Zusammenfassung
Traditionell verläuft die Diskussion um die Auswirkungen von Migration in Deutsch land entlang eines Defizit- und Konfliktdenkens. Sowohl erwach sene Migrantengruppen als auch deren Kinder gelten vielfach als eine besondere Risikopopulation. Exemplarisch hierfür sind gesundheitspsych ologisch e Forsch ungen, die eine deutlich höhere Stressbelastung und Krankheitsanfälligkeit dieser Gruppen gegenüber der deutsch en Bevölkerung zeigen (Collatz 1998; Firat 1996). Seit den ach tziger Jahren fokussiert die sozialwissensch aft lich e Literatur auf Jugendlich e mit Migrationshintergrund unter Aspekten devianter Sozialisation wie etwa Gewalt und Kriminalität (Bielefeld/Kreissl 1983; Nohl 1996; Heitmeyer/Müller/ Sch röder 1997). Darüber hinaus wird im Bildungssektor immer wieder die prekäre Situation der Sch ülerinnen und Sch üler mit Migrationshintergrund hervorgehoben (Kornmann 1998). Besonders nach den internationalen Sch ulleistungsstudien wie etwa den PISA-Ergebnissen, bei denen Migrantenkinder in Deutsch land noch ungünstigere Ergebnisse als deutsch e Sch ülerinnen und Sch üler erzielten, ist die Diskussion um ungleich e Bildungsch ancen von Migranten erneut entfach t. Was dabei jedoch häufig versch wiegen wird oder zu kurz kommt: Die deutlich überwiegende Mehrzahl der Migranten sch afft es, den Alltag einigermaßen „ordentlich “ zu gestalten und weder mit Gewalt und Devianz noch mit Pathologien auff ällig zu werden. Gerade wenn Migranten und Jugendlich e mit Migrationshintergrund unter einer höheren Anzahl bzw. an intensiveren Risiken leiden, wie es in vielen Studien deutlich wird (Collatz 1998; Uslucan 2005a, b), dann müsste auch eine ganz „normale“, unauff ällige Lebensführung von Migrantenjugendlich en zunäch st erstaunlich und erklärungsbedürft ig sein. Deshalb gilt es, nich t nur stets die außergewöhnlich en positiven Fälle zu loben oder die „negativen“ zu beklagen, sondern auch die Anstrengungen „zur Normalität“ bei den „Unauff älligen“ besonders anzuerkennen; größtenteils erfolgte die Integration von Migranten – und das sollte man immer wieder im Blick haben – unauffällig.
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Uslucan, HH. (2011). Resilienzpotenziale bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund. In: Zander, M. (eds) Handbuch Resilienzförderung. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92775-6_25
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