Die meisten Schlote des Ruhrgebiets rauchen nicht mehr, der von Willy Brandt proklamierte blaue Himmel über der Ruhr ist längst Realität geworden, und die meisten Fördertürme, die nur noch gelegentlich am Horizont sichtbar werden, stehen mittlerweile im Zentrum von Industriemuseen und nicht mehr von lauten und staubigen Steinkohlezechen. Der Gründungsmythos einer ganzen Region, der über Jahrzehnte hunderttausende Menschen aus ganz Europa anlockte und einen dünn besiedelten Landstrich in atemberaubender Geschwindigkeit in den drittgrößten Ballungsraum Europas verwandelte, gehört mit dem geplanten Auslaufen der Steinkohle-Subventionen bald vollständig der Vergangenheit an. Schon die Industrialisierung der Region stellte die Städte und Gemeinden vor immense Herausforderungen, sie kamen nicht nach mit dem Ausbau von Infrastruktur, Versorgungseinrichtungen und Verwaltungskapazitäten, und oft dominierten gar die Industriekonzerne die Stadtentwicklung. Die einheimische Agrarbevölkerung sah sich durch die vielen Migranten in ihren zu Städten explodierenden Orten plötzlich in der Minderheit, und dennoch gelang die Integration der eingereisten Massen. Nur ein Jahrhundert später machten andere Schlagzeilen die Runde: Während Ende der 1950er Jahre das ‘Zechensterben’ begann, mussten die Städte sich erneut einem massiven Strukturwandel unterziehen, der auch heute noch seine Spuren – etwa in Form von überdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit und segregierten Stadtteilen – hinterlässt. Die Herausforderungen des Wandels waren ohne Frage überwältigend und das Image des ‘Kohlenpotts’ staubig und dreckig (‘Hängt man weiße Wäsche zum Trocknen an die Leine, so ist sie nach einem Tag wieder schwarz …’). Zudem ist das Ruhrgebiet bis heute völlig zergliedert, und es fehlt eine integrierende institutionelle Kraft, welche die Bemühungen des Wandels bündeln und koordinieren könnte.
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Betz, G. (2011). Das Ruhrgebiet – europäische Stadt im Werden? Strukturwandel und Governance durch die Kulturhauptstadt Europas RUHR.201052 . In: Frey, O., Koch, F. (eds) Die Zukunft der Europäischen Stadt. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92653-7_19
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