Zusammenfassung
Kleine Parteien und ihr Abschneiden bei Wahlen sind in der Bundesrepublik Deutschland eher stiefmütterlich behandelt worden. Auch in Fachwörterbüchern finden sich nur selten einschlägige Artikel (Hoffmann 2009). Der Grund liegt auf der Hand. Die zweite deutsche Demokratie war und ist ein Staat, in dem die „übrigen Parteien“ zumal bei Bundestagswahlen – anders als in der ersten deutschen Demokratie – ausgesprochen schlecht abgeschnitten haben. Von 1961 an etablierte sich ein Dreiparteiensystem, das ab 1983 durch den Einzug der Grünen zu einem Vierparteiensystem und ab 1990 durch die PDS (später Linkspartei, Die Linke) zu einem Fünfparteiensystem mutierte. Nach dem Scheitern der Gesamtdeutschen Partei mit 2,8 Prozent an der Fünfprozentklausel bei der Bundestagswahl 1961 ist es von den kleinen Parteien nur der NPD gelungen, mit 4,3 Prozent im Jahr 1969 ein besseres Ergebnis zu erreichen. Der Vielzahl an Parteien (Stöss 1983/1984; Decker/Neu 2007) steht damit eine Unterzahl an Erfolgen gegenüber. Den teils strukturellen, teils situativen Gründen für das Scheitern sogenannter nicht-etablierter Kleinparteien ist vielfältig nachgegangen worden (Rowold 1974; Roemheld 1983; Boom 1999; Schulze 2004; Freudenberg 2009). Der folgende Beitrag will anhand der Bundestagswahl 2009 untersuchen, ob sich nun – angesichts eines stärker volatilen und fragmentierten Parteiensystems – ein Wandel andeutet. Sind „Kleine Parteien im Aufwind“ (Jun/Kreikenbom/Neu 2006; Dietsch 2006)? Vor allem die beiden großen der vielen kleinen Partei stehen dabei im Vordergrund: die NPD und die Piratenpartei. Haben sie das Zeug dazu, die Fünfprozentklausel zu überwinden und damit eine Erweiterung des Parteiensystems im Bund herbeizuführen? Welche Faktoren sprechen dafür, welche dagegen?
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Backes, Uwe (2000): Probleme der Beobachtung und Berichtspraxis der Verfassungsschutzämter – am Beispiel von REP und PDS, in: Bundesministerium des Innern (Hrsg.): 50 Jahre Verfassungsschutz in Deutschland, Köln: Heymanns, S. 213–231.
Backes, Uwe/Steglich, Henrik (Hrsg.) (2007): NPD. Erfolgsbedingungen einer rechtsextremen Partei in Deutschland, Baden-Baden: Nomos.
Bartels, Henning (2009): Die Piratenpartei. Entstehung, Forderungen und Perspektiven der Bewegung, Berlin: Contumax.
Behnke, Joachim (2009): Überhangmandate bei der Bundestagswahl 2009. Eine Schätzung mit Simulationen, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 40, S. 620–636.
Blumberg, Fabian (2010): Partei der „digital natives“? Eine Analyse der Genese und Etablierungschancen der Piratenpartei, Berlin: Konrad-Adenauer-Stiftung.
Boom, Dirk van den (1999): Politik diesseits der Macht? Zu Einfluss, Funktion und Stellung von Kleinparteien im politischen System der Bundesrepublik Deutschland, Opladen: Leske und Budrich.
Brandstetter, Marc (2010): Die NPD in der Ära Voigt. Diss. an der TU Chemnitz, Chemnitz.
Decker, Frank (2011): Regieren im „Parteienbundesstaat“. Zur Architektur der deutschen Politik, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.
Dietsche, Hans-Jörg (2006): Eine „Renaissance“ der kleineren Parteien im deutschen Volksparteiensystem, in: Jun, Uwe/Kreikenbom, Henry/Neu, Viola (Hrsg.): Kleine Parteien im Aufwind. Zur Veränderung der deutschen Parteienlandschaft, Frankfurt a.M.: Campus, S. 58–74.
Freudenberg, André (2009): Freiheitlich-konservative Kleinparteien. Bund Freier Bürger – Deutsche Partei – Deutsche Soziale Union – Partei Rechtsstaatlicher Offensive, Leipzig: Engelsdorfer Verlag.
Gisart, Brigitte (2009): Grundlagen und Daten der Wahl zum 17. Deutschen Bundestag am 27. September 2009, in: Wirtschaft und Statistik, Heft 8, S. 743–763.
Goll, Karsten (2008): Biographisches Porträt: Holger Apfel, in: Backes, Uwe/Jesse, Eckhard (Hrsg.), Jahrbuch Extremismus & Demokratie, Bd. 20, Baden-Baden: Nomos, S. 226–236.
Hoffmann, Jürgen (2009): Splitterparteien (linke und bürgerliche), in: Andersen, Uwe/Woyke, Wichard (Hrsg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland, 6. Aufl., Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 639–645.
