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Krise und Schulden – Eine (rechtliche) Begriffsklärung

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  • 1970 Accesses

Zusammenfassung

Mit Artikel 20 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland hat sich die juristische Methodik des Rechtspositivismus im deutschen Recht niedergeschlagen. Die Vorschrift lautet: „Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Recht und Gesetz gebunden.“ Nach dem Rechtspositivismus hat sich die juristische Tätigkeit allein auf die Anwendung von aus dem Gesetzestext direkt entnommenen Fallregulierungen zu fokussieren; mit der schriftlichen Fixierung in Gesetzen soll das gesprochene Recht antizipatorisch und eindeutig festgelegt werden. Die Anwendung dieser positiven Rechtsregeln erfolgt durch die sog. Subsumtion, also die Unterordnung eines einzelnen zu entscheidenden Falles unter den im Gesetzestext formulierten Tatbestand. Die tatsächliche Tätigkeit der Gesetzesanwendung ist indes komplexer als der Blick auf die vorgenannte Definition erkennen lässt. Auch die Lehre des Rechtspositivismus kommt nicht umhin, dass Rechtsanwendung eine Interpretation des Gesetzestextes vonnöten macht, also sprachliches Verstehen und sprachliche Auslegung bedingt. Damit unterwirft sich das Recht der Sprache. „Gesetze sind Sätze: Sprachereignisse.“ Die Sprache stellt den Träger von Gesetzesvorschriften dar, ohne sie würden Gesetze nicht bestehen. Folglich ist das Recht aber auch den Schwächen der Sprache unterworfen: Mehrdeutigkeit, Vagheit und Abstraktheit, sprich: Ungenauigkeiten der Sprachen gehen zu seinen Lasten. Das ideale Gesetz setzt die ideale Sprache voraus! Eine Voraussetzung die kaum erfüllbar erscheint. Daher spielt in der rechtlichen Fallbearbeitung die Auslegung eine große Rolle. Einer solchen bedürfen beispielsweise Gesetze, einzelne Willenserklärungen oder auch ganze Verträge. Dabei werden auch die Grenzen deutlich, die das Recht selbst der Sprache setzt: So hat der wirkliche Wille bei der Auslegung einer Willenserklärung gemäß § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) Vorrang vor dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks. Verträge sind nach § 157 BGB nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte auszulegen. Während § 133 BGB auf den empirischen Willen abstellt (sog. natürliche Auslegung), verweist § 157 BGB auf die objektive Erklärungsbedeutung (sog. objektiv-normative Auslegung). Darauf aufbauend hat sich in der Rechtsprechung mit Blick auf die Gesetzesauslegung schnell die Auffassung durchgesetzt, dass nicht der Wortlaut allein, sondern auch der Zweck der Norm zur Auslegung heranzuziehen ist. Somit stellt die Sprache den Ansatzpunkt des Rechts dar, aber nicht notwendigerweise seine Begrenzung. In diesem Sinne haben sich vier klassische Auslegungsmethoden herausgebildet, die hier nur kurz angerissen werden sollen. Ausgangspunkt aller Auslegungen ist die Wortbedeutung (sog. sprachlichgrammatikalische Auslegung). Gibt es keine gesetzliche Festlegung (sog. Legaldefinition), so gilt zunächst der Sprachgebrauch der Juristen, im Übrigen der allgemeine Sprachgebrauch. Ein eindeutiger Wortsinn ist grundsätzlich Grenze jeder Auslegung, es sei denn, der aus der Historie der Vorschrift zu ermittelnde Gesetzeszweck befiehlt eine abweichende Auslegung. Damit sind auch schon zwei weitere Auslegungsmethoden genannt, die sogleich beschrieben werden sollen, denen aber noch die systematische Auslegungsmethode vorangestellt werden soll. Hiernach gilt, dass der einzelne Rechtssatz im Gesamtzusammenhang der Rechtsordnung steht und so auch zu verstehen ist. Auch die systematische Auslegung begrenzt die Auslegung einer Vorschrift, es sei denn, die ratio legis erfordert wiederum anderes. Die historische Auslegung anhand der Gesetzgebungsgeschichte bezieht ihre Bedeutung vor allem in der Ermittlung des Gesetzeszwecks. Dabei kommt es nach hM auf den anhand des Wortlauts objektivierten Willen des Gesetzgebers an, der subjektive hat keine Bedeutung. Folglich sind ausdrückliche Stellungnahmen des Gesetzgebers nicht bindend; beziehen sie sich hingegen auf den Gesetzeszweck, besteht in der Regel eine solche Bindung. Die teleologische Auslegung nimmt die ratio legis in den Blick, orientiert sich also am Gesetzeszweck und ist regelmäßig für das Ergebnis der Auslegung entscheidend. Ansatzpunkt ist der mit der konkreten Norm verfolgte Zweck. Ergänzt wird die Auslegung dadurch, dass die Norm in den Zusammenhang einer gerechten und zweckmäßigen Ordnung gestellt wird.21 Bestehen mehrere Auslegungsalternativen, so muss ein Ergebnis durch Abwägung gewonnen werden. Nach diesem Überblick soll nun mit der eigentlichen Begriffsbestimmung begonnen werden. Eine Klärung der Begriffe Krise und Schulden macht infolge der vorstehenden Erläuterung eine Untersuchung aus Sicht der Alltagssprache und der juristischen Terminologie notwendig.

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© 2011 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH

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Homann, C. (2011). Krise und Schulden – Eine (rechtliche) Begriffsklärung. In: Krisen und Schulden. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-93085-5_8

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  • DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-93085-5_8

  • Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften

  • Print ISBN: 978-3-531-17993-3

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