Zusammenfassung
„Jugendlichkeit“ ist ein zentraler Wert unserer an Gesundheit und Vitalität orientierten Gesellschaft. Doch gleichzeitig wird die Lebensphase „Jugend“ auch mit Defiziten, Störungen und riskanten Verhaltensweisen assoziiert. Besondere mediale und politische Aufmerksamkeit erhalten Jugendliche, wenn sie mit strafrechtsrelevantem Verhalten, also mit (Jugend-)Kriminalität, in Erscheinung treten. In diesem Kontext geht es dann in der Regel nicht um aktuelle kriminologische und/oder sozialpädagogische Befunde, sondern Boulevardjournalismus und Teile der staatlichen Politik stellen auf wenige dramatische Einzelfälle ab, die zu Symbolen einer „Verrohung“ Jugendlicher, einer verfehlten Integrationspolitik oder einer zu „weichen“ Kriminalpolitik und Justiz stilisiert werden. Da die Massenmedien und selbst die polizeilichen Pressemitteilungen spezifische Formen von Normabweichungen besonders häufig thematisieren, wird dadurch zugleich eine spezifische Wahrnehmung von Delikthäufigkeiten produziert (vgl. Schwindt 2007: 283ff). So ist insbesondere physische Gewaltanwendung gegen Personen deutlich überrepräsentiert. Dass es sich hierbei im Vergleich zu statistisch ermittelten Delikthäufigkeiten um Verzerrungen handelt, wird massenmedial und politisch kaum ernst genommen, auch wenn die Wissenschaft dies nahezu durchgängig kritisch thematisiert. Immerhin ist sich die Fachwelt im Falle der Kriminalität Jugendlicher in einigen wichtigen Punkten weitestgehend einig. Sie liefert Erkenntnisse, die das öffentlich kommunizierte Bild differenzieren und korrigieren. Zentrale Befunde sind u.a. die folgenden Aspekte.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Beckett, K., 1997: Making crime pay. New York.
Boers, K., 2007: Hauptlinien der kriminologischen Längsschnittforschung. In: K. Boers/J. Reinecke (Hg.): Delinquenz im Jugendalter. Münster u.a. S. 5–40#.
Böschen, S., 2007: Wissenschaft und Gesellschaft. In: R. Schützeichel (Hg.): Handbuch Wissenssoziologie und Wissensforschung. Konstanz. S. 751–763.
Bundesministerium des Inneren/Bundesministerium der Justiz (BMI/BMJ), 2006: Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht. Berlin.
Cullen, F.T., 2005: The Twelve People Who Saved Rehabilitation: How the Science of Criminology Made a Difference. In: Criminology. 43. Jg. S. 1–42.
Dölling, D., 2007: Kinder- und Jugenddelinquenz. In: H.J. Schneider (Hg.): Internationales Handbuch der Kriminologie. Bd. 1: Grundlagen der Kriminologie. Berlin. S. 469–507.
Farrington, D.P., 2007: Die Entwicklungs- und Lebenslaufkriminologie/Developmental and Life-Course Criminology. In: H.J. Schneider (Hg.): Internationales Handbuch der Kriminologie. Bd. 1: Grundlagen der Kriminologie. Berlin. S. 183–207.
Ferchhoff, W., 2007: Jugend und Jugendkulturen im 21. Jahrhundert. Wiesbaden.
Foucault, M., 1998: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. 12. Aufl. Frankfurt a.M.
Füssenhäuser, C./Thiersch, H., 2005: Theorien der Sozialen Arbeit. In: H.-U. Otto/H. Thiersch (Hg.): Handbuch Sozialarbeit/ Sozialpädagogik, 3. Aufl. München. S.1876–1901.
Gerken, J./Schumann, K.F. (Hg.), 1988a: Ein trojanisches Pferd im Rechtsstaat. Der Erziehungsgedanke in der Jugendgerichtspraxis. Pfaffenweiler.
Gerken, J./Schumann, K.F., 1988b: Ein trojanisches Pferd im Rechtsstaat. Der Erziehungsgedanke in der Jugendgerichtspraxis. In: dies. (Hg.): Ein trojanisches Pferd im Rechtsstaat. Der Erziehungsgedanke in der Jugendgerichtspraxis. Pfaffenweiler. S. 1–10.
