Zusammenfassung
Die aktuelle Sozialstaatsdebatte wird von Begriffen dominiert, die Stephan Hebel, damals Mitglied der FR-Chefredaktion, an George Orwells „Neusprech“ erinnerten. „Unter dem Wort-Beschuss der Wirtschaftslobby hat sich zunächst in der geschlossenen Gesellschaft der Berliner Machtzentralen eine Stimmung entfaltet, in der bestenfalls belächelt wird, wer an Worten und Werten wie Gerechtigkeit und Gleichheit in ihrer ursprünglichen Bedeutung festhält. Im schlechteren Fall muss er sich vorwerfen lassen, sich aus der ‚Mottenkiste‘ bedient zu haben.“Hebel differenzierte zwischen drei Methoden dieser „Gehirnwäsche“, wie er sich ausdrückte: der Umdeutung tradierter Begriffe (z.B. „Reform“), der Diskreditierung ethisch-moralischer Kategorien („Solidarität“) und der Schönfärberei (z.B. ungerechter Verhältnisse). Heribert Prantl, Ressortleiter Innenpolitik der Süddeutschen Zeitung, beklagte die Uniformität der öffentlichen Meinung über die Zukunft des Sozialstaates. Eine „wuchtige Kampagne“ habe im Laufe des letzten Jahrzehnts zuerst die Sprache und später auch das Denken erobert: „Es begann damit, daß aus dem sozialen Netz die soziale Hängematte wurde und statt von der Massenarbeitslosigkeit vom kollektiven Freizeitpark die Rede war; mittlerweile wird die Kürzung von Arbeitgeberbeiträgen zur Rentenversicherung als ‚Beitrag zur Generationengerechtigkeit‘ verkauft und eine allgemeine Lohnsenkung als Rezept zur Gesundung des Landes ausgegeben.“Schließlich fand in der wirtschafts- und sozialpolitischen Reformdiskussion eine Beweislastumkehr statt: Nicht etwa die Befürworter/innen eines Abbaus der paritätischen Mitbestimmung, des Kündigungsschutzes und des Flächentarifvertrages müssen erklären, wieso diese Maßnahmen zu mehr Beschäftigung führen, sondern die Kritiker/innen solcher „Reformen“ sich für ihre Skepsis rechtfertigen.
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© 2012 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
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Butterwegge, C. (2012). Debatten über die gegenwärtige und zukünftige Entwicklung des Wohlfahrtsstaates. In: Krise und Zukunft des Sozialstaates. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93310-8_8
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Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-15851-8
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