Zusammenfassung
Die Geschichte war schon immer eine Leidenschaft der Franzosen. „Das hohe Alter Frankreichs, sein Bestehen über die Jahrhunderte hinweg […], kurzum, sein von der Vorsehung gefügtes Schicksal – dies sind die Züge des nationalen, historischen Bewusstseins“, schreibt ein Historiker, der diese Leidenschaft behandelt. Er spielt damit auf die berühmten ersten Zeilen von de Gaulles Memoiren an, die die historische Größe zum Zentrum des französischen Selbstbewusstseins erklären. Nach einer seit den Anfängen der Dritten Republik verbreiteten Überzeugung stützt sich die nationale Identität der Franzosen auf ein Geschichtsbild, das von der historischen Kohärenz der Nation ausgeht. Noch heute sei diese Identität „vor allem eine historisch bedingte“, so zumindest die Verfasser einer kürzlich erschienenen Veröffentlichung. Wenn sie Recht haben und die nationale Identität tatsächlich „eine beständig gegenwärtige Vergangenheit ist, die jeder Einzelne bei seiner Geburt als gegeben vorfindet“, so könnte man die Geschichtsbegeisterung der Franzosen durch den Wunsch erklären, eine ‚Schicksalsgemeinschaft‘ historisch zu verstehen, deren Zukunft derzeit sowohl von der Globalisierung als auch von den Entwicklungen einer multikulturellen französischen Gesellschaft in Frage gestellt wird. Das historische Gedächtnis wird so zu einer unveränderlichen Gegebenheit und soll es ermöglichen, das Fundament des nationalen Zusammenhangs vor dem Hintergrund einer gesellschaftlichen und kulturellen Identitätskrise zu festigen.
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Literatur
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Stenzel, H. (2011). Eine postmoderne nationale Identität?. In: Baasner, F., et al. Frankreich Jahrbuch 2010. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92801-2_5
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