Zusammenfassung
In mannigfaltigen intuitiven, operativen und subtilen hermeneutischen Formen ist Verstehen nicht nur ein verbreitetes Geschehen, das gleichsam von sich aus überall dort ins Spiel kommt, wo etwas oder jemand danach verlangt, verstanden zu werden. In neuerer Zeit ist das Verstehen auf bemerkenswerte Art und Weise darüber hinaus zum Gegenstand politischer Forderungen und zum Politikum geworden. Man fordert Verstehen gerade dort, wo es sich nicht zeigen will, wo es aber politisch gesehen besonders nötig zu sein scheint. Speziell in interkultureller Hinsicht soll es sich bewähren, weil die politische Gegenwart in hohem Maße interkulturell geprägt ist, ohne dass man das in pädagogischen Institutionen vom Kindergarten über die weiterführenden Schulen bis hin zur Universität, wo die akademischen Lehren vom Verstehen zuhause sind, schon ausreichend realisiert hätte. Infolge dessen verlangt man nun auch diesen Hermeneutiken ab, sich endlich neuen Herausforderungen des Verstehens zuzuwenden, die es offenbar überhaupt erst als solche zu verstehen gilt. So sucht das Verstehen in interkultureller Hinsicht seine Ansatzpunkte, und die beteiligten wissenschaftlichen Disziplinen wittern die Chance, aufs Neue ihre stets prekäre Nützlichkeit zu erweisen – gelegentlich auch dadurch, dass sie den an sie gerichteten, politisch motivierten Forderungen ihrerseits vorauseilen.
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Liebsch, B. (2010). Sensibilität und interkulturelles Verstehen als Politikum. Zwischen opportuner Rhetorik und befremdlicher Überforderung. In: Hirsch, A., Kurt, R. (eds) Interkultur – Jugendkultur. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-531-92601-8_3
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