wider spiegelte (vgl. Spickschen 2005 und die dort zitierte Literatur). Das Thema ist somit an sich nicht neu, wirft aber offensichtlich weiterhin Fragen auf – wie aktuelle Publikationen zu diesem Thema belegen (vgl. Schamberger 2006 und Spickschen 2005). Bisher weitgehend unberücksichtigt geblieben ist die Erörterung des Problems unter der Perspektive der Work-Life Balance im Demographie-Kontext. Diese Lücken wollen wir mit dem hier vorliegenden Beitrag schließen.
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Notes
- 1.
Siehe hierzu exemplarisch Stopfer (2008), die darüber hinaus deutlich macht, dass Balance kein Zustand ist, sondern ein Prozess.
- 2.
Siehe zur Entgrenzung zwischen Arbeit und Leben bspw. Voswinkel/Kocyba 2005. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass High Potentials sowie Potenzialträger zu Extremjobber werden, da sie im Fokus von Karriereentwicklungen und -aufstiegen bei den übergeordneten Führungskräften stehen. Im subjektiven Verständnis ist dies immer noch gekoppelt an eine besondere (quantitative) Leistungserbringung.
- 3.
Die unterschiedlichen Positionen sind sehr schön einzusehen in Reich (2008).
- 4.
Siehe hierzu die Kienbaum-Studie Work-Life Balance im Kontext des demographischen Wandels (Kienbaum 2007a).
- 5.
Eine zusätzliche Erklärung liefert die fehlende Perspektive einer „Corporate Organizational Responsibility“, die darauf verweist, dass die Gesamtverantwortung für ein Unternehmen nicht mehr an einzige Positionen festzumachen ist und zudem die einzelnen Führungskräfte lediglich nur mehr begrenzte (und zum Teil konkurrierende) Bereichsverantwortungen übernehmen, die dazu führen, dass der Gesamtblick auf die Organisation verloren geht. Siehe hierzu Dievernich (2008).
- 6.
Vgl. hierzu beispielsweise das Konzept der ‚boundaryless career‘ von Arthur/Rousseau (1996).
- 7.
Siehe hierzu exemplarisch Franke (1999), der ebenfalls darauf verweist, dass die Liste sich (über die Zeit hinaus, Anm.: FD) beliebig verlängern lässt. Auch ist klar, dass in Bezug auf unterschiedliche Funktionen und eventuell sogar Branchen verschiedene Kriterien innerhalb der Unternehmen zum Einsatz kommen. Vgl. für eine umfassende Übersicht auch Spickschen (2005).
- 8.
Ein Beispiel stellt die STAR-Technik dar (Situation, Target, Action, Result), bei der es darum geht zu betrachten, inwiefern Erlerntes aus der Vergangenheit in anderen Situationen zur Anwendung gekommen ist oder gerade kommt.
- 9.
So sprechen bspw. Wiltinger/Simon (1999) davon, dass „die Rekrutierung von High- Potentials (eine) generische Managementaufgabe (ist)“.
- 10.
Das Fraunhofer Institut für Arbeitswissenschaft und Organisation (2008) fasst die genannten Rekrutierungsinstrumente auf drei zusammen: Zusammenarbeit mit Hochschulen, Nutzung von persönlichen Beziehungen sowie Maßnahmen MA werben MA. Die Internetjobbörse wird dabei zu einem Hygienefaktor des Rekrutierungsgeschäftes, nicht aber ausschlaggebend für die tatsächliche Rekrutierung und Bindung der High Potentials.
- 11.
Die Stellenanzeige als Königin der Rekrutierungsinstrumente, wie das noch 1997 Zaugg schrieb (Zaugg 1997), dürfte der Vergangenheit angehören. Sie ist heute lediglich ein Aushängeschild, gewonnen wird der High Potential aber letztendlich durch die Qualität des Kontaktes.
- 12.
Zudem benennt die Studie das Unternehmensimage, welches verantwortlich ist, ob High Potentials anheuern oder nicht (vgl. Kienbaum 2007).
- 13.
So zeigt die Kienbaum-Demographie-Studie (Kienbaum 2007a), dass Teilzeitarbeit zu 81,5% eingeführt wurde, gefolgt von Fitness-Angeboten und Betriebssport zu 65,3% sowie Gesundheitschecks zu 53,2%. Blickt man auf die Vielfältigkeit der Maßnahmen, so wird ersichtlich, dass unter Work-Life Balance bereits eher ein Verständnis von Life Balance Einzug gehalten hat. So werden neben den genannten Instrumenten folgende genannt: Jahresarbeits- und Lebensarbeitszeitkonten, Vertrauensarbeitszeit, sabbaticals, Telearbeit, Job-Sharing, Kinderbetreuung, Haushaltsnahe Dienstleistungen, Gesundheitsfördernder Arbeitsplatz sowie Andere. Die Aufzählung zeigt besonders gut, dass Work-Life Balance mehr als, als nur die Frage nach der Gesundheitsförderung oder des Gesundheitsmanagements, wenn dieses verstanden werden kann als „Handlungsstrategie…, die darauf abzielt, methodisch und strategisch Gesundheitsressourcen im Unternehmen aufzubauen bzw. bereits vorhandene Aktivitäten im Unternehmen systematisch zusammenzuführen – unter der Prämisse sich umfassend, lösungsorientiert und nachhaltig mit den Bereichen Mensch – Organisation – Arbeit auseinanderzusetzen“ (Stopfer 2008, S. 33/34).
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Siehe hier die zuvor getätigten Aussagen bezüglich der ‚Konstruktionsressource‘ Unternehmen, die für die individuellen Konstruktionen der Erwerbsbiographien relevant ist.
- 15.
So benennt z. B. Rabanser (2009) in ihrem Artikel einige dieser Praktiken. Bezüglich der Road-Show der Robert Bosch GmbH heißt es: „Mit zwei zu mobilen Messezentren umfunktionierten Trucks machten Unternehmensvertreter Station an elf deutschen Universitäten“. Das ist sicherlich imposant, die Frage ist aber, mit welchen „nachträglichen Kommunikationstrucks“ fahren die Unternehmen auf, um den entstandenen Kontakt langfristig zu pflegen.
- 16.
Im Übrigen gilt gleiches Prinzip für sie selbst. Als Führungskräfte (mit oder ohne weiteres Potenzial) ‚checken‘ sie selbst die Organisation nach Entwicklungsoptionen ab. Dazu gehört auch das eigene Führungskräftenetzwerk als Konstruktionsbaukasten mit den entsprechenden Bausteinen für die eigene Zukunft abzusuchen.
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Was mit Fragen alles bewegt und bewerkstelligt werden kann, zeigt sehr schön als Vertreter des systemischen Denkens Simon/Simon-Rech (2008) mit dem Standardwerk „Zirkuläres Fragen“.
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Wohl gemerkt: Es geht in keiner Weise darum, die genannten Fragen lediglich als Mittel zum Zweck einer Bindungspolitik zu stellen. Sicher ist, dass das schief gehen würde. Es braucht zwingend den authentischen Bezug. Es braucht das Interesse an den Antworten und den jeweiligen Mitarbeitern. Es braucht die Freude, mit den Mitarbeitern gemeinsam Entwicklungsmöglichkeiten und positive Erlebnisse zu gestalten. Vgl. zu diesen Fragen erneut auch Stopfer (2008).
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Dievernich, F., Endrissat, N. (2010). Work-Life Balance im Demographie-Kontext. In: Kaiser, S., Ringlstetter, M. (eds) Work-Life Balance. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-11727-5_5
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