Das Problem der sog. „Sterbehilfe“ ist im Spannungsfeld der ärztlichen Behandlungspflicht und der Patientenautonomie zu sehen1. Hier ist für den Arzt2, der sterbens- bzw. schwerkranke Patienten behandelt, nach wie vor manches unklar. Vor allem strafrechtliche Fragen sind für den Arzt von großer Bedeutung3. Die unsichere Rechtslage und die Vielschichtigkeit der denkbaren Entscheidungsgrundlagen erschweren es ihm, eine Entscheidung für oder gegen einen Behandlungsabbruch am Lebensende zu treffen4. Schon die Ermittlung des Patientenwillens5, der eine zentrale Rolle für den behandelnden Arzt spielt, ist nicht immer einfach. Umso schwieriger gestaltet es sich, wenn weder eine tatsächliche noch eine mutmaßliche Einwilligung des Patienten vorliegt und ein einverständlicher Behandlungsabbruch ausscheidet. In einem solchen Fall stellt sich dann häufig die Frage, ob ein einseitiger Behandlungsabbruch6möglich ist und welche Kriterien der Arzt bei seiner Entscheidungsfindung zu berücksichtigen hat. Die sozioökonomische Entwicklung führt zu der Überlegung, inwiefern bei der rechtlichen Bewertung von Behandlungsabbrüchen neben dem Lebenserhaltungsinteresse auch Gesichtspunkte der Kosteneffektivität eine Rolle spielen können7. Es entspricht der Realität, dass ein Arzt bei seinen Behandlungsentscheidungen immer häufiger auch ökonomische Aspekte8 berücksichtigt bzw. berücksichtigen muss9. Kostenbegrenzungen im Gesundheitswesen zwingen ihn dazu10. Das wurde auch ganz deutlich in der Entscheidung des britischen National Institute for Clinical Excellence, das vor wenigen Wochen entschied, dass 2.100 bis 3.500 Euro pro Mensch und Monat zu viel seien. Dies beinhaltet auch die Maßgabe, dass derzeit vier Krebsmedikamente für Patienten mit fortgeschrittenem Nierenzellkarzinom künftig vom Gesundheitssystem nicht mehr zu bezahlen sind. Ähnliche – wenn auch nicht eine Behandlung am Lebensende betreffende – Diskussionen gab es auch in Deutschland, als das Pharmaunternehmen Novartis Anfang des Jahres 2007 sein Medikament zur Bekämpfung der altersabhängigen Makuladegeneration11 auf den Markt brachte12. Lässt man derartige Kriterien in die Entscheidung über den ärztlichen Behandlungsabbruch einfließen, bedeutet dies jedoch zugleich, das Lebenserhaltungsinteresse des Patienten mit materiellen Interessen in Verhältnis zu setzen13. Bereits die Grobskizzierung der Problemfelder macht deutlich, dass es erforderlich ist, die Möglichkeiten des ärztlichen Behandlungsabbruchs am Lebensende zu erörtern und mehr Rechtssicherheit für den Arzt einzufordern.
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Müller, G.A., Knöbl, J. (2009). Der ärztliche Behandlungsabbruch, Änderung der Therapieziele am Lebensende – Rechtssicherheit für den Arzt?. In: Medizin und Haftung. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-00612-8_23
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