Graebsch, C., 2004: „Evidence-based Crime Prevention“. Anspruch und Praxisbeispiele einer Kriminalpolitik nach medizinischem Modell. In: Kriminologisches Journal. 36. Jg., S. 266–283.
Groenemeyer, A., 2007: Gibt es eigentlich noch abweichendes Verhalten? In: Kriminologisches Journal. 39. Jg. S. 162–184.
Heinz, W., 2003: Jugendkriminalität in Deutschland. Kriminalstatistische und kriminologische Befunde (www.uni-konstanz.de/rtf/kik/Jugendkriminalitaet-2003-7-e.pdf; Zugriff 16.03.2005).
Heinz, W., 2006: Kriminelle Jugendliche – gefährlich oder gefährdet? Konstanz.
Heinz, W., 2008: Stellungnahme zur aktuellen Diskussion um eine Verschärfung des Jugendstrafrechts. In: Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe. 19. Jg. S. 87–96.
Hess, H./Scheerer, S., 2004: Theorie der Kriminalität. In: D. Oberwittler/S. Karstedt (Hg.): Soziologie der Kriminalität. Wiesbaden. S. 69–92.
Holstein, J.A./Miller, G., 2003: Social Constructionism and Social Problems Work. In: dies. (Hg.): Challenges and Choices. Constructionist Perspectives on Social Problems. New York. 70–91.
Kardorff, E. von, 1998: Kooperation, Koordination und Vernetzung. Anmerkungen zur Schnittstellenproblematik in der psychosozialen Versorgung. In: B. Röhrle/G. Sommer/F. Nestmann (Hg.): Netzwerkintervention. Tübingen. S. 203–222.
Kreuzer, A., 1996: Jugendkriminalität. In: G. Kaiser/H.-J. Kerner/F. Sack/H. Schellhoss (Hg.): Kleines Kriminologisches Wörterbuch. Heidelberg. S. 182–191.
Kunz, K.-L., 2004: Kriminologie. 4. Aufl. Bern u.a.
Kury, H./Obergfell-Fuchs, J., 2006: Punitivität in Deutschland – Zur Diskussion um eine neue Straflust. In: T. Feltes/C. Pfeiffer/G. Steinhilper (Hg): Kriminalpolitik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen. Heidelberg. S. 1021–1043.
Lautmann, R./Klimke, D./Sack, F. (Hg.), 2004: Punitivität. 8. Beiheft des Kriminologischen Journals. Weinheim.
Linssen, R., 2003: Gewalt im Jugendalter – Stereotypen in den Medien. In: Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation. 23. Jg. S. 147–164.
Löschper, G., 2000: Reflexive Kriminologie? Oder: Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu. In: Kriminologisches Journal. 32. Jg. S. 274–276.
Luhmann, N., 2004: Die Realität der Massenmedien. 3. Aufl. Wiesbaden.
Mansel, J./Klocke, A., 1996: Zwischen Stigma, Wirklichkeit, Selbstanspruch und Ideal. In: dies. (Hg.): Die Jugend von heute. Selbstanspruch, Stigma und Wirklichkeit. Weinheim/München. S. 7–16.
May, M., 2008: Aktuelle Theoriediskurse Sozialer Arbeit. Wiesbaden.
Müller, S., 2001: Erziehen – Helfen – Strafen. Das Spannungsverhältnis von Hilfe und Kontrolle in der Sozialen Arbeit. Weinheim/München.
Müller, S./Trenczek, T., 2001: Jugendgerichtshilfe – Jugendhilfe und Strafjustiz. In: H.-U. Otto/H. Thiersch (Hg.): Handbuch der Sozialarbeit/Sozialpädagogik. 2. Aufl. Neuwied/Kriftel. S. 857–873.
Nickolai, N./Wichmann, C. (Hg.), 2007: Jugendhilfe und Justiz. Freiburg.
Nienhaus, G., 1999: Subjektive Erklärungskonzepte jugendlicher Delinquenz: Qualitative Inhaltsanalysen sozialpädagogischer Stellungnahmen der Jugendgerichtshilfe (Diss. Univ. Essen).
Ostendorf, H., 2005: Der Erziehungsgedanke zwischen Rigidität und Diktat leerer Kassen. In: Zentralblatt für Jugendrecht. 11. Jg., S. 415–425.
Otto, H.-U., 2007: Zum aktuellen Diskurs um Ergebnisse und Wirkungen im Feld der Sozialpädagogik und Sozialarbeit. Berlin.
