Sozioökonomische Dynamik der Energiewende

Zusammenfassung

Ohne Zweifel gehört die Art der Energieerzeugung und -nutzung zu den wesentlichen Bestimmungsfaktoren der sozioökonomischen Entwicklung einer Gesellschaft. Eine der Grundaussagen soziologischer Energieforschung lautet, dass Energiesysteme nicht nur den „technischen Entwicklungsgrad“ von Gesellschaften, sondern den „gesamten Zusammenhang von Produktion und Lebensweise“ reflektieren (Ossing u. a. 1991, zit. nach Reusswig 1994: 133). Schon die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts kann als Ergebnis einer fundamentalen Energiewende aufgefasst werden – als Transformation vorindustrieller „Niedrigenergiegesellschaften“ in industrialisierte „Hochenergiegesellschaften“ (Reusswig 1994: 141). Ein wesentliches Kennzeichen dieses Umwälzungsprozesses war die Befreiung der Technologieentwicklung von einer „inneren Schranke“ – der Gebundenheit an die traditionellen Energieträger Holz, Wind, Wasser und Muskelkraft (Otten 1986: 304). Mit dem Übergang zu fossilen Energieträgern – zunächst Kohle, später auch Erdöl und Erdgas – wurde diese Schranke überwunden, was die industrielle Entfesselung der Produktivkräfte überhaupt erst ermöglichte. Die wirksame Erschließung der Energiequelle Kohle als neuer Brenn- und Rohstoffbasis, so Wehler (1989: 337 f.), „verlangte (…) eine ebenso neuartige Technologie, welche nur die gewerblich-industrielle Wirtschaft entwickeln konnte und die dieser wiederum in einem Rückkopplungseffekt außergewöhnliche Impulse mitteilte“. Die weiteren Folgen sind bekannt: Entstehung eines expandierenden industriellen Produktionssektors; Revolutionierung des Verkehrswesens; Landflucht und Urbanisierung; sozioökonomische Umwälzungen durch die Entstehung einer breiten industriellen Lohnarbeiterklasse, den Aufstieg eines industriekapitalistischen Großbürgertums usw.