Hoffmann, Uwe (1999): Die NPD. Entwicklung, Ideologie und Struktur, Frankfurt a.M.: Peter Lang.
Jesse, Eckhard (1985): Wahlrecht zwischen Kontinuität und Reform. Eine Analyse der Wahlsystemdiskussion und der Wahlrechtsänderungen in der Bundesrepublik Deutschland 1949–1983, Droste.
Jesse, Eckhard (2006): Biographisches Porträt: Udo Voigt, in: Backes, Uwe/Jesse, Eckhard (Hrsg.): Jahrbuch Extremismus & Demokratie, Bd. 18, Baden-Baden: Nomos, S. 207–219.
Jesse, Eckhard (2008): Die rechtsextremistische Nationaldemokratische Partei Deutschlands vor und nach der Bundestagswahl 2005, in: Niedermayer, Oskar (Hrsg.): Die Parteien nach der Bundestagswahl 2005, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 201–299.
Jesse, Eckhard (2010): Ist die extremistische NPD dauerhaft gescheitert? Politik, Wahlkampf, Wahlergebnisse, Folgen, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 279–303.
Jun, Uwe/Kreikenbom, Henry/Neu, Viola (Hrsg.) (2006): Kleine Parteien im Aufwind. Zur Veränderung der deutschen Parteienlandschaft, Frankfurt a.M.: Campus.
Jutzi, Siegfried (2005): Zur Verfassungswidrigkeit des „Dreiländer-Quorums“ bei der Parteienfinanzierung. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 26. Oktober 2004 – 2 BvE und 2/02, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 36, S. 375–382.
Köhler, Jan (2006): Parteien im Wettbewerb. Zu den Wettbewerbschancen nicht-etablierter politischer Parteien im Rechtssystem der Bundesrepublik, Baden-Baden: Nomos.
Kuhn, Angelika (1991): Privilegierung nationaler Minderheiten im Wahlrecht der Bundesrepublik Deutschland und Schleswig-Holsteins, Frankfurt a.M.: Peter Lang.
Meinel, Florian (2010): Chancengleichheit oder Kooperation? Der Zugang kleiner Parteien zur Bundestagswahl, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 41, S. 67–76.
Michaelis, Lars Oliver (2000): Politische Parteien unter der Beobachtung des Verfassungsschutzes. Die Streitbare Demokratie zwischen Toleranz und Abwehrbereitschaft, Baden-Baden: Nomos.
Miliopoulos, Lazaros (2006): Die NPD als Machtfaktor im deutschen Parteiensystem, in: Jun, Uwe/Kreikenbom, Henry/Neu, Viola (Hrsg.): Kleine Parteien im Aufwind. Zur Veränderung der deutschen Parteienlandschaft, Frankfurt a.M.: Campus, S. 223–245.
Molitor, Ute (1992): Wählen Frauen anders? Zur Soziologie eines frauspezifischen politischen Verhaltens in der Bundesrepublik Deutschland, Baden-Baden: Nomos.
Neumann, Felix (2009): Die digitale Opposition, in: Berliner Republik 11, Heft 6, S. 42–47.
Niedermayer, Oskar (2010): Erfolgsbedingungen neuer Parteien im Parteiensystem am Beispiel der Piratenpartei Deutschland, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 41, S. 838–854.
Roemheld, Regine (1983): Minorisierung als Herrschaftssicherung. Zur Innovationsfähigkeit des westdeutschen Parteiensystems, Frankfurt a.M.: Campus.
Rowold, Manfred (1974): Im Schatten der Macht. Zur Oppositionsrolle der nicht-etablierten Parteien in der Bundesrepublik, Düsseldorf: Droste.
Schmedes, Hans-Jörg (2010): Wählen im Blick Europas. Die Beobachtung der Bundestagswahl 2009 durch die OSZE, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 41 (2010), S. 77–91.
Schulze, Andreas (2004): Kleinparteien in Deutschland. Aufstieg und Fall nicht-etablierter politischer Vereinigungen, Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag.
Stöss, Richard (Hrsg.) (1983/1984): Parteien-Handbuch der Parteien der Bundesrepublik Deutschland von 1945–1980, 2 Bde., Opladen: Westdeutscher Verlag.
Zolleis, Udo/Prokopf, Simon/Strauch, Fabian (2010): Die Piratenpartei. Hype oder Herausforderung für die deutsche Parteienlandschaft, München: Hanns-Seidel-Stiftung.
Author information
Authors and Affiliations
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2011 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
About this chapter
Cite this chapter
Jesse, E. (2011). Das Abschneiden der kleinen Parteien bei der Bundestagswahl 2009 und ihre Perspektiven. In: Niedermayer, O. (eds) Die Parteien nach der Bundestagswahl 2009. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93223-1_8
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-93223-1_8
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-17935-3
Online ISBN: 978-3-531-93223-1
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)