Pfadenhauer, M., 2005: Die Definition des Problems aus der Verwaltung der Lösung. In: M. Pfadenhauer (Hg.): Professionelles Handeln. Wiesbaden. S. 9–22.
Pfeiffer, C./Wetzels, P., 2006: Kriminalitätsentwicklung und Kriminalpolitik: Das Beispiel Jugendgewalt. In: T. Feltes/ C. Pfeiffer/G. Steinhilper (Hg): Kriminalpolitik und ihre wissenschaftlichen Grundlagen. Heidelberg. S. 1095–1127.
Prein, G./Seus, L., 2003: Stigmatisierung in dynamischer Perspektive. In: K.F. Schumann (Hg.): Delinquenz im Lebensverlauf. Weinheim/München. S. 145–180.
Rapold, M., 2002: Schweigende Lämmer und reißende Wölfe, moralische Helden und coole Zyniker. Zum öffentlichen Diskurs über „sexuellen Kindesmissbrauch“ in Deutschland.
Santen, E.v./Seckinger, M., 2003a: Kooperation: Mythos und Realität einer Praxis. München.
Santen, E.v./Seckinger, M., 2003b: Kooperation in der Kinder- und Jugendhilfe. In: C. Schweppe (Hg.): Qualitative Forschung in der Sozialpädagogik. Opladen. S. 119–144.
Scherr, A., 2006: Jugenden. In: ders. (Hg.): Soziologische Basics. Wiesbaden. S. 86–90.
Scherr, A., 2007: Jugendhilfe, die bessere Form des Strafvollzugs? Chancen und Risiken. In: W. Nickolai/C. Wichmann (Hg.): Jugendhilfe und Justiz. Freiburg. S. 68–83.
Schmidt, L., 2008: Problemarbeit und institutioneller Kontext. In: A. Groenemeyer/S. Wieseler (Hg.): Soziologie sozialer Probleme und sozialer Kontrolle. Wiesbaden. S. 35–47.
Schneider, H.J., 2007: Theorien der Kriminologie (Kriminalitätsursachen). In: ders. (Hg.): Internationales Handbuch der Kriminologie. Bd. 1: Grundlagen der Kriminologie. Berlin. S. 125–181.
Schumann, K.F., 2003: Delinquenz im Lebenslauf – Ergebnisbilanz und Perspektiven. In: ders. (Hg.): Delinquenz im Lebenslauf. Weinheim/München. S. 209–222.
Schwindt, H.-D., 2007: Kriminologie. 17. Aufl. Heidelberg.
Sonnen, B.-R., 2007: Stand und Entwicklung des Jugendkriminalrechts. In: Recht der Jugend und des Bildungswesens. 55. Jg., S. 128–140.
Sotirovic, M., 2003: How Individuals Explain Social Problems. The Influences of Media Use. In: Journal of Communication. 53. Jg. S. 122–137.
Stelly, W./Thomas, J., 2005: Kriminalität im Lebenslauf. Tübingen (Tübinger Schriften und Materialien zur Kriminologie; Bd. 10).
Thole, W., 2002: Soziale Arbeit als Profession und Disziplin. In: W. Thole (Hg.): Grundriss Soziale Arbeit. Opladen. S. 13–59.
Trenczek, T., 2003: Die Mitwirkung der Jugendhilfe im Strafverfahren. Weinheim u.a.
Walter, M., 2005: Jugendkriminalität. 3. Aufl. Stuttgart u.a.
Wehling, P., 2007: Wissen und Nichtwissen. In: R. Schützeichel (Hg.): Handbuch Wissenssoziologie und Wissensforschung. Konstanz. S. 485–494.
Weingart, P., 2003: Wissenschaftssoziologie. Bielefeld.
White, S./Featherstone, B., 2005: Communicating misunderstandings: multi-agency work as social practice. In: Child and Family Social Work. 10. Jg. S. 207–216.
Author information
Authors and Affiliations
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2011 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
About this chapter
Cite this chapter
Dollinger, B., Schmidt-Semisch, H. (2011). Sozialpädagogik und Kriminologie im Dialog. Einführende Perspektiven zum Ereignis „Jugendkriminalität“. In: Dollinger, B., Schmidt-Semisch, H. (eds) Handbuch Jugendkriminalität. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-94164-6_1
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-94164-6_1
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-18090-8
Online ISBN: 978-3-531-94164-6
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)