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„We are Family“: Erfahrungswissen Familie – Familien im Mitmachfernsehen. Ein Diskurs bewegter Bilder

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Methodologie und Praxis der Wissenssoziologischen Diskursanalyse

Part of the book series: Theorie und Praxis der Diskursforschung ((TPEDF))

Zusammenfassung

Familie hat in den Massenmedien Konjunktur und dort besonders im aktuellen Fernsehprogramm. Wir können sicher sein: Sobald aktuell ein TV-Gerät eingeschaltet wird, begegnet uns nicht nur eine Familie, sondern – und darauf zielt dieser Artikel insbesondere ab – eine Familienkonstellation, die dem wirklichen, dem tatsächlichen, dem ungeschminkten wie ungestellten Leben entspringt. Reality-TV bzw. Realitätsfernsehen bezeichnet ein Programmformat, das mit dem Anspruch auftritt, Realität im Sinne der alltäglichen Lebenswelt darzustellen. Dabei greift es auf Konventionen und Merkmale zurück, die anderen Genres entnommen werden, zum Teil aus Dokumentationen oder Serien. Es handelt sich um Unterhaltungssendungen, die „konkret in die Alltagswirklichkeit der Menschen“ (Keppler 1994: 8f) eingreifen, im Vordergrund dabei steht der Eindruck des Authentischen (vgl. Keppler 2006: 251). Aktuell konzentrieren sich die unterschiedlichsten der sogenannte Reality-TV-Formate auf das Thema Familienleben: Sie bilden ihren Selbstbeschreibungen zufolge, wie sie auf verschiedenen Homepages der Sendungen, Sender oder Programmagenturen nachzulesen sind, das Familienleben genau so ab, wie es sich unabhängig von der Kamera vollziehen würde. Sie (re-)organisieren damit aber auch spezifische Wissenskonfigurationen zum Thema Familie.

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Notes

  1. 1.

    Foucault betonte bereits den Reziprozitätscharakter zwischen einem Diskurs und den mit und durch den Diskurs sich realisierenden Begriffen, Gegenständen, den Strategien und den Äußerungsmodalitäten. So wartet der Gegenstand nicht in der „Vorhölle auf die Ordnung, die in befreiende und die ihm gestatten wird, in einer sichtbaren und beredeten Objektivität Gestalt anzunehmen; er ist sich selbst nicht präexistent,…, Er existiert unter den positiven Bedingungen eines komplexen Bündels von Beziehungen.“ (Foucault 1981: 68)

    Foucault präzisiert die einschränkende Wirkung von Diskursen über Ausschlusskriterien, die konstitutiv sind für legitimes Sprechen (Foucault 1972). Neben externen (wie Wahnsinn und Unwahrheit) und internen Einschränkungen (der Kommentar), existieren Zugangsbeschränkungen. Letzteres zeigt sich in Ritualen oder etablierten, über ihr eigenes Regelwerk wachenden Diskursgemeinschaften.

    Auch wenn Foucaults Interesse sich auf wissenschaftliche Diskurse bezieht, können Übertragungen auf den vorliegenden Forschungsgegenstand vorgenommen werden: Auch hier steht die Frage im Raum über welche Bedingungen, auch wenn es sich um Diskurse aktuellen, medial vermittelten Alltagswissens handelt (vgl. Link 2006: 408f.), welche Aussagen über einen Gegenstandsbereich hervorgebracht werden.

  2. 2.

    Die an dieser Stelle nicht zu beantwortende Frage ist, inwiefern Teilnehmer entsprechender Reality-TV-Formate sich dem Akteurskonzept der Wissenssoziologischen Diskursanalyse fügen, oder, möglicherweise, lediglich als medial gesetzte Schauspieler agieren. Verwiesen sei allerdings auf die Selbstbeschreibungen der erwähnten Sendungen, in denen stets betont wird, wie sehr die abgebildete Realität auch der „wahren Wirklichkeit“ entspricht. Stellvertretend zitiert sei hier die Homepage von „we are family“: Mit der Docu-Soap „We are Family! – So lebt Deutschland“ begibt sich ProSieben auf die Suche nach echtem Familienglück und schaut dabei hinter die Kulissen verschiedenster Familien. Welche wünschenswerten Gestaltungen des Zusammenseins artikulieren sich in Abgrenzung zur Bewältigung des normalen Alltags? (vgl.: www 1)

  3. 3.

