Zusammenfassung
Im Verlauf der letzten drei Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts, im Zuge von Reichsgründung, beschleunigter Industrialisierung und Urbanisierung, vollzog sich in Deutschland, wie andernorts auch, ein tiefgreifender Wandel in der Bestimmung des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft. Kaum irgendwo sonst lässt sich dieser Wandel so gut studieren wie in den Diskussionen um die staatlichen Eingriffsbefugnisse in die elterliche Erziehung. Bis weit über die 1850er Jahre hinaus war die vorherrschende Meinung, dass sich der Staat aus familiären Angelegenheiten möglichst herauszuhalten habe. Nach dem Rechtsstaatsprinzip sollten die Bürger vor den Zudringlichkeiten der Obrigkeit geschützt werden. Nur nach eng gefassten, gesetzlich festgelegten Kriterien und einem klar geregelten Verfahren sollte der Staat in die allgemeinen Verkehrsformen, das Wirtschaftsleben sowie die grundlegendsten sozialen Institutionen und Zusammenhänge eingreifen dürfen. Am Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich diese Situation grundlegend gewandelt. Zumindest in den politischen Entscheidungsgremien zweifelte kaum noch jemand daran, dass dem Staat und seinen Organen das Recht, ja die Pflicht zukomme, Minderjährige bei festgestellten gravierenden Mängeln in der familialen Erziehung auch gegen den Willen der Eltern in seine Obhut zu nehmen und sowohl zu ihrem eigenen Wohl als auch im öffentlichen Interesse zu erziehen.
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© 2011 VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH
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Richter, J. (2011). Der Diskurs zum Sorgerechtsentzug – Fürsorgeund rechtspolitische Debatten zum Eingriff in das Elternrecht. In: „Gute Kinder schlechter Eltern“. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92783-1_4
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DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-531-92783-1_4
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften
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Online ISBN: 978-3-531-92783-1
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