Zusammenfassung
Männer sind ohne jeden Zweifel nicht schon deshalb Adressaten der Sozialen Arbeit, weil sie Männer – und nicht Frauen oder Kinder – sind. In allen Arbeits-feldern der Sozialen Arbeit trifft man jedoch offenkundig auf Männer, als männliche Jugendliche in der Jugendarbeit und Jugendhilfe, als männliche Klienten in nahezu allen übrigen Arbeitsfeldern sowie als männliche Mitverursacher der Probleme der jeweiligen männlichen und weiblichen Klientel, aber auch als Kollegen, Vorgesetzte oder als Autoren von Fachtexten. Jungen und Männer bilden zudem einen großen Teil derjenigen Klientengruppen Sozialer Arbeit, die sich nicht einfach nur in einer problematischen Lebens situation befinden und deshalb als hilfsbedürftig gelten, sondern die als Straf- und Gewalttäter in den Blick der Instanzen sozialer Kontrolle geraten und dann im Rahmen der Jugendgerichtshilfe oder als Gefängnisinsassen zu Klienten der Sozialen Arbeit werden. In all diesen Fällen gibt es wiederkehrend Indizien dafür, dass Einzelne, Gruppen und Cliquen in ihrem Erleben, Denken und Handeln geschlechtsspezifische Merkmale aufweisen. Zumindest immer dann, so kann zunächst grob vereinfachend formuliert werden, wenn Körperlichkeit, Sexualität und physische Gewalt in irgendeiner Weise von Bedeutung sind, sind typische Unterschiede zwischen Männer und Frauen, Jungen und Mädchen nicht zu übersehen. Aber auch der Umgang mit Alkohol und illegalen Drogen, die Bewältigungsformen von Stresssituationen und die psychosomatischen Krankheitsbilder weisen geschlechtsdif-ferente Ausprägungen auf, wie jede Lektüre einschlägiger Statistiken zeigt. Dabei finden sich Männer keineswegs immer auf der Seite der relativen Gewinner und Privilegierten, sie werden etwa vielmehr erheblich häufiger kriminalisiert und sie töten sich auch häufiger als Frauen (vgl. Albert 2005; Bundeskriminalamt 2008; Gesundheitsberichterstattung 2006; Statistisches Bundesamt 2008). In der neueren Bildungsdiskussion wird zudem eine Umkehrung geschlechts-bezogener Benachteiligung in Schulen thematisch: Nicht mehr „katholische Arbeitermädchen vom Land“, sondern männliche Jugendliche, insbesondere solche aus sogenannten bildungsfernen Milieus und mit Migrationshintergrund, treten hier als Problemgruppe in den Blick (vgl. Budde 2008).
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Scherr, A. (2012). Männer als Adressatengruppe und Berufstätige in der Sozialen Arbeit. In: Thole, W. (eds) Grundriss Soziale Arbeit. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-94311-4_35
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