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Nutzenbewertung durch das IQWiG — Hürde oder Sinnvolles Verfahren zur Prüfung der Patientenrelevanz?

  • Chapter
Runder Tisch Medizintechnik

Part of the book series: acatech DISKUTIERT ((ACATECHDISK))

  • 1511 Accesses

Zusammenfassung

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat den gesetzlichen Auftrag, den Nutzen von medizinischen Methoden, Verfahren und Leistungen zu bewerten. In der (Fach)Öffentlichkeit werden diese Nutzenbewertungen und die zugrunde liegende Methodik oftmals sehr kontrovers diskutiert, was auf folgenden Missverständnissen und Fehlinterpretationen beruhen kann. Hierzu einige Beispiele:

  • Der medizinische Nutzen wird entsprechend den Vorgaben des §35b des SGB V anhand patientenbezogener Endpunkte bewertet. Die zentralen Nutzendimensionen sind hierbei Mortalität, Morbidität, Lebensqualität. Dies darf nicht zwangsläufig mit Wirksamkeitsbewertungen gleichgesetzt werden. Eine signifikante Veränderung eines Blutwertes oder eine detailliertere Darstellung eines Befundes aufgrund eines (diagnostischen) bildgebenden Verfahrens muss noch keinen unmittelbaren patientenrelevanten Nutzen bedeuten. In die Bewertungen einfließende Zielgrößen müssen also eindeutig patientenrelvant sein.

  • Die Nutzenbewertungen haben zudem lt. GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (2007) auf der Basis international anerkannter Standards der evidenzbasierten Medizin (ebM) zu erfolgen. Entsprechend diesen Standards gilt sowohl für Wirksamkeitsprüfungen als auch für Nutzenbewertungen das Kausalitätsprinzip für den Nachweis eines Effektes. Dies ist erforderlich, damit bei einem Unterschied zwischen Gruppen dieser Effekt kausal auf die zu prüfende (therapeutische) Intervention zurückgeführt werden kann. International unstrittige ebM-Standards setzen hierzu u. a. eine möglichst hohe Strukturgleichheit in den zu vergleichenden Gruppen hinsichtlich bekannter wie unbekannter Störgrößen voraus. Die bisher beste verfügbare Technik das Ziel der Strukturgleichheit zu erreichen ist die Randomisierung. Diesbezügliche kontroverse Einschätzungen können auf der Fehlinterpretation beruhen, dass andere — oftmals statistische — Verfahren, die in nicht-randomisierten Studien angewandt werden, mögliche Strukturungleichheiten verlässlich ausbalancieren könnten. Aufgrund der Überschätzung der Ausbalancierungsmöglichkeiten von solchen Adjustierungsverfahren wird immer wieder das Argument bemüht, neben der Evidenzstufe 1 auch nicht-randomisierte Interventionsstudien den Nutzenbewertungen zugrunde legen zu wollen. Es findet sich jedoch unter den Organisationen, die Nutzenbewertungen durchführen, keine die dieser Argumentation folgen. Mit anderen Worten: Wenn Studien auf höchstem Evidenzgrad möglich sind und vorliegen, ermöglichen Studien auf niedrigerer Evidenzstufe keinen Zuwachs an Ergebnissicherheit der Nutzenbewertung.

  • Das Institut und der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) sind sich jedoch bewusst, dass Studien höchster Evidenz nicht immer verfügbar sind, wie beispielsweise bei sehr seltenen Krankheitsbildern. Das IQWiG schließt gemäß seinem Methodenpapier niedrigere Evidenzstufen per se nicht aus, und kann in begründeten Fällen vom Studieneinschlusskriterium der höchsten Evidenzstufe abweichen. Gerade bei Bewertungen nicht-medikamentöser Verfahren hat das Institut auch Studien niedrigerer Evidenzstufe eingeschlossen. Hierzu bedarf es jedoch einer expliziten Begründung und dem Bewusstsein, dass die Verlässlichkeit der Bewertung („Ergebnissicherheit“) kaum derjenigen unter Einbezug von höchster Evidenz entsprechen kann. Da die Empfehlungen des IQWiGs als Entscheidungsgrundlage für den Gemeinsamen Bundesausschusses dienen, steht es wohl außer Frage, eine hohe Ergebnissicherheit der Nutzenbewertung für die Gesundheitsversorgung und damit für den Schutz der Patienten zu fordern. Dies wird auch durch die Verfahrensordnung des G-BA in §20 geregelt: „Die Anerkennung des medizinischen Nutzens einer Methode auf (...) einer niedrigeren Evidenzstufe bedarf jedoch (...) zum Schutz der Patienten umso mehr einer Begründung, je weiter von der Evidenzstufe 1 abgewichen wird.“

  • Als letztes Beispiel möglicher Missverständnisse kann der nicht selten geäußerte Vorwurf mangelnder Transparenz, insbesondere der Prüfkriterien genannt werden. Das Institut entspricht auch hier dem gesetzlichen Auftrag [GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz 2007, Änderung § 35b (1): „Das Institut gewährleistet ... hohe Verfahrenstransparenz und angemessene Beteiligung der in § 35 Abs. 2 und § 139a Abs. 5 Genannten. Das Institut veröffentlicht die jeweiligen Methoden und Kriterien im Internet“; vgl. IQWiG 2009], indem es seine Methoden (Allgemeine Methoden und Berichtspläne) publiziert bzw. zur Diskussion stellt. Ebenso werden die vorläufigen Ergebnisse einer Nutzenbewertung im Internet veröffentlicht (Vorbericht), zu denen Stellung genommen werden kann. Die Stellungnahmen werden dementsprechend bei der Erstellung des Abschlussberichts gewürdigt. Beim Stellungnahmeverfahren können auch Studien niedrigerer Evidenz eingereicht werden. In begründeten Fällen, wie beispielsweise dem Nachweis eines dramatischen Effektes, können diese dann in die Nutzenbewertung mit einfließen.

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Literatur

  • IQWiG 2009 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG): Methoden und Werkzeuge. URL: http://www.iqwig.de/methoden-werkzeuge.427.html (Stand: 15.05.2009)

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© 2009 acatech — Deutsche Akademie der Technikwissenschaften, Springer-Verlag Berlin Heidelberg

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Kulig, M. (2009). Nutzenbewertung durch das IQWiG — Hürde oder Sinnvolles Verfahren zur Prüfung der Patientenrelevanz?. In: Schmitz-Rode, T. (eds) Runder Tisch Medizintechnik. acatech DISKUTIERT. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-02600-3_7

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-642-02600-3_7

  • Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg

  • Print ISBN: 978-3-642-02599-0

  • Online ISBN: 978-3-642-02600-3

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