    Forschungsfrage 2) und 3) sind entgegen Forschungsfrage 1), die sich mit den Produktionsbedingungen auseinandersetzt, als Medieninhaltsforschung zu verstehen, als eine Untersuchung der inhaltlichen Strukturierungsprozesses eines aktuellen massenmedialen Diskurses, und dies in zweifacher Weise, der bildlichen, wie der inhaltlichen Authentifizierung.

  4. 4.

    Zusätzlich könnte die Bedeutungszirkulation seitens der Rezipienten, wie es in der Forschungstradition der Cultural Studies üblich ist, anvisiert werden. Zur Einführung in die Cultural Studies: (Lutter, Reisenleitner 2005)

  5. 5.

    Ein Sprechen in die Kamera würde den Konstruktionscharakter für die Kamera zu deutlich werden lassen.

  6. 6.

    Zur inhaltlichen Sinnverknüpfung Familie, Schicksal und gemeinsamer Überwindung durch kollektive Gestaltung mehr im nächsten Kapitel.

  7. 7.

    Hierunter zähle ich beispielsweise Sendungen wie „vermisst“, „Wohnen nach Wunsch“ oder auch „Raus aus den Schulden“.

  8. 8.

    Formate wie „Mein Baby“ oder „unsere erste gemeinsame Wohnung“ ließen sich hierzu subsumieren.

  9. 9.

    Zu denken wäre an „Frauentausch“

  10. 10.

    Dazu könnte ebenfalls eine Sendung wie „vermisst“ gezählt werden

  11. 11.

    Darunter lassen sich noch weitere aktuelle Sendeereignisse subsummieren: „Die Super-Nanny“ oder auch „Raus aus den Schulden“.

  12. 12.

    Streng genommen müsste man von zwei Abweichungen der linearen Präsentation sprechen, wobei die zweite, diejenige auf die ich im Fließtext nicht eingehe nach den Werbeblöcken einsetzt. Innerhalb der 60 Minuten von 14.00 – 15.00 Uhr werden zwei Werbeblöcke eingespielt. Unmittelbar nach dem Wiederbeginn nach einem Werbeblock wird das bisher gezeigt in Kurzform zusammengefasst, anschließend in erwähnter chronologischer Weise weiter die Problembearbeitungen der einzelnen Familien gezeigt. Insofern messe ich diesem zweiten Aspekt der Abkehr der linearen Darstellung keine weitere Bedeutung zu. Sie hat meiner Ansicht nach die Funktion das bereits Bekannte zu verdoppeln bzw. zu verdreifachen, um sich so dem Zuschauer besser bekannt zu machen.

  13. 13.

    Die Familienkonferenz kann ebenso über die Terminologie der diskursgenerierten Modellpraktiken erschlossen werden. Diese meint Muster des Handelns, die Kommunikationsprozesse sowie „nicht-sprachliche oder nicht-zeichenbezogene Handlungsvollzüge“ (Keller 2008a: 256) miteinschließen. Entscheidend daran sind Handlungsempfehlungen für praktische Tätigkeiten die der Diskurs abwirft, d. h. hier Hinweise darüber welche Schritte in Angriff zu nehmen sind, um eine Problemsituation zu bewältigen.

  14. 14.

    Dieser Punkt lässt sich allerding nur unter der Einbeziehung weiterer und anders gearteter thematischer Sendungen verifizieren.

  15. 15.

    Die grafische Revolution führt nach Boorstin zu Pseudo-Ereignissen (vgl. York 2007: 21ff). Dies sind Ereignisse die lediglich für die Massenmedien produziert werden und unsere Realität verdecken. Sendungen, die dem Reality-Genre zuzurechnen sind, können. diesem Vorschlag folgend, sicherlich auch als Pseudoereignisse deklariert werden. Interessant für mich dagegen ist die Frage, wie die Illusion der Realität produziert wird.

Literatur

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© 2013 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden

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Kiefl, O. (2013). „We are Family“: Erfahrungswissen Familie – Familien im Mitmachfernsehen. Ein Diskurs bewegter Bilder. In: Keller, R., Truschkat, I. (eds) Methodologie und Praxis der Wissenssoziologischen Diskursanalyse. Theorie und Praxis der Diskursforschung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93340-5_6

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-93340-5_6

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden

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