Zusammenfassung
In linken Debatten um die Thesen von Empire kehrt der Einwand immer wieder, dass die Beschreibung der post-fordistischen Konstellation mit dem Konzept der Biopolitik in letzter Konsequenz politisches Handeln suspendiere. So sympathisch die eingenommene Immanzperspektive auch sei, wenn sie unter dem Label Biopolitik die Felder von Politik, Produktion, Leben, Sprache, Wissen und Affekten zusammenführe, so problematisch sei sie zugleich. Dabei lassen sich zwei Typen von Argumentationen unterscheiden. Die einen fürchten um die Grundlagen der linken Politik: So argumentiert etwa Susanne Schultz in ihrer Auseinandersetzung mit Empire, wenn » alles produktiv « werde, so mache dies jede Kritik an den bestehenden Verhältnissen unmöglich, da bestehende Unterschiede und Hierarchien nicht mehr benannt und damit zum Ausgangspunkt von politischen Kämpfen werden könnten. Wird strukturell nicht mehr zwischen Reproduktions- und Produktionsarbeit differenziert, so wird verleugnet, dass auf sozial praktische Weise diese Arbeiten gesellschaftlich unterschiedlich gewichtet und anerkannt werden und genau diese Trennung einem Genderbias folgt. Die geschlechterpolitische Dimen sion des Kampfplatzes Arbeit respektive Produktion werde somit, so Schultz, unsichtbar gemacht. Während also Hardt und Negri aus einer Perspektive der Deterritorialisierung diejenigen Elemente der Konstellation betonen, die nicht eine eindeutige Deckungsgleichheit zwischen der binären Spaltung des Geschlechts und der Unterscheidung zwischen Produktion und Reproduktion nahe legen, betont Schulz gerade umgekehrt den Aspekt der Binarität, nämlich dass, so könnte man auch sagen, die binäre Geschlechterspaltung » trotz allen « Veränderungen weiterbesteht. In diesem Sinne schreibt sie etwa, dass es » ein bestimmtes, zunehmend hegemoniales Bild weiblicher Subjektivität [gibt], in dem die Reproduktionsarbeit in den Nischen des neoliberalen Patchworkalltags als individuell zu managende verschwindet und noch unsichtbarer wird, als sie im Modell der Hausfrau war « (Schultz 2002, 704).
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Balibar, Étienne (2003): Sind wir Bürger Europas? Politische Integration, soziale Ausgrenzung und die Zukunft des Nationalen, Hamburg.
Balibar, Étienne (2001): » Kommunismus und Staatsbürgerschaft. Überlegungen zur Emanzipatorischen Politik am Ende des 20. Jahrhunderts « in: Diskus, H 2/01, 50. Jg., Nr. 2
Hardt, Michael/Negri, Antonio (1997): Die Arbeit des Dionysos. Materialistische Staatskritik in der Postmoderne, Berlin/Amsterdam.
Hardt, Michael/Negri, Antonio (2002): Empire. Die neue Weltordnung, Frankfurt a. M./New York.
Laclau, Ernesto (2004): » Can Immanence Explain Social Struggles «, in: Passavant, Paul A./Dean, Jodi (Hg.), Empire’s New Clothes. Reading Hardt and Negri, New York/London, 21–30.
Poulantzas, Nicos (2002): Staatstheorie. Politischer Überbau, Ideologie, Autoritärer Etatismus, Hamburg.
Schultz, Susanne (2002): » Biopolitik und affektive Arbeit bei Hardt/Negri «, in: Das Argument, H. 5/6, 44. Jg., Nr. 248, 696–708.
Editor information
Rights and permissions
Copyright information
© 2011 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
About this chapter
Cite this chapter
Pieper, M., Atzert, T., Karakayalı, S., Tsianos, V. (2011). Das Unbehagen an der Biopolitik. In: Pieper, M., Atzert, T., Karakayalı, S., Tsianos, V. (eds) Biopolitik – in der Debatte. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92807-4_9
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-92807-4_9
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Print ISBN: 978-3-531-15497-8
Online ISBN: 978-3-531-92807-4
eBook Packages: Humanities, Social Science (German Language)