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„Multikulturalismus“ oder deutsche „Leitkultur“ als Maximen der „Integration“ von Ausländern

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Politische Streitfragen

Zusammenfassung

Seit Ereignissen wie der Ermordung des Filmemachers Theo van Gogh im November 2004 durch einen islamistischen Fanatiker und nach den Anschlägen auf 20 Moscheen in den Niederlanden, der islamistischen Terrorakten in London und Madrid hat in Deutschland die Sorge um die Integration der Ausländer und der neuen ethnischen Minderheiten im deutschen Staatsvolk immer wieder zu einer Zuspitzung der jahrzehntelangen Auseinandersetzung um eine angemessene Integrationspolitik geführt. Dabei kommen ganz unterschiedliche Vorstellungen von politischer, gesellschaftlicher und kultureller Integration der Eingewanderten zum Ausdruck, die sowohl in den kontroversen Integrationserwartungen vieler Deutscher an die neuen Einwohner und Bürger als auch in der ebenfalls höchst unterschiedlichen Integrationsbereitschaft der Immigranten deutlich werden. Die Angst vor zukünftigen islamistisch-terroristischen Anschlägen und vor gewaltsamen Konflikten oder gar vor pogromartigen Vorgängen, wie immer wieder in anderen europäischen Ländern oder vor einigen Jahren in Rostock, kulminiert im Schreckbild von mehreren „Parallelgesellschaften“ in Deutschland, die von der linken Politik des „Multikulturalismus“ befördert würden und im Wunschbild einer sprachlich homogenen Gesellschaft des deutschen Nationalstaats unter dem Schlagwort der „deutschen Leitkultur“.

Beide Schlagwörter polarisieren die Gesellschaft in fataler Weise. Der unglückliche Ausdruck „Leitkultur“ suggeriert eine Führungsfunktion der deutschen Kultur gegenüber anderen „geleiteten Kulturen“; der nicht minder unglückliche Ausdruck „Multikulturalismus“ einen politisch-kulturellen Relativismus und eine Mißachtung der Realität moderner Nationalstaaten, die einen Raum für die Vorherrschaft, den Schutz und die Bewahrung der jeweiligen Nationalkultur schaffen, die sich gleichwohl ständig im interkulturellen Austausch und infolge der internationalisierten gesellschaftlichen Dynamik wandeln kann und muß. Auch neue Formeln wie „Der Islam gehört (nicht) zu Deutschland“ vernebeln durch ihre primitive Vereinfachung das komplizierte Verhältnis von religiösen, kulturellen, ethnischen und politischen Traditionen einerseits und neuen Einflüssen auf die Gesellschaft und die Kultur Deutschlands infolge der umfangreichen Einwanderung aus zahlreichen Ländern Europas und anderen Erdteilen andererseits. Die Schlagwörter bedienen zum einen diffuse Stimmungslagen und verdecken zum anderen auch konkrete Differenzen in einzelnen politischen Fragen. Der fatalen Polarisation der Gesellschaft kann nur durch die Benennung der unterschiedlichen Interessen und Auffassungen in den je einzelnen Entscheidungssituationen unter weitgehender Vermeidung emotional aufgeladener Kampfparolen entgegengewirkt werden.

Vorlesung vom 18. April 2011 in Frankfurt und vom 6. Dezember 2004 in Mannheim.

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© 2012 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH

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Jahn, E. (2012). „Multikulturalismus“ oder deutsche „Leitkultur“ als Maximen der „Integration“ von Ausländern. In: Politische Streitfragen. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-94312-1_3

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  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

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