Zusammenfassung
Die Bestimmung dessen, was unter „Sozialpädagogik“, „Sozialarbeit“ sowie „Soziale Arbeit“ verstanden wurde und zu verstehen ist, steht für ein schwieriges Geschäft auf oftmals unsicherem Gelände (vgl. auch die Beiträge von Rauschenbach und Züchner sowie von Thole in diesem Band). So redete Klaus Mollenhauer noch 1959 der „Pädagogik als Grundlagentheorie der Sozialen Arbeit“ das Wort und meinte dagegen argumentieren zu können, dass die Sozialwissenschaft diejenige Disziplin sei, die als eine derartige Theorie „fungieren könne“ (Mollenhauer 1959, S. 129 ff.). Dreißig Jahre später revidierte Mollenhauer (1988) diese Verortung mittels des Hinweises, dass dem modernen großstädtischen Jugendlichen weniger die Pädagogik Not tue denn eine vernünftige soziale Infrastruktur. Damit lieferte er ein Zeugnis für die zwischenzeitlich – nicht zuletzt unter Mitwirkung Mollenhauers – erfolgte Versozialwissenschaftlichung sozialpädagogischer Lesarten, ein Fortschritt, der wiederum acht Jahre später durch Mollenhauer infrage gestellt wurde, als er in tadelnder Absicht geltend machte, die Sozialpädagogik habe sich schwer getan, „einen genuin begründeten pädagogischen Grundgedankengang gut begründet aufrechtzuerhalten“ (Mollenhauer 1996, S. 278). Der Sozialpädagogik, so darf man aus diesem Beispiel lernen, fiel es in der Nachkriegszeit offenbar schwer, ihre disziplinäre Verortung vor dem Hintergrund des sozialwissenschaftlichen Erkenntnisfortschritts widerspruchsfrei zu sichern (vgl. Niemeyer 1997).
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Literatur
Werkausgaben
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bacher u. a. Berlin u. Leipzig 1927 ff.
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Niemeyer, C. (2012). Sozialpädagogik, Sozialarbeit, Soziale Arbeit –„klassische“ Aspekte der Theoriegeschichte. In: Thole, W. (eds) Grundriss Soziale Arbeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-94311-4_5
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