Auszug
„Der Mythus ist mehr Deine Welt,“ schrieb Friedrich Creuzer an Karoline von Günderrode, „darum sind auch Deine Skandinavischen Sagen so treflich, so nordisch-dunkel, einsylbig und gros gehalten. Ich hab’ sie gerne gelesen. Aber noch lieber doch Aegypten. Der verschiedne Rhythmus den Du ihm im Gegensatz gegen den Nil gegeben hast, ist der Natur recht abgelauscht und wunderschön. Wiewohl doch Aegypten im Ausdruck mir gelungener erscheinet als der Nil.“1 Mythos und Symbolik standen im Zentrum von Günderrodes Dichtung sowie Creuzers wissenschaftlicher Forschung. In der kurzen Zeit ihres engen Verhältnisses, das im August 1804 mit Günderrodes Besuch in Heidelberg bei ihrer Freundin Sophie Daub2 begann und nur bis zum Juli 1806 dauerte, haben sie gemeinsam aber in unterschiedlichen Texten am Mythos gearbeitet und sich darüber ausgetauscht, so dass Mythos und Symbolik als der geistige Mittelpunkt ihres Werkes und ihrer symbiotischen Beziehung angesehen werden kann. In der Forschung ist zumeist Creuzer als Mentor, Günderrode als die Empfangende, die Creuzers Ideen in Dichtung umsetzte, angesehen worden: „Das Beste, was sie [Günderrode] geschaffen, ist von ihm [Creuzer] eingegeben,“ meinte Levin in seiner Darstellung der Heidelberger Romantik,3 ein in der Romantik-Forschung vielfach wiederholtes Urteil. Creuzer habe in Günderrode die „verständnisvolle mitleidende Freundin, [. . .] das schöne begehrenswerte Weib“ gefunden, ihre mystische Frömmigkeit habe ihn angezogen.4
Preisendanz 1912, 232; Brief vom 20. 2. 1806. Creuzer gebrauchte Mythus und Mythos nebeneinander ohne Unterscheidung.
Sophie Daub geb. Blum, eine Jugendfreundin der Günderrode-Schwestern in Hanau, war mit dem Professor der Theologie in Heidelberg Carl Daub (1765–1835) verheiratet, dermit seinem Kollegen Creuzer befreundet war.
Levin 1922, 49.
Preisendanz 1912, VII
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Becker-Cantarino, B. (2008). Mythos und Symbolik bei Karoline von Günderrode und Friedrich Creuzer. In: Strack, F. (eds) 200 Jahre Heidelberger Romantik. Heidelberger Jahrbücher, vol 51. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-540-75234-9_15
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