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Sexy Bodies pp 261–277Cite as

Am vorläufigen Ende

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Zusammenfassung

Hier nun ist die Reise durch den Geschlechtskörper an ihrem vorläufigen Ende angelangt. Verschiedene Stationen liegen hinter uns; der zunächst, also am Anfang der Fahrt, womöglich sicher geglaubte Körper hat sich verwandelt, verändert, vielleicht sogar aufgelöst. Das war auch intendiert und das ist letztendlich auch ein dem Reisen selbst innewohnender Effekt: Das Reiseziel scheint bei Abfahrt klar und eindeutig bestimmbar – je näher man ihm aber kommt, je mehr man sich auf den neuen Ort einlässt, um so unklarer und komplexer wird er. So gesehen, ist jede ernsthafte soziologische Auseinandersetzung mit einem Gegenstand eine Reise, bei der sich das Ziel verändert und meistens irgendwie auflöst oder aufzulösen scheint. Während es im Alltag überwiegend unproblematisch ist über ,die Gesellschaft‘, ,den Arbeitsmarkt‘, ,die Männer‘ oder ,die Familie‘ zu sprechen, so entpuppen sich diese Phänomene bei genauerer Betrachtung als komplex, vielschichtig, widersprüchlich und in ihrer Verallgemeinerung als inexistent. Will heißen: DenArbeitsmarkt oder die Familie gibt es bei näherer Betrachtung gar nicht. Vielmehr gibt es verschiedene Arbeitsmärkte (z.B. graue, segregierte, staatlich regulierte oder gänzlich deregulierte, nach Branchen unterschiedene, vergeschlechtlichte, historisch ganz unterschiedliche) oder – inzwischen – ganz unterschiedliche Formen von Familie (verheiratete, nichtverheratete, in eheähnlicher Gemeinschaft lebende heterosexuelle oder homosexuelle Paare; ‚Patchworkfamilien; Familien, die an verschiedensten Orten zugleich leben, familienartige Wohngemeinschaften usw.). Bei vielen Begriffen, die in der Soziologie relevant sind, und die eine gewisse Tradition als Forschungsgegenstand haben, ist dieser Sachverhalt sofort einsichtig. Wer auch nur ein paar Semester Soziologie studiert hat weiß, wie kompliziert die Dinge des Alltags werden (können). Seminare, Fachliteratur und Forschungsprojekte befassen sich mit den Dingen, die im Alltag so selbstverständlich sind wie z.B. Medien, Städte, Handlungen in kleinen oder großen Gruppen, mit Betrieben, moralischen Entscheidungen, Alter oder Bürokratie und Verwaltung. Inzwischen, wenn vielleicht auch spät im Vergleich zu anderen Kategorien und Objekten der Soziologie, ist auch das Geschlecht ein soziologisch relevanter und erklärungswürdiger Sachverhalt geworden. Seit Frauenbewegung und Frauenforschung vieles, was als gesellschaftlich unhinterfragbar oder unveränderbar galt, in Frage gestellt und der gesellschaftlichen Reflexion, also auch der Forschung zugänglich gemacht haben, ist es nicht mehr ohne Weiteres möglich, von den Frauen oder den Männern bzw. dem Geschlecht zu sprechen und dabei zu unterstellen, alle am Diskurs beteiligten wüssten genau, was damit gemeint ist. Diese Verunsicherung bzw. Öffnung betrifft sowohl die Soziologie wie das gesellschaftliche Leben im Allgemeinen. So sind das soziale Geschlecht und die sog. Geschlechterrollen einem tiefgreifenden und beständigem Wandel ausgesetzt. Sie werden z.T. so durchlässig, dass sie in den Augen mancher Autoren/innen sich gewissermaßen selbst überholt haben: Die Modernisierung der Gesellschaft, z.B. verstanden als Übergang vom Modus der stratifikatorischen zur funktionalen Differenzierung, lasse es durchaus zu, dass Personen eben nicht als, sondern jenseits und in Übersehung ihres Geschlechts in Subsysteme integriert werden.376 Ebenso argumentiert Hirschauer in seinem Plädoyer für die Gender Studies als „Geschlechtsdifferenzierungsforschung“ (Hirschauer 2003) nachdrücklich für die Offenheit des soziologischen Blicks gerade auch für Phänomene der Ent- Geschlechtlichung. Geschlechtszugehörigkeit, so seine These dabei, ist eben nicht allgegenwärtig, sondern wird – je nach Situation und ‚Rahmung‘ – aktualisiert oder auch nicht. Wie auch immer man zu solchen Diagnosen und Zugängen steht, eines ist sicher: Wie leben in einer gesellschaftlichen Realität, die von einer wachsenden Reflexivität und Entgrenzung tradierter Geschlechternormen geprägt ist. Vor diesem Hintergrund, der eine Lockerung der sozialen Geschlechterdifferenz suggeriert, erscheint der Körper als ,letzter Anker‘ des Geschlechts, als seine Essenz: ,Ich bin eine Frau, das sieht man doch‘. So oder ähnlich lauten spontane Reaktionen, wenn vom Geschlechtskörper die Rede ist.

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© 2011 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH

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Villa, PI. (2011). Am vorläufigen Ende. In: Sexy Bodies. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93415-0_6

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-93415-0_6

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-16041-2

  • Online ISBN: 978-3-531-93415-0

  • eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)

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