Zusammenfassung
Es ist der 3. März 1972, der Triebwerkslärm einer Rakete erschüttert Cape Canaveral. Seit der ersten Mondlandung sind noch keine drei Jahre vergangen, die NASA ist auf der Höhe ihres Erfolges, und dennoch ist der Start der Atlas-Centaur-Rakete, die die Raumsonde Pioneer 10 trägt, eine kleinere Aktion. Niemand ahnt, dass man die Mission dreißig Jahre später als „größtes Experiment der Menschheit“ bezeichnen wird, als Pioneer 10 in der unglaublichen Entfernung von 11 Milliarden Kilometern sein letztes Funksignal zur Erde sendet. Mit lediglich wissenschaft lichem Ehrgeiz soll die Sonde das äußere Sonnensystem erforschen und wohl mehr aus Jux klebt man eine Plakette mit ein paar Informationen über die Menschheit auf – dabei gibt die Andeutung der anatomischen Unterschiede zwischen Mann und Frau im prüden Amerika der Nixon-Ära noch Anlass zur Diskussion. Nach einigen Jahren Flugzeit haben die Sonden – die baugleiche Pioneer 11 wurde 1973 in fast entgegengesetzter Richtung gestartet – ihre Hauptaufgabe erfüllt und spektakuläre Nahaufnahmen von Jupiter und Saturn zur Erde gefunkt. Um möglichen unentdeckten Himmelskörpern nachzuspüren, achtete man auf sehr genaue Navigation der Sonden, aber die Mühe schien überflüssig, nichts Neues wurde gefunden. Lediglich eine langsam anwachsende kleine Abweichung der Fluggeschwindigkeit von der Vorhersage schien sich anzudeuten. Ein derartiger „Schmutzeff ekt“ konnte aber so vielfältige banale Ursachen haben, dass sich zwei Jahrzehnte lang niemand von den Ingenieuren darum kümmerte – Hauptsache die Dinger flogen. Schließlich beschließt der Gruppenleiter John D. Anderson doch, der Sache auf den Grund zu gehen. Eine umfangreiche Auswertung der Bahndaten beginnt, alle denkbaren Fehlerquellen von Staub im Sonnensystem über die Gravitationseinflüsse von Asteroiden bis zur Störung der Funksignale werden analysiert, jedoch kein Fehler gefunden. Die Lichtlaufzeit des Signals zu den Sonden erlaubt die Entfernungsbestimmung, und zusätzlich ermittelt man aus der Frequenzverschiebung des rückgesendeten Signals mit der Dopplerverschiebung die Geschwindigkeit. Aus beiden Datensätzen ergibt sich: Die Sonden werden dauernd etwas langsamer als erwartet, anscheinend gebremst mit einer gleichmäßigen Beschleunigung gegen die Flugrichtung, also zur Sonne hin. Halten Sie sich aber die Winzigkeit dieser Anomalie vor Augen: Sie entspricht der Verringerung der Beschleunigung einer U-Bahn, die diese durch Mitnahme von drei Ameisen erfährt.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
WEITERFÜHRENDE LITERATUR
J. Feitzinger: Galaxien & Kosmologie, Kosmos Verlag 2007.
L. Bergmann/C. Schäfer: Lehrbuch der Experimentalphysik Bd. 8, de Gruyter 2002, Kap. 5.
A. Unsöld/B. Baschek: Der neue Kosmos, Springer 2002, Teil eil IV.
H.-J. Dittus et al., Physik Journal, 01/2006, S. 25.
J.-H. Anderson et al., arXiv:gr-qc/0104064.
L. Iorio, arXiv:gr-qc/0610050.
A. Rañada, arXiv:gr-qc/0410084.
K. Krogh, arXiv:astro-ph/0409615.
S. G. Turyshev, arXiv:0906.0399; Rievers et al. (New J. Phys., 11, 113032, 2009).
L. K. Scheffer, arXiv:gr-qc/0107092.
V. T. Toth et al., arXiv:gr-qc/0603016.
C. Lämmerzahl et al., arXiv:gr-qc/0604052.
J. D. Anderson et al., arXiv:astro-ph/0608087.
A. Bosma, arXiv:astro-ph/0312154.
M. Persic et al., arXiv:astro-ph/9502091.
G. Gentile et al., arXiv:astro-ph/0611355.
R. Scarpa et al., arXiv:0707.2459.
A. Aguirre et al., arXiv:hep-ph/0105083.
J. Hogan, Nature 448 (2007), 240–245.
A. Aguirre et al., arXiv:hep-ph/0105083.
R. H. Sanders et al., arXiv:astro-ph/0204521.
G. Gentile, arXiv:0805.1731.
R. Scarpa, arXiv:astro-ph/0601581.
L. Smolin, The Trouble with Physics, Houghton-Mifflin 2006, Kap. 13.
Rights and permissions
Copyright information
© 2010 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Unzicker, A. (2010). Das Rätsel der kleinen Beschleunigungen. In: Vom Urknall zum Durchknall. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-04837-1_6
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-04837-1_6
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-642-04836-4
Online ISBN: 978-3-642-04837-1
eBook Packages: Life Science and Basic Disciplines (German Language)